Hamburg. Bund will ein Drittel bei Finanzierung von Bufdis, FSJlern & Co. kürzen. Was das für die Menschen im Landgebiet bedeuten könnte.

Sie arbeiten in Kindergärten und Schulen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Pflegeeinrichtungen, Gedenkstätten oder Krankenhäusern und sind eine unverzichtbare Hilfe: Freiwillige, die etwa ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) als Bufdi leisten. Doch bei den Freiwilligendiensten will die Bundesregierung in den kommenden beiden Jahren drastische Einsparungen vornehmen. 113 Millionen Euro sollen gestrichen werden, das entspräche einem Rückgang um etwa ein Drittel. Fachleute gehen davon aus, dass jeder vierte Platz wegfallen wird. Gegen die geplanten Kürzungen gibt es massive Proteste. Mehr als 100.000 Menschen haben eine entsprechende Petition unterschrieben. Auch in den Vier- und Marschlanden sind zahlreiche Institutionen auf Freiwilligendienste, die in der Regel ein Jahr dauern, angewiesen.

Der Verein Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) organisiert Freiwilligendienste und Begegnungsprogramme (Friedensdienste) in Europa, Israel und in den USA. „Von den geplanten Kürzungen der Mittel wären auch wir massiv betroffen. Sie sind ein großes Problem“, sagt Matteo Schürenberg, Sprecher von ASF. Der Verein sei auf die Zuschüsse vom Bund angewiesen, ebenso wie auf Mittel aus Brüssel, kirchliche Zuschüsse und private Spenden. Kürzungen würden die Friedensarbeit „mittelfristig bedrohen“, betont Schürenberg und fügt hinzu: „Kleinere Anbieter haben ihre Programme bereits eingestellt.“ Schwierig sei die Situation schon jetzt: „Seit Jahren sind die Leistungen nicht erhöht worden, die Kosten aber immens gestiegen.“

Freiwilligendienste besorgt wegen geplanter Kürzungen

Gerade jetzt, wo sich die Ukraine und in Israel in Kriegen befinden, wo globale Krisen und die Zunahme des Rechtsextremismus Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohen, brauche es internationale Begegnungen und das Engagement junger Freiwilliger, sagt Schürenberg. Der 1958 gegründete Verein betreut jährlich rund 160 Freiwillige – „Deutsche im Ausland und Ausländer in Deutschland. Wir arbeiten in elf Ländern“, sagt Schürenberg. Für eine zwölfmonatige Freiwilligenstelle müsse die ASF durchschnittlich 18.000 Euro aufbringen. Bei 160 Freiwilligen sind das 2.880.000 Euro. Schließlich würden unter anderem die Kosten für An- und Abreise, Unterkunft, Versicherungen und Taschengeld übernommen. Hinzu kämen, wie bei anderen Freiwilligendienstvermittlern auch, Seminare, in denen die jungen Menschen für ihre Aufgaben geschult werden, auch Sprachkurse würden angeboten.

Rebekka Leibbrand ist pädagogische Leiterin des Bereichs FSJ Kultur der Landesarbeitsgemeinschaft (Lag) Kinder- und Jugendkultur. Der Hamburger Verein, ein Zusammenschluss von Institutionen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendkultur, vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Politik und Verwaltung und verwaltet die Einsätze aller FSJler im Kulturbereich in der Hansestadt – derzeit 84 Freiwillige. „Wir suchen interessante Einrichtungen und interessierte junge Menschen, die wir dann vermitteln“, sagt Rebekka Leibbrand und fügt hinzu: „Mittelkürzungen wären dramatisch, denn eigentlich bräuchten wir eine Aufstockung der Mittel.“ Die Leiterin geht davon aus, dass die Zahl der FSJler dann um ein Drittel reduziert würde. Die FSJ-Betreuung werde – neben einem kleinen Zuschuss von der Kulturbehörde – ausschließlich durch Bundesmittel finanziert.

