Hamburg. Gibt es in der Elbphilharmonie ein Problem mit Schimmelbildung, das womöglich auf Baumängel zurückzuführen ist und die Gesundheit von Besuchern belasten könnte? Das jedenfalls vermutet die Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft – und bezieht sich dabei auf kürzlich bei einer Expertentagung vorgestellte Messergebnisse.
„Vor dem Publikum einer hoch spezialisierten Schimmelpilzkonferenz wurden dramatisch hohe Werte über eine Schimmelpilz-Konzentration in der Elbphilharmonie bekannt gegeben. Wie kann es sein, dass die Eigentümerin – der Hamburger Senat – die Stadt nicht informiert?“, fragte jetzt Linken-Kulturpolitiker Norbert Hackbusch. „Das betrifft die gesundheitlichen Gefahren für Besucherinnen und Besucher der Elbphilharmonie. Und es betrifft zusätzlich den Bau der Elbphilharmonie. Die Stadt zahlt einen zehnfachen Preis und erhält vielleicht einen kontaminierten Bau.“
Schimmelpilzkonferenz im März
Hackbusch bezieht sich in seinen Aussagen auf zwei Vorträge des Hamburger Gutachters und Sachverständigen für Schadstoffsanierung, Alexander Berg. Berg hatte bei zwei „Schimmelpilzkonferenzen“ im März in Berlin und im September in München einen Vortrag über das „Konzept der Bewertung von Schimmelschäden über die Hintergrundbelastung“ gehalten. Dabei geht es, grob gesagt, darum, wie sich aus Messungen der Sporenkonzentration in unterschiedlichen Materialien auf möglichen Schimmelbefall des Gebäudes schließen lässt.
In seinem Referat präsentierte der Experte auch Werte aus einem „Projekt Großbaustelle Hamburg“, bei dem es sich laut Bergs vor den Zuhörern gemachten Aussagen um die Elbphilharmonie handelt.
Offenbar ließ die Höhe der Werte einige der Zuhörer aufhorchen. Denn ausweislich des schriftlichen Vortrags, der dem Abendblatt vorliegt, wurden von Berg Hintergrundwerte mit Belastungen von weit über 200.000 „Kolonie bildenden Einheiten“ (KBE) pro Gramm gemessen – in einem Bereich waren es 201.000 KBE/g, in einem anderen werden in einer Tabelle des Vortrags sogar 293.000 KBE/g aufgeführt.
Gutachterstreit um Schimmelbefall
Zur Einordnung dieser Werte muss man wissen, dass das Umweltbundesamt (UBA) in seinem 2017 veröffentlichten „Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden“ schreibt, dass bei Werten von 100.000 KBE/g von einem Schimmelbefall in dem Gebäude auszugehen sei. Allerdings gibt es über dieses Thema unter den Experten viele Diskussionen, fast schon eine Art „Gutachterstreit“ – etwa über die Frage, ob die sogenannten „Aufmerksamkeitswerte“ für Schimmelbefall zu niedrig, zu hoch oder korrekt angesetzt und wie belastbar sie seien.
Berg, der die Messungen als Gutachter für die Baufirma Hochtief vorgenommen hatte, stellte die Werte bei seinem Vortrag laut Zuhörern aufgrund der äußeren Gegebenheiten des Baus als unproblematisch dar. Auf schriftliche Fragen des Abendblatts antwortete Berg nicht. Die für den Bau des Konzerthauses verantwortliche Firma Hochtief betonte, dass „das Projekt Elbphilharmonie während der Bauphase engmaschig gutachterlich überwacht worden“ sei.
„Im Vortrag von Herrn Berg werden Messwerte aus der Bauphase seit 2014 genannt. Alle bekannten Wasserschäden wurden im Rahmen seiner gutachterlichen Tätigkeit dokumentiert und nach den Vorgaben und Richtwerten des Umweltbundesamtes in seiner damaligen Richtlinie bewertet. Wenn es Schimmelverdachtsfälle aufgrund der Messwerte gab, sind diese Bereiche vollständig saniert worden.“ Einen größeren Wasserschaden hatte es 2017 im Foyer des Kleinen Saals gegeben.
