Südamerika-Reise

„Ist der Klimawandel auch in Hamburg zu spüren?“

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Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) steht in der Klasse 8F der Deutschen Schule in Santiago de Chile. Im Unterricht gilt Maskenpflicht.

Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) steht in der Klasse 8F der Deutschen Schule in Santiago de Chile. Im Unterricht gilt Maskenpflicht.

Foto: Senatskanzlei Hamburg

Schüler in Chile befragen Tschentscher. Stadt engagiert sich vor Ort in Bildung – und Polizei berät Kollegen vor Einsatz.

Santiago de Chile. „Ich bin seit Februar an dieser Schule und hoffe, noch fünfeinhalb Jahre hier bleiben zu können“, sagt Fritz Helms, Schulleiter der Deutschen Schule Santiago. Der drahtige Pädagoge, Fächer: Chemie und Sport, strahlt Begeisterung für seine Aufgabe aus. Helms ist Ham­burger und unterrichtete früher am Gymnasium Grootmoor (Bramfeld) und am Albert-Schweitzer-Gymnasium (Fuhlsbüttel). Insgesamt 14 Jahre lang hat der Lehrer jedoch bislang im Ausland verbracht – aus Überzeugung.

Gut eineinhalb Stunden besuchen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die rund 30-köpfige Delegation die Schule, in der 2100 junge Menschen lernen: Kinder aus deutsch-chilenischen, aus deutschen und aus chilenischen Familien. Kein billiges Unterfangen: Das Schulgeld beträgt 500 bis 600 Euro. Nur fünf bis acht Prozent der Schülerinnen und Schüler aus Familien mit geringem Einkommen erhalten ein Stipendium. In den zwei Jahren vor der Einschulung besuchen die Kinder in der Regel den benachbarten deutschen Kindergarten, dann folgt die sechsjährige Grundschule.

Südamerika-Reise: Klimawandel vorherrschendes Thema

Von der siebten Klasse an bereiten sich weitaus die meisten Schüler auf das deutsche internationale Abitur vor, das den Besuch deutscher Universitäten ermöglicht, während ein kleinerer Teil einen chilenischen Schulabschluss anstrebt, der allerdings das deutsche Sprachdiplom einschließt.Der Klimawandel steht im Mittelpunkt einer Fragerunde der Schüler mit Tschentscher. „Ist der Klimawandel auch in Hamburg zu spüren?“, fragt Nino in akzentfreiem Deutsch. „Ja, wir haben häufiger Starkregen und höhere Temperaturen, im Sommer über 30 Grad, das kannten wir so nicht“, antwortet Tschentscher.

„Was haben Sie gegen den Klimawandel unternommen?“, will Marla wissen. Es folgt eine kleine Abhandlung des Bürgermeisters, die von emissionsfreien Bussen bis zur Abschaltung des Kohlekraftwerks Moorburg reicht. Die Jugendlichen sind gut informiert und erkundigen sich gezielt. „Die Schülerinnen und Schüler haben die Fragen selbst entwickelt und strukturiert“, erzählt Schulleiter Helms.

Hamburg spielt im Auslandsschulwesen eine große Rolle

Zurzeit laufen die schriftlichen Abiturprüfungen. Der Mann, der die Aufgaben nach deutschem Abiturstandard abgenommen hat, ist auch da: Jochen Schnack, Leiter des Referats Europa und Internationales in der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung. „Die zentralen Prüfungsaufgaben des deutschen Abiturs können wir aus technischen Gründen nicht verwenden, aber hier gibt es ein regionales Zentralabitur für alle deutschen Schulen in Südamerika“, sagt Schnack.

Hamburg spielt als kleines Bundesland überhaupt eine wichtige Rolle im deutschen Auslandsschulwesen: Aktuell sind 173 Hamburger Lehrerinnen und Lehrer jenseits der deutschen Grenzen tätig – rund ein Prozent der Hamburger Pädagogen. 23 Hamburger sind Schulleiter an einer Auslandsschule – weit überproportional. „Ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt ist für einen Lehrer eine intensive Fortbildung. Wir unterstützen das sehr”, sagt Schnack bei einem Rundgang durch die Schule.

Demon­stration mit Ausschreitungen erwartet

Insgesamt unterrichten 1800 Lehrerinnen und Lehrer an den 137 Schulen außerhalb Deutschlands – alle werden von den 16 Bundesländern gestellt. Im Bundeshaushalt sind 312 Millionen Euro für das Auslandsschulwesen eingestellt. Zum Abschied der Delegation singt der Kindergartenchor ausdauernd und durchaus passend „In Hamburg sagt man Tschüs“.

Szenenwechsel: In der Polizeikaserne der Zone Santiago West herrscht eine gewisse Anspannung und Nervosität. Für den Abend ist erneut eine große Demon­stration zu erwarten. Wie so häufig seit den Aufständen von 2019/20 ist diesmal wieder mit schweren Ausschreitungen zu rechnen. Die zerbeulten Mannschaftswagen und ramponierten Wasserwerfer legen Zeugnis von der Gewalt bei vergangenen Einsätzen ab.

Hamburger Polizeisprecherin vor Ort

An einem Wagen ist ein Einschussloch zu sehen. Am Tag zuvor ist im Süden Chiles ein ranghoher Mapuche – ein Angehöriger der indigenen Bevölkerung – verhaftet worden. Das könnte zu einer Gewalteskalation bei der Demon­stration in der Hauptstadt führen. Zentrum des Protests ist die Plaza Baquedano. Der Platz ist eine öde Fläche ohne Bewuchs. Das Reiterstandbild des Denkmals in der Mitte ist vorsorglich entfernt worden, der Sockel ist mit Parolen übersät.

Seit ein paar Tagen ist die Hamburger Polizeisprecherin Sandra Levgrün mit fünf ihrer Kollegen da. Das Hamburger Team berät die chilenischen Kolleginnen und Kollegen in Sachen Deeskalation. Das Austauschprogramm – die chilenischen Polizisten besuchen im Gegenzug auch die Hamburger Polizei – wird aus dem Bundeshaushalt finanziert. „Wir sind acht Tage hier. Es geht zunächst einmal darum, Vertrauen aufzubauen“, sagt Levgrün. Die Vorgehensweise der chilenischen Polizei bei gewalttätigen Demon­strationen ist in der Regel wenig zimperlich. Die Hamburger erläutern ihre Taktiken und Strategien, um ein Aufschaukeln der Lage möglichst zu vermeiden.

Südamerika-Reise: Erster Erfolg ist bereits da

Ein erster Erfolg aus Sicht der Hamburger ist bereits da: Die Chilenen setzen Kommunikationsbeamte ein, die versuchen, während der Proteste in Kontakt mit den Demonstranten zu treten. Am Einsatz selbst werden die Hamburger nicht teilnehmen. Sie werden die Lage in der Leitstelle der Polizei mitverfolgen.

Mit einem Besuch der Universität von Chile und des Universitätskrankenhauses endet die Lateinamerikareise des Bürgermeisters und seiner Delegation aus Politik und Wirtschaft. Die Rückreise nach Hamburg dauert rund 20 Stunden.

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