Wichtig auch für die Persönlichkeitsentwicklung

In der KZ-Gedenkstätte Neuengamme werden jedes Jahr ein FSJler (Kultur) und ein bis zwei Freiwillige, die seit 1983 von der ASF vermittelt werden, beschäftigt. „Dabei erhalten die Freiwilligen einen Einblick in die verschiedenen Arbeitsbereiche einer großen KZ-Gedenkstätte in Deutschland und bringen sich aktiv mit ihren internationalen Blickwinkeln und damit immer neuen Ideen und diversen Hintergründen ein“, sagt Dr. Iris Groschek. Die Sprecherin der Gedenkstätte erklärt: „Das ist für eine Gedenkstätte, die sich an ein breites internationales Publikum richtet, wichtig, um immer wieder ihre Arbeit anpassen und neue Ideen aufnehmen zu können.“

Zusätzlich werden die beiden ASF-Freiwilligen während ihrer Zeit in Hamburg bei der „Solidarischen Hilfe im Alter“ eingesetzt. Diese Arbeit der Freiwilligen sei nicht nur für die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen, sondern auch für die Gedenkstätte wichtig, betont Iris Groschek. Ein finanzieller Vorteil sei, dass der Freundeskreis der Gedenkstätte dauerhaft die Kosten für eine Drei-Zimmer-Wohnung in Bergedorf übernehme, in der die Freiwilligen wohnen.

Freiwillige restaurieren alte Bauernhäuser

Die gemeinnützige GmbH Jugendbauhütte Hamburg beschäftigt im achten Jahr fünf FSJler im Bereich Denkmalpflege. Die Freiwilligen aus ganz Europa wechseln im Zwölf-Monats-Rhythmus. „Viele müssen wir ablehnen, denn wir bekommen jeweils 25 bis 30 Bewerbungen von jungen Menschen, die Interesse an der Arbeit an alten Bauernhäusern haben“, sagt Ulrich Mumm aus dem Beirat der Jugendbauhütte Hamburg. Die Freiwilligen restaurieren unter anderem ein altes Hufnerhaus am Moorfleeter Deich, haben sich auch schon um Schieberhäuschen auf dem Gelände der Stiftung Wasserkunst Kaltehofe gekümmert. „Etwa 70 Prozent der FSJler beginnen nach ihrem Freiwilligendienst bei uns mit einer handwerklichen Ausbildung oder einem am Handwerk orientierten Studium, etwa einem Architekturstudium“, sagt Mumm. Bei den anderen 15 Jugendbauhütten in Deutschland sehe das kaum anders aus, weiß Mumm.

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Die gGmbH habe jährlich Kosten in Höhe von rund 200.000 Euro, beschäftigt einen Handwerksmeister als Anleiter, zahlt für Miete für die Unterkünfte der Freiwilligen, Material, Versicherungen und Taschengeld, einen Transporter und gelegentlich auch Fachkräfte für Arbeiten, die das eigene Team nicht ausführen kann. Wenn die Bundesregierung Mittel streicht, müsse man neu kalkulieren, sagt Mumm. Bis das Projekt sich selbst trägt – durch die Vermietung von Zimmern und Wohnungen in eigenen, restaurierten Häusern –, wird es von Stiftungen finanziert. Bei Mittelstreichungen durch den Bund wäre man darauf angewiesen, dass Stiftungen mehr Geld zahlen.

Kinder werden die Leidtragenden sein

Die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) Neuengamme baut ebenfalls ausschließlich auf FSJ-Kräfte. „Wir wären von Kürzungen unmittelbar betroffen“, sagt Sabine Masuhr aus dem Organisationsteam der Kirchengemeinde Neuengamme. Derzeit sind 45 FSJler im Einsatz, die mehr als 50 Kinder und Jugendliche mit Handicap in deren Schulen – in Inklusionsklassen oder an Förderschulen – betreuen. „Für die Schulen wäre das eine Katastrophe“, sagt Sabine Masuhr. Sie fragt sich, wer die Arbeit dann übernehmen soll: „Hauptamtliche muss man erst einmal finden. Und wer soll sie bezahlen? Am Ende werden die Kinder die Leidtragenden sein.“

Der Wegfall der Bundesfreiwilligendienste und die Auswirkungen für Bergedorf stehen auch auf der Tagesordnung des Fachausschusses für Soziales, Gesundheit und Integration, der am Dienstag, 7. November, 18 Uhr, im Bergedorfer Rathaus (Wentorfer Straße 38) öffentlich tagt. Referierende der Arbeitsagentur wurden dazu eingeladen.