Keine Mängel laut Gutachten
Die Frage, wann und wo genau die Werte von mehr als 200.000 KBE/g in der Elbphilharmonie gemessen wurden, beantwortete Hochtief allerdings nicht. Stattdessen betonte Konzernsprecherin Antje Meeuw, dass Gutachter Berg die Aufgabe gehabt habe, „die weitere Bautätigkeit zu überwachen und dafür zu sorgen, dass es dabei nicht zu Schimmelbefall durch Kondensatbildung kommt“. Sein Schlussgutachten habe die Mängelfreiheit bestätigt. Auf dieses Schlussgutachten verwies auf Abendblatt-Nachfrage auch Kulturbehörden-Sprecher Enno Isermann. Obwohl Messungen nach dem Wasserschaden 2017 „unter den Grenzwerten lagen, wurde in Rücksprache mit einem Sachverständigen damals entschieden, den gesamten Boden (Parkett, Dämmung, Estrich) im Rahmen der Gewährleistung komplett zu entfernen und neu aufzubauen“, so Isermann. „Ein Sachverständiger hat dann am 25. August 2017 das Ergebnis der Reinigungsarbeiten begutachtet und konnte bei Kontrollmessungen keinerlei Befall mit Schimmelsporen mehr feststellen.“
Der Diplombiologe Hermann Walterbusch vom Hamburger Gutachterbüro Wartig Nord, der die Vorträge von Alexander Berg gehört hat, kritisiert dagegen, dass „statistisch abgesicherte Werte“ des Umweltbundesamtes „bei Untersuchungen in der Elbphilharmonie ignoriert“ worden seien. „Es werden für dieses Objekt eigene Hintergrundwerte festgelegt, die doppelt so hoch sind wie die vom Umweltbundesamt empfohlenen Werte. Ob es aufgrund der in Fußbodenaufbauten, aber auch in Mineralwolledämmungen von Leichtbauwänden festgestellten hohen Anzahl Schimmelpilze zu einer Schimmelsporenfreisetzung kommt und so Gäste und Personal der Elbphilharmonie einer Belastung ausgesetzt sind, kann zurzeit nicht gesagt werden“, so der Wartig-Nord-Geschäftsführer und Bereichsleiter Baubiologie und Feuchteschäden.
„Sicher weicht dieser Zustand aber vom in der Elbphilharmonie anzusetzenden Neubaustandard ab. In jeder neu errichteten Eigentumswohnung und jedem neuen Einfamilienhaus würden derart hohe Schimmelpilzwerte in Materialien zu dem Schluss führen: Der zu erwartende Zustand ist nicht gegeben, eine Erneuerung des Materiales ist notwendig.“
Linke fordert Aufklärung vom Senat über Messungen
Da weder Hochtief noch Gutachter Berg allerdings die Frage beantwortet haben, wann genau und wo die hohen Werte ermittelt wurden, lässt sich die Sachlage schwer einschätzen. Das aber ist wichtig, zumal es um mögliche Baumängel und damit um viel Geld gehen könnte – aber auch um mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen für Allergiker oder Asthmatiker in der Elbphilharmonie.
Der Linken-Abgeordnete Hackbusch erhofft sich nun eine Klärung durch eine Kleine Anfrage, die er an den Senat stellen will. Darin will Hackbusch wissen, ob dem Senat die von Gutachter Berg bei den Konferenzen präsentierten Ergebnisse aus „über 300 Proben“ bekannt seien und wie er diese einschätze. Auch fragt Hackbusch, welche weiteren Messungen zu Schimmelbefall es in dem Konzerthaus gegeben habe und wo diese dokumentiert seien.
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