Hamburg

Falschgeld? Ermittlungen gegen YouTube-Star Simon Desue

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Daniel Herder
Nicht immer ganz ehrlich: Simon Desue

Nicht immer ganz ehrlich: Simon Desue

Foto: imago/Future Image

Hamburger prahlte in Internet-Videos, er habe sich 10.000 Euro „Blüten“ besorgt und gehe damit einkaufen. Dann kam die Polizei.

Hamburg.  An Geld dürfte es ihm nicht mangeln. Er fährt einen Lamborghini, lebt mit seiner Freundin, dem Model Enisa Bukvic, in feinster Hamburger Lage. Seinen Reichtum verdankt Simon Desue, bürgerlich Joshua Weißleder, vor allem seiner werbefinanzierten Selbstdarstellung auf YouTube. Im Internet ist er ein Star, einer der ganz großen sogenannten Influencer. Der Hamburger hat mehr als vier Millionen Follower, rangiert mit seinem YouTube-Kanal auf Platz 11 der meistabonnierten Kanäle Deutschlands. Warum sollte so einer Falschgeld im Internet ordern und damit einkaufen? Ist ja strafbar. Weiß doch jeder. Oder auch nicht.

Denn Simon Desue hat möglicherweise genau das getan.

Nachdem er drei Videos ins Netz gestellt hatte, in denen er behauptete, 10.000 Euro Falschgeld im sogenannten Darknet erworben und damit bei Saturn an der Mönckebergstraße eingekauft zu haben, ermittelt jetzt die Polizei gegen den 27-Jährigen. „Wir ermitteln im konkreten Fall wegen des Verdachts der Geldfälschung“, bestätigte Polizeisprecher Florian Abbenseth auf Anfrage. Zu dem Vorwurf äußerte sich Desue auf Abendblatt-Anfrage nicht.

Wollte Falschgeld im Darknet ordern

Das erste Video der Falschgeld-Trilogie erscheint am Silvestertag. Leicht überdreht kündigt Desue an, er werde „Blüten“ im Darknet bestellen – gegen 20.000 Likes. Dieses digitale Schleppnetz nützt vor allem der Werbeindus­trie.

Nachdem die Aufmerksamkeits- Taler­ geflossen sind, veröffentlicht er am Donnerstag ein zweites Video. Darauf zu sehen: Desue, wie er aus einem angeblich vor seiner Wohnungstür abgelegten, nicht adressierten Kuvert angeblich gefälschte Banknoten im Wert von 10.000 Euro nestelt. Dass eine Sparkassen-Banderole die Geldbündel ziert und die 50-Euro-Scheine absolut echt aussehen – geschenkt. Damit wolle er nun einkaufen gehen, sagt er, aber nur gegen Vorkasse: „20.000 Likes.“

„Ich kaufte mit Falschgeld bei Saturn!“

Gleich am nächsten Tag strebt das Stück seinem Höhepunkt zu. Desue veröffentlicht einen Film mit dem Titel „Ich kaufte mit Falschgeld bei Saturn!! ** Merken sie was? **. Man merkt vor allem, dass diese zweite mit versteckter Kamera gedrehte Episode Desue und seiner Freundin schauspielerisch alles abverlangt. Als er mit den Blüten eine Kaffeemaschine kaufen will, geht die Prüfmaschine angeblich zweimal nicht. Nach kurzer atemloser Spannung glückt der Kauf, über den sich beide auf dem Parkdeck diebisch freuen. Am Ende kündigt Desue an, das Falschgeld ausgerechnet von jener Bank überprüfen zu lassen, deren Banderole auf den Geldbündeln prangt. Und wieder heißt es: „20.000 Likes, und wir gehen zur Bank.“

Amtsgericht erlässt Durchsuchungsbeschluss

Nur wird es dieses Video nicht geben. Rund 900.000-mal wurden die Falschgeld-Filmchen aufgerufen. Nach einem Hinweis klickten auch Polizeibeamte darauf und leiteten „von Amts wegen“ Ermittlungen ein. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss, am frühen Freitagnachmittag klingelten die Falschgeld-Fahnder vom LKA 52 an der Tür von Desues Wohnhaus, einem schicken Neubau nahe der Alster. Nachdem der 27-Jährige sie eingelassen hatte, stellten die Beamten das Geld sicher – 197 vermeintlich „falsche Fuffziger“, insgesamt 9850 Euro. „Die weiteren Ermittlungen dauern an. Insbesondere wird hierbei nun die Echtheit der sichergestellten Geldscheine geprüft“, sagt Polizeisprecher Abbenseth.

Irritierend für jüngeres Publikum

Trifft der Verdacht zu, droht Desue Gefängnis – Geldfälschung wird nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft. Stimmen die Vorwürfe nicht, hat der 27-Jährige seiner riesigen, sehr jungen Gefolgschaft einen dicken Bären aufgebunden. Viele haben ihm die Falschgeld-Nummer ohnehin nicht abgekauft, sprechen in Kommentarspalten von „Fake“. Während sich zahlreiche YouTube-Nutzer über den Auftritt lustig machen, bringt es der Blogger Unge auf den Punkt: Vor allem für Desues jüngere Zuschauer dürfte kaum erkennbar sein, dass er in seinen Videos zwischen Fiktion und Realität hin- und herspringt. Es sei schwer herauszufinden, was echt sei. Zwar stand unter dem Falschgeld-Video der (unscheinbare) Hinweis, dass Personen und Handlung des Films „frei erfunden“ seien. „Das ist mir aber nicht deutlich genug“, so Unge.

Machère musste 25.000 Euro zahlen

YouTube-Stars wie Desue oder die Hamburger ApoRed und Leon Machère müssen laufend neue „Pranks“ (Streiche) produzieren, um die Aufmerksamkeit zu monetarisieren. Nicht selten handelt es sich um infantile Filmchen. Während sich ApoRed gern als Bürgerschreck verkauft, hat sich Machère mit seinen „Pranks“ zur ultimativen Nervensäge der Hamburger Polizei hochgekaspert. Doch die Jagd nach Klicks hat mitunter justiziable Folgen: Beide sind bereits wegen ihrer Videos verurteilt worden. Zuletzt verdonnerte ein Gericht Machère zur Zahlung von 25.000 Euro – weil er Polizisten gefoppt hatte.

Ähnliches könnte auch Simon Desue blühen. Abbenseth: „Sollte sich herausstellen, dass der Bezug von Falschgeld und dessen beabsichtigtes In-Verkehr-Bringen fiktiv waren, wird noch zu prüfen sein, ob sich der Tatverdächtige durch das öffentliche Behaupten strafbar gemacht haben könnte im Sinne des Vortäuschens einer Straftat.“

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