Berlin. Dagmar Berghoff wird am Donnerstag 75 Jahre alt. Gefeiert wird bei einem Spieleabend mit Freunden, darunter Ex-Kollege Wilhelm Wieben.

Es ist diese Stimme. Unverwechselbar. Da sitzt Dagmar Berghoff neben dem groß gewachsenen Ulrich Wickert in der Talkshow von Markus Lanz, und man könnte fast ein wenig erschrecken. Statt mit ihrer perfekt aufrechten „Tagesschau“-Haltung den Bildschirm zu dominieren, wirkt sie ein wenig, ja, zusammengesunken. Aber dann kommt sie endlich zu Wort, und plötzlich ist sie wieder ganz da.

Ihre Stimme zu hören dürfte auf Generationen von Deutschen eine beruhigende, bestätigende Wirkung haben. Vom 16. Juni 1976 bis zum Silvesterabend 1999 war die gebürtige Berlinerin Berghoff, die bei Hamburg aufwuchs, Sprecherin der „Tagesschau“. Ab 1995 Chefsprecherin. Sie gehörte also fast ein Vierteljahrhundert zum bundesrepublikanischen Alltag. Egal wie das Leben gerade aussah: Abends kam Dagmar Berghoff sozusagen ins Wohnzimmer und erzählte von draußen.

Berühmter Lachanfall änderte nichts an ihrer Seriosität

Und ihre Stimme – ruhig, dunkel, sicher – hat den Rahmen der Seriosität nie verlassen. Ganz gleich wie verrückt die Welt, von der sie berichtete, gerade erscheinen mochte. Daran änderte auch der berühmt gewordene Lachanfall nichts, nachdem sie bei den Meldungen zum Sport aus dem WTC-Turnier fast ein WC-Turnier machte. Ob sie wollte oder nicht: Sie ist Teil der Popkultur geworden, identitätsstiftend für ihr Land.

Deutschlands schönste Moderatorinnen

Leser einer TV-Zeitschrift haben die schönsten Moderatorinnen Deutschlands gewählt. Sehen Sie, wer auf die ersten zehn Plätze kam. Den ersten Platz holte Barbara Schöneberger, die unter anderem die NDR Talk-Show präsentiert.
Leser einer TV-Zeitschrift haben die schönsten Moderatorinnen Deutschlands gewählt. Sehen Sie, wer auf die ersten zehn Plätze kam. Den ersten Platz holte Barbara Schöneberger, die unter anderem die NDR Talk-Show präsentiert. © imago/Stephan Wallocha | Stephan Wallocha
Nr.2: Nazan Eckes, u. a. „Deutschland sucht den Superstar“.
Nr.2: Nazan Eckes, u. a. „Deutschland sucht den Superstar“. © imago/APress | imago stock&people
Nr. 3: Sylvie Meis,  u.a. „Let’s Dance“.
Nr. 3: Sylvie Meis, u.a. „Let’s Dance“. © imago/Future Image | gbrci
Nr. 4: Sandra Maischberger hat seit Jahren in der ARD eine Talkshow, die nach ihr benannt ist.
Nr. 4: Sandra Maischberger hat seit Jahren in der ARD eine Talkshow, die nach ihr benannt ist. © imago/Jürgen Heinrich | Jürgen Heinrich
Nr. 5: Birgit Schrowange  („This Time next Year“) ist seit kurzem grauhaarig zu sehen.
Nr. 5: Birgit Schrowange („This Time next Year“) ist seit kurzem grauhaarig zu sehen. © imago/APress | imago stock&people
Nr. 6: Judith Rakers ist als Sprecherin der „Tagesschau“ in der ARD präsent.
Nr. 6: Judith Rakers ist als Sprecherin der „Tagesschau“ in der ARD präsent. © imago/Future Image | gbrci
Nr. 7: Marietta Slomka moderiert das „heute journal“ im Zweiten.
Nr. 7: Marietta Slomka moderiert das „heute journal“ im Zweiten. © imago/Gartner | imago stock&people
Nr. 8: Anne Will hat ihre eigenen sonntägliche Talkshow in der ARD, gleich nach dem „Tatort“.
Nr. 8: Anne Will hat ihre eigenen sonntägliche Talkshow in der ARD, gleich nach dem „Tatort“. © imago/Future Image | imago stock&people
Nr. 9: Maybrit Illner ist mir ihrer Sendung das Talkshow-Aushängeschild des ZDF.
Nr. 9: Maybrit Illner ist mir ihrer Sendung das Talkshow-Aushängeschild des ZDF. © imago/Metodi Popow | M. Popow
Nr. 10: Ruth Moschner moderiert aktuell „So tickt der Mensch“ bei Sat.1.
Nr. 10: Ruth Moschner moderiert aktuell „So tickt der Mensch“ bei Sat.1. © imago/Eibner | Benjamin Horn/ Eibner-Pressefoto
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Umso berührender war es, sie am Dienstag bei Markus Lanz zu sehen, kurz vor ihrem 75. Geburtstag, den sie heute feiert. Elegant wie immer, aber man erahnt einen Kampf gegen die äußeren Zeichen des Älterwerdens. Dazu passt die Rolle, die man ihr in der Runde gibt: Juso-Chef Kevin Kühnert gilt offensichtlich als der hippere Gesprächspartner, während Berghoff geehrt wird wie ein Relikt aus der Vergangenheit.

