Hamburg. Die Überraschung könnte kaum größer sein. Aber da steht es! In einer Email der Gerichtspressestelle steht es schwarz auf weiß: Der Prozess gegen Bülent Ciftlik – Ex-Bürgerschaftsabgeordneter der SPD, Ex-Shootingstar der SPD – nähert sich dem Ende. Damit war nach allem, was bisher passiert ist, nicht unbedingt zu rechnen.
„In der Strafsache gegen Bülent Ciftlik vor dem Landgericht Hamburg wurde die Beweisaufnahme im Termin zur Hauptverhandlung vom 16. Mai 2017 geschlossen“, heißt es in der kurzen Mitteilung des Oberlandesgerichts. Angeklagt ist Ciftlik unter anderem, weil er seinem türkischen Freund Kenan T. eine Scheinehe vermittelt und in einem früheren Verfahren Zeugen zur Falschaussage angestiftet haben soll. Mit einem Plädoyer der Staatsanwaltschaft sei am 29. Mai zu rechnen, so das Gericht. Es folgen noch die Anträge der Verteidigung und Ciftliks Schlusswort – einem Urteil sollte dann eigentlich nichts mehr im Wege stehen.
Es ist der dritte Prozess in erster Instanz
Aber wer weiß das schon so genau – bei dieser kuriosen Prozess-Historie. Das bisher einzige Urteil gegen Ciftlik wegen der Scheinehe-Vorwürfe stammt aus dem Juni 2010. Damals verurteilte ihn das Amtsgericht St. Georg zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro. Politisch war der smarte Hoffnungsträger der Sozialdemokraten damit erledigt – Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) selbst schickte den „Obama von Altona“ (Brigitte) mit einem kernigen Statement in die politische Wüste. „Das Urteil beendet auch die politische Karriere Bülent Ciftliks“, sagte Scholz.
Nach weiteren Ermittlungen, die zu weiteren Anklagepunkten führten, begann im Februar 2012 der zweite Prozess gegen Ciftlik. Darin erklärte sich das Landgericht auch als erste Instanz für die Vorwürfe im Zusammenhang mit der „Vermittlung einer Scheinehe“ zuständig. 16 Monate wurde verhandelt, wurden Zeugen befragt und Beweise gesichtet – dann platzte der Prozess. Grund: Ciftlik saß nach einem Autounfall in Indien fest und konnte deshalb wochenlang nicht an der Verhandlung teilnehmen. Abermals hieß es: alles auf Null. Zur dritten Auflage in erster Instanz kam es dann im Oktober 2015, seither wird gegen den 45-Jährigen verhandelt.
Insgesamt beschäftigt allein der Scheinehe-Fall die Justiz seit mehr als sieben Jahren. Nun könnte die Geschichte also ein Ende finden – zumindest ein vorläufiges. Schließlich könnten Ciftlik und die Staatsanwaltschaft noch Revision einlegen.
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