Bergedorf. Zwei Experten sind bei der Bergedorfer Selbsthilfegruppe zu Gast. Die Neurologen informieren über die aktuellsten Erkenntnisse.

Für Außenstehende mag es so klingen, als könne das alles nicht so schlimm sein. Kribbeln, Jucken, Reißen und Ziehen in Armen und Beinen, das hat ja jeder mal. Doch Menschen, die am Restless Legs Syndrom (RLS) leiden, stehen große Qualen aus. Nacht für Nacht halten die Schmerzen und ein unbezähmbarer Bewegungsdrang in Beinen und Armen sie wach – so lange, bis allein die Schlaflosigkeit die Betroffenen schier um den Verstand bringt. Nun soll ein Vortrag der RLS-Selbsthilfegruppe Hamburg-Bergedorf den Weg zu besserer ärztlicher Hilfe weisen.

Mit Dr. Kirsi Lange und Dr. Jan Simon Gerdes – beides Fachärzte für Neurologie mit Zusatzbezeichnung Schlafmedizin im Krankenhaus Alsterdorf – hat die hiesige Selbsthilfegruppe zwei Experten eingeladen. In dem kostenfreien Vortrag am Sonnabend, 29. April, ab 15 Uhr im KulturA (Otto-Grot-Straße 90, keine Anmeldung nötig) soll es vor allem um eine neue Leitlinie gehen, die 2022 nach zehn Jahren erneuert wurde und die ganz neue Wege in der Behandlung der Krankheit empfiehlt.

Restless Legs Syndrom: Selbsthilfegruppe lädt zum Vortrag ein

Diese Leitlinie ist „so etwas wie ein roter Faden für den Arzt“, sagt Ralf Wenzel, selbst Betroffener und Leiter der Bergedorfer RLS-Selbsthilfegruppe. Seit 2012 hat sich eine Menge in Diagnostik und Therapie der Krankheit geändert. „Zum Beispiel ist jetzt klar, dass ein Fokus auf den Eisenhaushalt im Körper gelegt werden muss – das muss als erstes untersucht werden“, sagt der Neuallermöher. Andere Therapien wie etwa Akupunktur würden hingegen gar nicht mehr empfohlen. Diese Leitlinie zu kennen, kann den Patienten helfen, beim Arzt die richtigen Fragen zu stellen und so den Neurologen zu finden, der wirklich helfen kann.

Denn obwohl das Restless Legs Syndrom Schätzungen zufolge fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung betrifft – vor allem Ältere, aber auch Schwangere – , ist die Krankheit laut Ralf Wenzel kaum erforscht. Sicher ist bisher nur, dass wohl ein Dopaminmangel der Auslöser ist. Heilung gibt es nicht, doch die richtigen Medikamente können helfen. Weil manche Medikamente aber Nebenwirkungen haben oder eine schnelle Gewöhnung eintreten kann, ist auch diese Behandlung nicht immer problemlos.

Außenstehende können das Problem oft nicht nachvollziehen

Schwierig ist zudem, dass Außenstehende das Problem oft in seiner Tragweite nicht nachvollziehen können. Dabei ist der Leidensdruck der Betroffenen immens. Die Beschwerden treten meist in Ruhestellung und vorwiegend abends und nachts auf. Auf das Kribbeln folgt oft ein „Gefühl wie ein Flitzebogen“, sagt Ralf Wenzel: Der Nerv spannt sich wie bei einem Bogen immer weiter an. „Und dann: Peng!“.

Die Patienten zucken und treten. Wer das Nacht für Nacht immer wieder erlebt, findet keinen Schlaf – und wird so manchmal sogar in die Depression getrieben. Ralf Wenzel sagt, er bekomme die „haarsträubendsten Geschichten erzählt“ – und auch weinende Menschen am Telefon sind keine Seltenheit.

Restless Legs Syndrom: Vereinigung kämpft um mehr Aufmerksamkeit

Die Restless Legs Vereinigung kämpft deshalb dafür, dem Leiden zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. „Im Moment haben wir das Problem, dass uns niemand zuhört“, sagt Ralf Wenzel. Corona hat allen Raum eingenommen: Sowohl der Staat als auch die Forschung priorisieren und fördern die Forschung zu Covid – manch anderes muss sich unterordnen.

Auch deshalb wünscht sich Ralf Wenzel, dass sich der Bergedorfer Selbsthilfegruppe (E-Mail: rls-bergedorf@hamburg.de) noch viel mehr Betroffene anschließen. Denn je mehr Mitglieder die Restless Legs Vereinigung hat, desto höher ihr Stellenwert und desto größer die Ambitionen, die Krankheit zu erforschen. Bundesweit hat die Vereinigung nur etwa 3500 Mitglieder, rein rechnerisch sind jedoch allein in Bergedorf 6500 Menschen von der Krankheit betroffen.