Dagmar Berghoff ist hart im Nehmen

Als sie sich in die bis dahin rein männliche Diskussion über eine potenzielle Merkel-Nachfolge einmischt und anmerkt, der Spahn könne es doch machen, da wirkt es so, als erinnere sich Lanz plötzlich an sie. Freundlich fragt er: „Ja, Sie sind da auch noch voll mit dabei?“ – fast so, wie man über einen alten Menschen in der Zeitung liest, er nehme noch rege Anteil am Tagesgeschehen. Ein bisschen von oben herab, ähnlich vielleicht wie damals die ihr öfter gestellte Frage „Wie lang wollen Sie denn noch?“, als sie gerade erst 50 war.

Aber Berghoff ist hart im Nehmen. Sie ist Jahrgang 1943 – in vielerlei Hinsicht ergibt sich daraus ein Aufwachsen von ganz anderem Kaliber als für die Generation der heute Jungen. Allein dass sie so eine Sensation war – sie als Frau in der „Tagesschau“! Die ausgebildete Schauspielerin hatte schon ab 1967 als Fernsehansagerin, Sprecherin im Radio und Moderatorin gearbeitet. Aber an so prominenter Stelle Nachrichten verlesen? Komplizierte politische Themen, Sportergebnisse, tragische Unglücke?

