Hamburg. Weihnachten ist für viele Menschen ein Fest der Rituale. Aber manchmal änderns sich die Dinge im Leben, und plötzlich gestaltet sich das Weihnachtsfest ganz anders als gewohnt. Wir haben Menschen getroffen, für die Heiligabend in diesem Jahr zum ersten Mal ganz anders wird, als sie es bislang gewohnt waren.
Weihnachten: Das erste Fest als Eltern von Zwillingen
Seit ihrer Kindheit liebt Vivian Wichers Weihnachten und die damit verbundenen Traditionen. Voller Vorfreude schon in der Adventszeit die Wohnung zu schmücken. Und dann, ein paar Tage vor Heiligabend, mit ihrer Mutter zusammen den Baum zu behängen – mit vielen bunten Kugeln, aber auch lustigen Anhängern, zum Beispiel einer Gurke – und dabei amerikanische Weihnachtslieder zu hören. „Die mag ich besonders gern“, sagt die 34-Jährige. „Mein Lieblingslied ist tatsächlich ,Driving Home for Christmas‘.“
Den Song hat sie gehört, wenn sie aus Köln, wo sie studiert hat, über Weihnachten nach Hamburg gefahren ist. Und später, wenn sie Heiligabend ihre Mutter und deren Mann, am ersten Weihnachtstag die Familie ihres Freundes und am zweiten ihren Vater und dessen Frau besucht hat. „Wir sind eine klassische Patchworkfamilie.“
Doch dieses Jahr wird sie nicht mit ihrem Freund Nils Falkenhorst im Auto sitzen und lauthals den Song von Chris Rea mitsingen. „Dieses Jahr kommen meine Eltern zu uns“, sagt sie. Denn im Mai wurden die kleine Mikal und ihr Bruder Jonathan geboren. Also wird künftig bei ihnen in Winterhude gefeiert. Gerade haben sie und ihre Mutter zum ersten Mal dort den Weihnachtsbaum geschmückt – während die Zwillinge auf dem Boden lagen und zuschauten.
Beim Schmücken des Weihnachtsbaumes schauten die Kinder zu
Der Gedanke, ihr geliebtes Weihnachten künftig mit ihren Kindern feiern zu können, mache sie glücklich, sagt die Vertriebsleiterin. „Sie sollen mit denselben schönen Traditionen und dem Weihnachtszauber aufwachsen wie ich: die Glocke, die einen ins Weihnachtszimmer ruft, der Glitzer auf dem Boden, weil der Weihnachtsmann da war, und dann die Freude beim Geschenkeauspacken.“
Jetzt, bei ihrem ersten gemeinsamen Weihnachten, wird es das natürlich noch nicht geben. Ihre Geschenke werden die Kleinen noch nicht selber auswickeln können. Und auch beim Festessen wohl nicht dabei sein. Heiligabend, wenn ihre Mutter und ihr Stiefvater da sind, gibt es, wie schon ihrer Kindheit, Lachs von Traiteur Wille Brass, danach Reh. „Nils kocht gern. Sein Vater ist Jäger in Schleswig-Holstein und hat unser Hauptgericht geschossen.“
Weihnachten: Zum ersten Mal als Hebamme
Ob ihre Weihnachtstage ruhig oder eher turbulent werden, das hat Rebecca von der Mehden nicht in der Hand. Die junge Frau ist Hebamme im Albertinen Krankenhaus und wird Heiligabend von 14 bis 22 Uhr arbeiten, ebenso an den beiden Weihnachtstagen danach. Die 22-Jährige hat in diesem Jahr ihre Ausbildung beendet und wird zum ersten Mal Heiligabend arbeiten und diesen besonderen Tag nicht mit ihren Eltern verbringen.
„Ich habe bisher immer mit meiner Familie gefeiert, aber Oma und Opa sind ja dort“, sagt die junge Frau fröhlich. Und für ihre Eltern sei es okay, dass ihre Tochter dieses Mal nicht dabei sein kann: „Sie unterstützen mich und finden gut, was ich mache.“ Geschenke gibt es eben ein paar Tage später.
