Hamburg. Bis zum Montag war Sulfuryldifluorid nur Chemiedoktoren und Hafeninsidern ein Begriff – nun ist es zum Politikum geworden. Denn das Gas, das zum Schutz vor Stinkwanzen eingesetzt wird und das Staaten wie China oder Australien zwingend für Importgüter vorschreiben, hat eine verheerende Klimabilanz. Laut Umweltbundesamt ist es 4090-mal schädlicher für das Klima als CO2.
Die Hafenwirtschaft wehrt sich nun dagegen, von der Umweltbehörde an den Pranger gestellt zu werden. Die Hamburger Hafen und Logistik AG, zu 68,4 Prozent im Besitz der Stadt, nimmt die Behörde unter Beschuss: „Im Oktober 2019 hat die Hamburger Umweltbehörde zudem dem HHLA-Container-Terminal Altenwerder erstmals die Genehmigung zur Containerbegasung erteilt“, heißt es in einer Presseerklärung vom Dienstagnachmittag.
Umweltbehörde: „Äußerungen der Umweltbehörde sind nicht nachvollziehbar“
„Vor diesem Hintergrund sind Äußerungen der Umweltbehörde nicht nachvollziehbar, dass man direkte und frühzeitige Hinweise der Hafenwirtschaft auf den drastisch gestiegenen Einsatz dieses ,Klimakillergases‘ als hilfreich empfunden hätte.“ So hatte sich der Sprecher der Umweltbehörde im Abendblatt geäußert.
Weiter heißt es bei der HHLA: „Die Anforderungen waren bekannt, und die entsprechenden Genehmigungen wurden von der Umweltbehörde selbst erteilt.“ Auf Unverständnis beim Hafenlogistiker stieß zudem die Aussage, die Zielländer müssten sich fragen, ob der Schutz vor Schädlingen oder des Klimas höher zu bewerten sei. Dies, so kontert die HHLA, widerspräche geltendem Recht. „Auch die EU schreibt bestimmten Ländern, die Container in die EU einführen wollen, die Begasung vor.“
Unmut in der Hafenwirtschaft
Der Unmut in der Hafenwirtschaft ist so groß, dass Norman Zurke, der Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, einen Brandbrief an den Bürgermeister und den Wirtschaftssenator geschickt hat. Darin zeigt sich der Hafen über die Umweltbehörde „mehr als irritiert“. Die Genehmigungen für den Einsatz von Sulfuryldifluorid würden von den Behörden erteilt. „Wenn es daher ein Kommunikationsdefizit gibt, dann offenbar zwischen den Hamburger Behörden“, heißt es in dem Brief.
Erst kürzlich hatte der Hafen vermeldet, dass er in den Jahren 2017 und 2018 rund 100.000 Tonnen klimaschädliches CO2 eingespart hat. Die HHLA will bis 2040 sogar klimaneutral werden. Dementsprechend heikel sind die Zahlen, wonach der Ausstoß an Sulfuryldifluorid sich in Hamburg zwischen 2015 und 2019 auf 203,7 Tonnen verzwölffacht hat – angesichts der Klimaschädlichkeit ist diese Menge ein schwerer Rückschlag für die Nachhaltigkeitsziele des Hafens.
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