Miss Tagesschau Dagmar Berghoff wird 75

Als Dagmar Berghoff am 16. Juni 1976 erstmals die Zuschauer der „Tagesschau“. begrüßte, waren die Nachrichten noch eine Männerdomäne. Der Chefsprecher war der Meinung, Frauen würden bei Unglücken sofort in Tränen ausbrechen. Sie blieb 23 Jahre. Diese Aufnahme zeigt sie kurz vor ihrem ersten Auftritt. Am 25. Januar feiert sie ihren 75 Geburtstag.
Als Dagmar Berghoff am 16. Juni 1976 erstmals die Zuschauer der „Tagesschau“. begrüßte, waren die Nachrichten noch eine Männerdomäne. Der Chefsprecher war der Meinung, Frauen würden bei Unglücken sofort in Tränen ausbrechen. Sie blieb 23 Jahre. Diese Aufnahme zeigt sie kurz vor ihrem ersten Auftritt. Am 25. Januar feiert sie ihren 75 Geburtstag. © dpa | DB
Am 25. Januar 1943 wurde Dagmar Berghoff in Berlin geboren. 1946 zog sie mit ihrer Familie nach Hamburg. Sie studierte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst, nahm einige Schauspielrollen an und moderierte bis zur ersten Sendung der „Tagesschau“ vornehmlich im Hörfunk.
Am 25. Januar 1943 wurde Dagmar Berghoff in Berlin geboren. 1946 zog sie mit ihrer Familie nach Hamburg. Sie studierte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst, nahm einige Schauspielrollen an und moderierte bis zur ersten Sendung der „Tagesschau“ vornehmlich im Hörfunk. © imago/APress | imago stock&people
Die 33 Jahre alte Berlinerin im August 1976 im Kreise ihrer Kollegen der „Tagesschau“ (v.l.n.r.): Werner Veigel, Joachim Brauner, Wilhelm Wieben und Karl-Heinz Köpcke.
Die 33 Jahre alte Berlinerin im August 1976 im Kreise ihrer Kollegen der „Tagesschau“ (v.l.n.r.): Werner Veigel, Joachim Brauner, Wilhelm Wieben und Karl-Heinz Köpcke. © dpa | DB
„Er war eigentlich nicht der Meinung, dass Frauen die „Tagesschau“ sprechen können. Von Politik würden sie nichts verstehen, von Sport schon gar nichts, und bei Unglücken in Tränen ausbrechen“, hatte Berghoff mal über Karl-Heinz Köppke erzählt.
„Er war eigentlich nicht der Meinung, dass Frauen die „Tagesschau“ sprechen können. Von Politik würden sie nichts verstehen, von Sport schon gar nichts, und bei Unglücken in Tränen ausbrechen“, hatte Berghoff mal über Karl-Heinz Köppke erzählt. © KEYSTONE / Keystone | KEYSTONE
23 Jahre lang war Berghoff eines der Gesichter der „Tagesschau“ – und dabei gewohnt, als Sprecherin hinter der Nachricht zurückzustehen.
23 Jahre lang war Berghoff eines der Gesichter der „Tagesschau“ – und dabei gewohnt, als Sprecherin hinter der Nachricht zurückzustehen. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Dieter Klar
„Für diesen Beruf muss man diszipliniert sein, die „Tagesschau“ wartet nicht. Wenn es um 20 Uhr losgeht, geht es um 20 Uhr los“, sagt sie.
„Für diesen Beruf muss man diszipliniert sein, die „Tagesschau“ wartet nicht. Wenn es um 20 Uhr losgeht, geht es um 20 Uhr los“, sagt sie. © © epd-bild / KEYSTONE | Röhnert
Berghoff war die erste „Miss Tagesschau“ und blieb bis zu ihrem Abschied am Silvesterabend 1999 auch in der Beliebtheit für viele die Nummer eins.
Berghoff war die erste „Miss Tagesschau“ und blieb bis zu ihrem Abschied am Silvesterabend 1999 auch in der Beliebtheit für viele die Nummer eins. © dpa | Db Ard aktuell
Während ihrer Zeit als Tagesschausprecherin moderierte Berghoff auch verschiedene Musiksendungen. Von 1984 bis 1992 führte sie mit Max Schautzer durch das „ARD Wunschkonzert“.
Während ihrer Zeit als Tagesschausprecherin moderierte Berghoff auch verschiedene Musiksendungen. Von 1984 bis 1992 führte sie mit Max Schautzer durch das „ARD Wunschkonzert“. © imago/teutopress | imago stock&people
Mit dem deutschen Regisseur Dieter Wedel war Dagmar Berghoff vor ihrer „Tagesschau“-Karriere liiert.
Mit dem deutschen Regisseur Dieter Wedel war Dagmar Berghoff vor ihrer „Tagesschau“-Karriere liiert. © imago | magebroker/strussfoto
Der Tod ihres Mannes Peter Matthaes im Jahr 2001 war ein großer Einschnitt in ihrem Leben. „Wir hatten eine Beziehung, von der man sich immer gewünscht hat, dass man so was mal erlebt. Und ich habe sie gehabt.“ Das Paar heiratete im Mai 1991 in Hamburg.
Der Tod ihres Mannes Peter Matthaes im Jahr 2001 war ein großer Einschnitt in ihrem Leben. „Wir hatten eine Beziehung, von der man sich immer gewünscht hat, dass man so was mal erlebt. Und ich habe sie gehabt.“ Das Paar heiratete im Mai 1991 in Hamburg. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Stefan Hesse
Wenn die einstige Chefsprecherin heute TV-Nachrichten verfolgt, ist sie noch immer ein bisschen im Job: „Wenn jemand ärst statt erst oder Pfärd statt Pferd sagt, fällt mir das sofort auf. Aber das betrifft weniger die ,Tagesschau’ – und darauf hinweisen würde ich die Kollegen dort ohnehin nicht“, sagt sie. „Ich bin zu lange raus, um mich noch einmischen zu dürfen.“
Wenn die einstige Chefsprecherin heute TV-Nachrichten verfolgt, ist sie noch immer ein bisschen im Job: „Wenn jemand ärst statt erst oder Pfärd statt Pferd sagt, fällt mir das sofort auf. Aber das betrifft weniger die ,Tagesschau’ – und darauf hinweisen würde ich die Kollegen dort ohnehin nicht“, sagt sie. „Ich bin zu lange raus, um mich noch einmischen zu dürfen.“ © dpa | Axel Heimken
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„Tagesschau“ sehen ist bis heute ihr tägliches Ritual

Ihr eigener Chef Karl-Heinz Köpcke sei lange skeptisch geblieben, erzählte sie jetzt, „der wartete im Grunde ständig darauf, dass ich in Tränen aufgelöst auf dem Tisch liegen würde, weil wieder irgendwo ein schreckliches Unglück passiert ist“. Weil sie als Frau dafür zu emotional sei. Die Zeit, in der solche Mutmaßungen noch offiziell gesellschaftsfähig waren, ist die Zeit, die Berghoff geprägt hat. Sie musste und konnte damit umgehen. Unterstützung hatte sie: „99 Prozent der Zuschauerreaktionen waren positiv.“

Die „Tagesschau“ zu sehen ist für Dagmar Berghoff bis heute tägliches Ritual – aber zum Geburtstag macht sie wie bei anderen Festen eine Ausnahme. Gefeiert wird, das erzählte sie der Nachrichtenagentur dpa, mit ihrem Ex-„Tagesschau“-Kollegen Wilhelm Wieben und zwei weiteren Freunden. Sie spielen ganz gemütlich und bodenständig zusammen das Gesellschaftsspiel Rummikub – wie schon seit Jahren.

Eine Art Familienersatz vielleicht. Dagmar Berghoff ist seit 2001 verwitwet, zehn Jahre war sie mit dem Arzt Peter Matthaes verheiratet, der an Krebs starb. Kinder hat sie keine. „Der Richtige war nicht zur richtigen Zeit da“, sagte sie einmal. Zu ihrem 75. wünscht sich Dagmar Berghoff „eigentlich nur Gesundheit. Wenn man jünger ist, wünscht man sich so viel, aber – so banal es auch klingen mag – Gesundheit ist doch das Wichtigste.“