Hamburg. Am beeindruckendsten ist die Fahrt über die Köhlbrandbrücke im Dunkeln. Wenn man die Rampe hinauffährt und sich unter einem die Lichter des auch nachts noch pulsierenden Hafens ausbreiten und in der Ferne die Schattenrisse der Skyline der Hamburger City hervortreten, dann erlebt der Betrachter ein überwältigendes Panorama, das in Nordeuropa einmalig ist. Auch von Ferne ist die Form unverwechselbar, genau das hat die Köhlbrandbrücke in den nicht einmal 50 Jahren ihres Bestehens zu einem Wahrzeichen von Hamburg gemacht. Aber dieses Wahrzeichen wird es keine weitere 50 Jahre geben. Der Beton ist brüchig, und bis 2030 muss die Brücke ersetzt werden.
Doch gegen einen Abriss formiert sich jetzt Widerstand: Der Hamburger Denkmalverein kritisiert den geplanten Abriss: „Die Brücke ist seit ihrem Bau ein Wahrzeichen. In dieser Bedeutung kann sie durchaus mit den Hauptkirchen auf eine Stufe gestellt werden – aber es käme niemand auf die Idee, den Michel abzureißen“, sagt Kristina Sassenscheidt, Geschäftsführerin des Denkmalvereins. Die Brücke solle erhalten werden, weil sie als wichtiges und einzigartiges Ingenieurbauwerk der 1970er-Jahre mit einer hohen architektonischen Qualität unter Denkmalschutz stehe. „Laut Denkmalschutzgesetz muss die Stadt vorbildhaft mit ihren eigenen Denkmälern umgehen“, mahnt die Schützerin.
Das weiß die Stadt. Deshalb führt sie für den Abriss des Bauwerks ein weiteres Argument ins Feld: Die Brücke müsse nicht nur wegen ihres Alters, sondern auch wegen ihrer zu geringen Höhe für die neuesten Containerschiffe weg. Aber auch das lässt Sassenscheidt nicht gelten: „Angesichts der gegenwärtigen Entwicklung des Hafens wäre ein Abriss der Brücke schlicht unnötig, weil größere Schiffe auch in anderen Hafenbereichen abgefertigt werden können.“
Künftig soll ein Tunnel die beiden Ufer des Köhlbrands miteinander verbinden
Politik und Wirtschaft sind sich hingegen einig: Künftig soll ein Tunnel die beiden Ufer des Köhlbrands miteinander verbinden. Auch der Bund, der einen Großteil der Kosten übernehmen soll, spricht sich für diese Lösung aus. So steht es im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen. Allerdings mit einem Zusatz versehen, um wenigstens ein kleines Stück der alten Brücke zu bewahren: „In diesem Rahmen werden wir prüfen, ob die Pylonen der denkmalgeschützten Brücke erhalten werden können“.
Auch das ist für die Denkmalschützer keine Option. „Eine Erhaltung allein der Pylone würde dieses Meisterwerk der Ingenieurbaukunst verstümmeln und wäre daher nicht denkmalgerecht“, so Sassenscheidt. „Falls ein Tunnel gebaut würde, könnte die Brücke bestehen bleiben und zu einer Hamburger „High Line“ für Fußgänger und Radfahrende umgestaltet werden, gegebenenfalls ergänzt um je eine statisch unbedenkliche Pkw-Spur“, sagt sie.
Dem widerspricht die zuständige Wirtschaftsbehörde. Bei dem Neubau handele es sich um ein „Jahrhundertprojekt mit einer sehr langfristigen strategischen Perspektive“. Die Behörden planten daher einen Tunnel, weil dieser nicht nur technische Vorteile bietet, sondern auch langfristig sicherstelle, dass der südliche Hafenbereich weiterhin von sehr großen Schiffen angelaufen werden kann. Ein Erhalt der Brücke würde dies konterkarieren. Die Diskussion um Hamburgs Wahrzeichen beginnt.
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