Hamburg. Trotz sinkender Flüchtlingszahlen sind die Kosten für die Unterkünfte enorm: Seit Januar hat die Stadt allein für die 51 Erstaufnahmen in Hamburg rund 230 Millionen Euro ausgegeben. Mit 152 Millionen Euro ging ein Großteil des Geldes an die Träger – und zwar ohne schriftliche Verträge, die den genauen Kostenaufwand regeln. Das ergaben Berechnungen der FDP nach einer Kleinen Anfrage ihrer Abgeordneten Jennyfer Dutschke. „Der Senat geht grob fahrlässig mit dem Geld der Steuerzahler um“, sagt Dutschke.
Die Träger rechnen die Kosten für Organisation, Catering, Sicherheit und Reinigung noch immer einzeln mit der Stadt ab. Die Ausgaben werden in der Verwaltung auf „Plausibilität geprüft“ und erstattet. Die Regelung war der großen Not im letzten Jahr geschuldet: Damit „keine Obdachlosigkeit Tausender Menschen eintrat“, wurden Ausnahmen von den üblichen Vergaberegeln gemacht, schreibt der Senat.
Der städtische Betreiber „Fördern & Wohnen“ war demnach „nicht mehr in der Lage, die (...) erforderlichen personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen“, heißt es weiter. Auf Bitten der Stadt sprangen Träger wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und die Johanniter als Betreiber ein. Bereits Anfang dieses Jahres hat der Senat nach eigenen Angaben Gespräche über Verträge mit den Betreibern aufgenommen. Derzeit befänden sich die Papiere in der „Finalisierung“.
Für die FDP-Politikerin Dutschke kommt der Schritt viel zu spät, der Senat habe den Betreibern freie Hand gelassen: „Das ist schlichtweg schlechtes Management“, sagt Dutschke. Anschaffungen von bis zu 5000 Euro müssten die Betreiber bislang überhaupt nicht mit der Stadt abstimmen. Auch eine ehemalige leitende Sozialarbeiterin, die anonym bleiben will, kritisierte gegenüber dem Abendblatt eine zweifelhafte Kostenmoral: „Es kam überhaupt nicht gut an, wenn man Rechnungen hinterfragte, die einem sehr hoch vorkamen.“
Nur die Hälfte der Bewohner – aber teils steigende Kosten
Zahlen des Senats weisen an einigen Standorten steigende Kosten auf – obwohl die Zahl der Flüchtlinge in Erstaufnahmen seit dem vergangenen Jahr fast um die Hälfte auf rund 11.000 Menschen zurückging. Sehr hoch sind die Ausgaben für Sicherheit, insgesamt
30 Millionen Euro bis Ende Juli. Für die Bewachung der Unterkünfte am Albert-Einstein-Ring (Bahrenfeld, Betreiber DRK), am Rugenbarg (Osdorf, DRK) und der Papenreye (Niendorf, ASB) wurden seit Jahresbeginn jeweils mehr als zwei Millionen Euro erstattet.
In der Unterkunft „Neuland II“ wurden nach 200.000 Euro im Februar und 580.000 im Juni abgerechnet – die Auslastung der Unterkunft ging dazwischen nach einer Auswertung der CDU-Politikerin Karin Prien um fast 40 Prozent zurück. Die Abrechnung erfolgt zeitversetzt und lässt sich schwer zuordnen. „Die Kosten für Sicherheits- und Wachleistungen in einzelnen Unterkünften sind völlig unverhältnismäßig“, sagt Prien. Das Fehlen von schriftlichen Vereinbarungen mache den Betrieb „korruptionsanfällig“.
Nach Abendblatt-Informationen wird in mehreren Unterkünften, die deutlich verkleinert wurden, eine unveränderte Zahl von Wachleuten vorgehalten. „Die Unterkünfte waren lange Zeit ein Paradies für private Sicherheitsfirmen, nun sind die Behauptungskämpfe in Gang“, sagt ein Insider. Vonseiten der Stadt gibt es bislang keinen Richtwert, wie viele Wachleute im Verhältnis zu den Bewohnern eingesetzt werden sollen. Prien kritisiert auch, dass teils Firmen als Dienstleister eingestellt wurden, die nur wenige Hundert Euro Eigenkapital vorhielten – viel zu wenig, um etwaige Schadenersatzansprüche zu decken. „Mit solchen Firmen würde man als privater Unternehmer niemals Geschäfte machen“, sagte Prien.
Die Stadt musste auch größere Geldbeträge für leere Unterkünfte erstatten: An der Schmiedekoppel (Niendorf) fielen vor der Belegung im Juli Kosten in Höhe von 350.000 Euro für Sicherheitsdienstleistungen an. Auch der Standort Fiersbarg (Lemsahl-Mellingstedt) wurde vor der Eröffnung drei Monate lang für 40.000 Euro bewacht.
Am Fiersbarg hätten Klagen eine Verzögerung verursacht, betont die Stadt. „Die Kosten für Reinigung und Wachpersonal sind von der Belegung unabhängig, wenn der Betreiber den Standort bezugsfertig halten muss“, sagt Christiane Kuhrt vom Koordinierungsstab Flüchtlinge. „Genau das hätte man in Verträgen regeln können“, so die FDP-Abgeordnete Dutschke.
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