Überlastungsanzeigen

Senat dokumentiert dramatische Personalmisere in den Ämtern

| Lesedauer: 4 Minuten
Symbol der Überlastung auch in Hamburgs Ämtern: das müde Haupt auf dem Laptop.

Symbol der Überlastung auch in Hamburgs Ämtern: das müde Haupt auf dem Laptop.

Foto: Giorgio Fochesato / imago/Westend61

Fehlende Zahlen und ein Abwärtstrend in den Behörden Justiz, Inneres und Umwelt. Probleme in Bezirksämtern Mitte und Wandsbek.

Hamburg. Die Personalsituation in der Hamburger Verwaltung ist angespannt. Vor allem in der Justizbehörde, der Innenbehörde und einigen Bezirksämtern knirscht es. Das ergab eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Sandro Kappe an den Senat.

Demnach haben seit Anfang 2020 diverse Mitarbeiter sogenannte Überlastungsanzeigen gestellt, mit denen sie ihren Vorgesetzten anzeigen, dass sie ihre Arbeit nicht mehr schaffen und infolge der Rückstände bereits Rechtsfolgen wie Schadenersatzansprüche riskieren.

Senat: "Vorausschauende Personalpolitik"

„Jedes Jahr steigt die Anzahl der Überlastungsanzeigen", sagte Kappe. "Ausdrucken und wegheften bringt uns nicht weiter. Wir müssen die Ursachen herausfinden und möglichst abstellen. Die undurchsichtige Darstellung des Senats bringt uns nicht weiter."

Der Senat dagegen bescheinigte sich eine "vorausschauende Personalpolitik mit den Schwerpunkten Fachkräftegewinnung und -bindung sowie Digitalisierung".

Justizbehörde: 118 Überlastungsanzeigen in 2021

Den Angaben des Senats zufolge wurden im ersten Halbjahr 2020 in der Justizbehörde 91 Überlastungsanzeigen gestellt, im zweiten Halbjahr waren es 78. Im laufenden Jahr gab die Behördenleitung für Januar bis zum 18. August 118 Überlastungsanzeigen an. Laut Senat hat allerdings ein einziger Mitarbeiter im allgemeinen Vollzugsdienst allein 60 Überlastungsanzeigen gestellt, was die hohen Zahlen relativiert.

Andererseits kann sich in einer einzigen Überlastungsanzeige auch eine ganze Abteilung „verstecken“, wenn die Mitarbeiter die Arbeitsbelastung im Verbund bemängeln. In seiner Antwort wies der Senat zwar auf den einzelnen Mitarbeiter mit den vielen Anzeigen hin, machte aber umgekehrt keine Angaben dazu, ob, beziehungsweise wie viele Anzeigen von ganzen Abteilungen gestellt worden sind.

Überlastungsanzeigen verpflichten den Arbeitgeber

Um wieder aus der Statistik zu verschwinden, müssen die Überlastungsanzeigen auch vom Antragsteller zurückgenommen werden. Ob die Zahlen über die Zeiträume zu addieren sind oder bereits einen Saldo der neu gestellten Anzeigen minus der zurückgenommenen, also geheilten, Überlastungen darstellen, ließ der Senat offen.

Ist eine Überlastungsanzeige gestellt, verpflichtet das den Arbeitgeber, seiner Fürsorgepflicht nachzukommen und für Abhilfe zu sorgen. Das dient auch der Rechtssicherheit, denn die Bürger haben in der Regel einen Anspruch auf die Bewältigung der häufig hoheitlichen Aufgaben durch die Verwaltung.

In Innen- und Umweltbehörde wachsen die Zahlen

In der Innenbehörde fällt auf, dass die Überlastungsanzeigen anwachsen. Im ersten Halbjahr 2020 waren es sieben, im zweiten neun, 2021 sind bereits zehn Überlastungsanzeigen gestellt worden. Auch in der Umweltbehörde gibt es einen negativen Trend. Im ersten Halbjahr 2020 waren es vier Überlastungsanzeigen, im zweiten sechs und 2021 neun Überlastungsanzeigen.

Bezirke Mitte und Wandsbek fallen besonders auf

Unter den Bezirksämtern hat Mitte die meisten Anzeigen, Wandsbek den schlechtesten Trend. In Mitte hakt es besonders im Amt für Grundsicherung und Soziales, in Wandsbek kommt das Zentrum für Wirtschaftsförderung, Bauen und Umwelt nicht hinterher.

2020 wurden im Bezirksamt Mitte insgesamt 78 Überlastungsanzeigen gestellt, 2021 sank die Zahl auf 30. Das Bezirksamt Wandsbek liegt im Jahr 2020 mit 37 Überlastungsanzeigen auf Platz zwei des Negativ-Rankings, hat aber 2021 mit 38 Überlastungsanzeigen das Amt in Mitte überholt und darüber hinaus noch eine leichte Zunahme zu verzeichnen.

Das Bezirksamt Nord meldete 23 (für 2020) und 14 Überlastungsanzeigen (für 2021), Altona 22 und 13, Harburg 14 und 8, Eimsbüttel 3 und 2, Bergedorf 1 und 5. Inwieweit Abhilfe geschaffen werden konnte, geht aus der Senatsantwort nicht hervor.

Nur allgemeine Antworten zur Frage nach Abhilfe

Die entsprechende Frage nach Maßnahmen wurde nur allgemein und abstrakt beantwortet. So seien „zeitnahe Gespräche mit Betroffenen geführt“, „gesundheitliche Situationen“ erörtert, Personalressourcen umgesteuert, Arbeitsbereiche umstrukturiert, Aufgaben umverteilt und im Einzelfall mit Zustimmung der Betroffenen Versetzungen vorgenommen worden. Aber in welchen Dienststellen dies Erfolge gezeitigt und zur Rücknahme von Überlastungsanzeigen geführt hat, sagte der Senat nicht. Besonders im Fall der Justizbehörde wies er allgemein auf den Fachkräftemangel hin.

Dazu erklärte der Senat, dass er „eine Reihe moderner Instrumente und Maßnahmen entwickelt und umsetzt, um sowohl für schnelle sowie nachhaltige Stellennachbesetzungen zu sorgen …“ Ferner wies er darauf hin, dass die Zahlen in seiner Antwort lückenhaft seien. So würden die Überlastungsanzeigen in der Sozialbehörde „nicht statistisch erfasst" und seien „voraussichtlich nicht vollständig“. Auch könnten „durch den Wechsel von Vorgesetzten in der Vergangenheit gestellte Überlastungsanzeigen nicht nachvollzogen werden“.

( axö )

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg