Seit vierzig Jahren ist er Lkw-Fahrer. Ohne je einen Unfall verschuldet zu haben, wie Karsten G. betont. Bis er vor anderthalb Jahren mit seinem 26-Tonner eine Radfahrerin erfasste. Die 19-Jährige geriet unter den Lkw und verstarb noch am Unfallort. „Ich habe die Radfahrerin nicht gesehen. Dabei habe ich sorgfältig in meine Spiegel gesehen“, beteuert der 61-Jährige, der sich jetzt wegen des Unglücks vom 11. Oktober 2016 vor dem Amtsgericht verantworten muss. Der Tod der jungen Frau belaste auch ihn sehr, so der große, kräftige Angeklagte. „Ich stehe mit dem Unfall auf und gehe damit ins Bett.“
Dem 61-Jährigen wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Er ist angeklagt, „aus Unachtsamkeit“ den verhängnisvollen Unfall verschuldet zu haben. Erst vor vier Wochen war eine 33-Jährige in einer ähnlichen Verkehrssituation in Eimsbüttel getötet worden. Danach hatte es Protestkundgebungen sowie wiederholt die Forderung nach einer verbindlichen Einführung von Abbiegeassistenzsystemen für Lkw gegeben.
"Sie hatte doch ihr Leben noch vor sich"
Darauf haben auch die Eltern der vor anderthalb Jahren getöteten 19-Jährigen hingewiesen. „Mit ihr ist man ein Stück selbst gestorben“, hat die Mutter der getöteten Studentin vor Prozessbeginn gesagt. „Sie hatte doch ihr Leben noch vor sich“, sagt sie über ihre Tochter. Nun verfolgt die Frau das Verfahren, oft mit Tränen in den Augen, und lauscht den Zeugen, wie diese den Unfall erlebten.
Eine Autofahrerin schildert, dass die Radfahrerin an der Wandsbeker Kreuzung „ungewöhnlich dicht“ neben dem Lkw gestanden habe. Beim Rechtsabbiegen des Lasters, der „sehr langsam“ angefahren sei, sei die Studentin von dem schweren Fahrzeug „praktisch verschluckt“ worden. Eine Frau spricht davon, dass der Lastwagen „nicht mal Schritttempo“ gefahren sei. Eine andere Zeugin erzählt, dass die 19-Jährige sich auf ihrem Rad „an der Schnauze des Lkw praktisch vorbeischlängeln“ wollte. „Sie hat sich noch mit dem Ellbogen abgestützt und fiel dann zur Seite.“
Sechs Monate Haft auf Bewährung
Zwei Sachverständige führen in dem Verfahren aus, dass ein Lkw-Fahrer fünf Spiegel habe, einen links, einen vorne und drei rechts, um den Verkehr im Blick zu behalten. „Technisch ist es möglich“, so ein Gutachter, dass ein Brummi-Fahrer beim Rechtsabbiegen den Radfahrer in jeder Situation sehe. „Es hängt aber vom Blickverhalten des Fahrers ab.“
Letztlich erkennt der Amtsrichter auf eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten für den Lkw-Fahrer. Zusätzlich muss der Angeklagte 1200 Euro Geldbuße zahlen. Er sei davon überzeugt, so der Vorsitzende, dass die Radfahrerin vor dem Unfall in mindestens einem der Spiegel des Lkw zu erkennen gewesen sei. „Aber der Fahrer hat sie nicht gesehen“. Der Angeklagte habe nicht genug Sorgfalt walten lassen. „Ein junges Leben ist ausgelöscht.“
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