Rebecca von der Mehden kommt aus dem Landkreis Cuxhaven. Sie wollte gern für die Ausbildung nach Hamburg kommen, sagt sie, und ist zufrieden mit ihrer Entscheidung: „Ich habe mich hier gut eingelebt und fühle mich sehr wohl.“
Das Geburtszentrum ist weihnachtlich geschmückt
Auf die Arbeit in diesen Tagen freut sie sich sogar besonders: „Es ist ein ganz besonderer Beruf, unsere Arbeit ist so vielfältig. Ich darf Frauen und ihre Partner in einem ganz besonderen Moment begleiten – wenn ein Baby auf die Welt kommt.“
Mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls zu Weihnachten Dienst haben, hat sie verabredet, dass jeder eine Kleinigkeit zu essen mitbringt. „Wir haben ein sehr nettes Team“, betont sie. Ob sie die Mahlzeit gemeinsam und in Ruhe genießen können? „Das werden wir erst dann sehen“, sagt von der Mehden. Und weihnachtlich geschmückt ist es im Geburtszentrum auch. Sogar einen Tannenbaum gibt es.
Weihnachsten: Das erste Fest in der Fremde – fern der Ukraine
Die Vorweihnachtszeit und dann Weihnachten, erzählt Nadia Ovechkina, ist ihre Lieblingsjahreszeit. Sie begann bereits im November damit, ihre Wohnung weihnachtlich zu schmücken. Vor dem Krieg war ihr Zuhause in ihrer Heimatstadt Ivano-Frankivsk im Westen der Ukraine. In diesem Jahr machen sie, ihr Mann Vlad und ihr Sohn Akim (1) es sich in der Neubauwohnung auf St. Pauli gemütlich. Obwohl es ein anderes Weihnachten ist, freut sich die 24-Jährige sehr auf das Fest.
Das Adventsgesteck steht auf dem Küchenschrank, sodass der kleine Akim sich nicht an den echten Kerzen verbrennen kann. Normalerweise ist im November auch schon ein Tannenbaum im Wohnzimmer aufgestellt, doch dieser war dem jungen Paar zu teuer. „Das wird in diesem Jahr nichts“, sagt Nadia. Klar ist sie darüber ein wenig enttäuscht. Aber es wird auch ohne Baum ein schönes Fest. Und dennoch: Weihnachten ist für Nadia auch eine traurige Zeit. „Es ist doch ein Familienfest, ich vermisse natürlich meine Eltern und meinen Bruder, die in der Ukraine geblieben sind.“
Die Orthodoxen und die griechisch-katholische Kirche der Ukraine feiern das Weihnachtsfest in der Regel erst am 7. Januar. Aber seit 2017 sind sowohl der 25. Dezember als auch der 7. Januar arbeitsfreie Feiertage in der Ukraine. „Dieses Jahr ist Weihnachten in der Ukraine erstmals offiziell im Dezember“, erzählt Nadia. Sie und ihr Mann sind nicht gläubig.
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Nadia und ihr Mann sind gelernte Köche
Heiligabend wird Nadia im kleinen Kreis zu Hause mit ihrem Mann und ihrem Sohn verbringen, am ersten Weihnachtsfeiertag kommt die Großmutter ihres Mannes zum Gänsebratenessen nach St. Pauli. Die Großmutter lebte bereits lange vor dem Krieg in Steilshoop. Praktischerweise sind sowohl Nadia als auch ihr Mann Vlad gelernte Köche. Der Gänsebraten und andere kleinere Gerichte stellt die beiden nicht vor besondere Herausforderungen.
Geschenke gibt es in diesem Jahr keine, außer für den kleinen Akim natürlich. Das schönste Geschenk machte sich Nadia kurz vor dem Fest selbst: Die Familie adoptierte eine Katze aus der Ukraine, die in den Kriegswirren verlassen worden ist. Eine Organisation rettet Hunde und Katzen aus der Ukraine und vermittelt sie weiter. „Wir sind so glücklich, dass wir Katzen aus der Ukraine retten können.“
Das Neujahrsfest ist in der Ukraine traditionell wichtiger als Weihnachten und wird größer gefeiert. Zu Silvester bleiben die drei zu Hause und bekommen Besuch von einer langjährigen ukrainischen Freundin, die in Cuxhaven lebt.
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