Berlin. Etwa eineinhalb Jahre vor der Berlin-Wahl hat mit Hamburg ein vergleichbarer Stadtstaat gewählt. Die Parteien in der Hauptstadt ziehen daraus ihre Lehren.

Die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Berlin hat sich erfreut über die Wahlergebnisse in Hamburg gezeigt und spürt dadurch Rückenwind für das Wahljahr 2021 in der Hauptstadt. CDU und AfD zeigten sich hingegen enttäuscht.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh sieht den klaren Wahlsieg der Sozialdemokraten in Hamburg als Ermutigung. "Ich bin stolz auf Hamburg, die Demokratie und meine Partei SPD, die gezeigt hat, dass sie kämpfen und Wahlen gewinnen kann", sagte er am Sonntagabend der Deutschen Presse-Agentur.

Nach Einschätzung von Regierungs- und SPD-Chef Michael Müller haben die Hamburger Bürger erkannt, dass die SPD gut für ihre Stadt sei. "Wir treten geschlossen für unsere Positionen ein. Die SPD zeigt als Bollwerk gegen Rechts klare Kante. Im schnellen Wandel der Gesellschaft stehen unsere sozialdemokratischen Werte und unsere soziale Politik, die wir mit den Menschen gemeinsam gestalten und die niemand zurücklässt, hoch im Kurs."

"Hamburg ist Vorbild für uns alle. Mit pragmatischer Politik, die die ganze Stadt im Blick hat: Wirtschaft, Umwelt und Soziales", sagte Saleh. "Die Rechtspopulisten von der AfD wurden an den Wahlurnen für ihre Hetze und den von ihnen verbreiteten Hass abgestraft. Das ist ein guter Tag für Hamburg und Deutschland."

Jubel herrschte auch bei den Berliner Grünen. "Die Menschen in Hamburg haben mit ihrer Stimme ein klares Zeichen gesetzt - für echten Klimaschutz, eine moderne Mobilität, bezahlbares Wohnen und eine gerechte, weltoffene Gesellschaft", erklärte Parteichef Werner Graf auf dpa-Anfrage.

"Besonders freuen wir uns, dass der rechte Rand in Hamburg nicht weiter gestärkt wurde", so Graf. "Auch die Hochrechnungen für CDU und FDP zeigen, was die Menschen davon halten, wenn Parteien mit Faschist*innen paktieren. Die demokratischen Parteien müssen jetzt zusammenstehen."

Linke-Vize Tobias Schulze sieht seine Partei im Aufwärtstrend. "Die Linke ist nicht nur in Ländern wie Thüringen und Hessen stark, sie ist und bleibt auch eine urbane Partei in Berlin, Hamburg und Bremen", sagte er der dpa.

"Die beste Nachricht des Abends ist der Rausschmiss der AfD aus der Bürgerschaft. Hamburg bleibt mit zwei Dritteln für das rot-rot-grüne Lager eine linke Stadt. Das macht Mut und Hoffnung für die Zukunft." FDP und CDU hätten die Quittung für ihre "mangelnde Haltung" nach der Wahl in Thüringen bekommen. "Für uns Berliner Linke ist klar: Wir dürfen Nazis keinen auch noch so kleinen Zipfel der Macht überlassen."

Enttäuscht über das historisch schlechte Abschneiden seiner Partei äußerte sich CDU-Fraktionschef Burkard Dregger: "Das Hamburger Ergebnis muss uns Warnung sein: Wir müssen uns weniger mit uns selbst, sondern mit ganzer Kraft mit den Problemen der Menschen beschäftigen: die Wohnungsnot, der überlastete Nahverkehr, unsere Schulen und die wachsende Drogenkriminalität", sagte er der dpa. "Mit Tatkraft und überzeugenden Konzepten verdienen wir uns das Vertrauen, das wir brauchen, um Berlin und Deutschland stabil und erfolgreich zu führen."

CDU-Generalsekretär Stefan Evers sagte: "Die offene Führungsfrage in der CDU und die chaotische Gemengelage in Thüringen haben den Bürgerschaftswahlkampf ganz offensichtlich überlagert." Und weiter: "Die CDU muss sich außerdem dringend fragen, wie sie in Zukunft in den großen Städten erfolgreicher sein kann." Beste Nachricht des Abends sei zweifelsohne das schlechte Abschneiden der AfD: "Die Hamburger haben ganz offensichtlich die Nase voll von den rassistischen Hasspredigern dieser Partei. Gut so."

Nach Einschätzung von AfD-Fraktionschef Georg Pazderski muss seine Partei, die am Abend um den Wiedereinzug in die Hamburger Bürgerschaft zitterte und in den Prognosen von ARD und ZDF unter fünf Prozent lag, aus der Wahl Lehren ziehen. "Die AfD muss ihr bürgerlich-konservatives Image schärfen und eine noch klarere Grenze nach Rechtsaußen ziehen", erklärte er.

Außerdem: "Wir müssen wirkungsvollere Rezepte gegen die Hetze der Altparteien und der mit ihnen verbundenen Mainstream-Medien entwickeln. Ziel muss es sein, mehr bürgerliche Zielgruppen direkt zu erreichen", so Pazderski. Aus seiner Sicht stehe aber außer Frage, "dass wir als einzige echte Opposition unseren politischen Erfolgsweg fortsetzen werden".

Die SPD hat die Wahl in Hamburg Prognosen zufolge trotz Verlusten mir rund 38 Prozent klar gewonnen und kann mit erstarkten Grünen (rund 25 Prozent) weiterregieren. Die CDU stürzte auf eine historisch schlechtes Ergebnis von rund 11 Prozent ab, die Linke stabilisierte sich bei rund 9 Prozent. FDP und AfD mit je rund 5 Prozent mussten am Abend um den Wiedereinzug in das Landesparlament bangen.