In einer Mail an die Redaktion macht Abendblatt-Leser Niklas Kranz seinem Ärger über das autofreie Ottensen Luft.

Sehr geehrte Abendblatt-Redaktion,

leider kann ich Ihre positive Berichterstattung zum Pilotprojekt „Ottensen macht Platz“ nicht teilen.

Ich wohne seit 33 Jahren (deckungsgleich mit der Zeit, die ich auf diesem Planeten weile) in Ottensen und nunmehr seit 6 Jahren am Spritzenplatz. Aus beruflichen Gründen bin ich auf mein Auto angewiesen und befinde mich in der glücklichen Lage (oder sollte ich sagen unglücklichen Lage?), Mieter eines Tiefgaragenstellplatzes dort zu sein. Eines sei an dieser Stelle vorweg­geschickt, ich bin absoluter Befürworter des Projekts und habe mich sehr über die schnelle Umsetzung (trotz aller planerischen Hürden) gefreut.

Spießrutenlauf con Projektstart bis Tiefgarage

Bis zur Ausfahrt des Projektgebiets von der Tiefgarage sind es ca. 30 Meter, die Zufahrt von Projektstart bis Tiefgarage sind ca. 100 Meter. Diese 130 Meter gestalten sich zunehmend als Spieß­rutenlauf! Gleich am darauffolgenden Montag nach Projektstart befand ich mich auf dem Weg zur Arbeit. 30 Meter, dachte ich, das wird ja wohl ohne Vorfall vonstattengehen. Natürlich nicht. Am Ausgang des Gebietes wartete bereits ein Mann mittleren Alters, kopfschüttelnd und winkend mitten auf der Straße auf mich. Ist ja auch klar, ist ja jetzt seine Straße.

Da ich eh früh dran war, hielt ich an und ließ das Fenster runter. „Hast du nicht gecheckt, dass das jetzt Fußgängerzone ist?“, wurde ich angeraunzt. Dass ich meine beantragte und genehmigte Durchfahrtserlaubnis hinter der Windschutzscheibe ausgelegt hatte, schien der gute Mann nicht bemerkt zu haben, also hielt ich sie ihm hin, in der Hoffnung, dass sich damit seine Frage erledigt habe. Weit gefehlt. Das darauffolgende Wortgefecht spare ich an dieser Stelle aus. Quintessenz: Es war ihm egal, ob ich rechtmäßig diese Straße benutze, um zur Arbeit zu kommen, das Projekt darf nicht gefährdet werden.

Nach diversen Fußgängern, die absichtlich die Straße versperren, sich demonstrativ vor dem Auto aufbauen, um zu verdeutlichen, dass das jetzt ihr Revier sei (mit solchen Aktionen hatte ich aber bereits im Vorfeld gerechnet und kann darüber gelassen hinwegsehen), nun der vorläufige Höhepunkt.

Stärkere Kontrollen vonnöten?

Wir reden über Mittwoch (ja, Tag vier des Projekts). Nach der Durchfahrt ins Projektgebiet an der Bahrenfelder Straße sehe ich das Unheil schon kommen. Ein Mann älteren Semesters, der aufgebracht brüllt – allein ich kann ihn nicht hören, meine Fenster sind ja (noch) oben. Er stellt sich vor mein Auto, ich lasse mein Fenster herunter und nehme routinemäßig meine Durchfahrtserlaubnis hinter der Windschutzscheibe und zeige sie ihm. Unzureichend für unseren Hilfssheriff. Er möchte die Polizei rufen. Ich bestärke ihn in seinem Vorhaben. Er lässt davon ab. Er möchte wissen, was mich befugt, hier durchzufahren? Ich sage, ich bin Anwohner und möchte das Gespräch an dieser Stelle beenden und rolle an. Unbefriedigend. Er schlägt gegen mein Auto und brüllt, was ich für ein Demokratieverständnis hätte? – Auf jeden Fall eines, in dem man das Eigentum anderer nicht beschädigt. Nachdem wir feststellten, dass wir grundsätzlich unterschiedlicher Auffassung waren und unser Hilfssheriff immer wieder betonte, er rufe gleich die Polizei, merkte ich, dass die Platte einen Sprung hatte, und zog von dannen.

Und noch mal, ich bin als Anwohner mehr als begeistert von der Idee, da ich diesen Stadtteil, der mich mein ganzes Leben lang begleitet und aus dem man mich wahrscheinlich mit den Füßen voraus auch erst wieder herausbekommt, lebe. Jedoch muss dieses Projekt für ALLE Teilnehmer erträglich gestaltet werden, und gerade in der Anfangszeit halte ich nach den jüngsten Ereignissen stärkere Kontrollen und eine stärkere Polizeipräsenz für unabkömmlich.

Ich bin gespannt auf die nächsten Ereignisse, die mich in der Zukunft auf meiner Reise durch das Projektgebiet erwarten, auch wenn es nur 130 Meter sind!