Sprungfedern katapultieren den menschlichen Körper zwei Meter hoch und bis zu fünf Meter weit. Wer Bouncing beherrscht, genießt die Höhenfreude.

Hamburg. Es ist dieser Moment, der sich mit Worten kaum beschreiben lässt. Wenn der Körper scheinbar schwerelos durch die Luft fliegt, die Füße für Sekunden den Asphalt verlieren, die Hände nach dem Himmel greifen und die Welt um einen herum klein und unbedeutend wird. Es ist der Moment, in dem man nichts spürt außer sich selbst. Den eigenen Körper, die eigene Kraft. Was märchenhaft klingt, ist längst Realität. Denn es gibt sie, die Siebenmeilenstiefel, die einen schneller laufen lassen als alle anderen. Mit Sprungfedern ausgestattet, die den Körper zwei Meter hoch und bis zu fünf Meter weit durch die Luft katapultieren. "Bouncing" heißt der Trendsport , der in Hamburg inzwischen mehrere Hundert Anhänger zählt. Und jeden Sonntag an der Alster Spaziergänger ins Staunen versetzt. Weil das, was sie dort sehen, futuristisch, unwirklich, schlichtweg genial ist.

Zlatko Zubak ist Bouncer der ersten Stunde. 49 Jahre alt, IT-Fachmann. Er hat die Sportart vor vier Jahren nach Hamburg geholt, hat einen Laden am Mundsburger Damm 29 angemietet, eine Handvoll lizenzierter Siebenmeilenstiefel aus Österreich importiert und die Werbetrommel gerührt. "Beim ersten Bouncing-Treff waren wir zu dritt", sagt Zubak. Heute versammeln sich hier regelmäßig rund 30 Hüpfstelzenfans. Menschen, die den Wunsch haben, höher zu springen, schneller zu laufen, weiter zu kommen. Sie treffen sich im Laden, schnallen ihre mitgebrachten Wunderschuhe an - oder leihen sich ein Paar kostenlos aus - und machen sich auf den Weg an die Außenalster.

Niklas Dziobek ist einer von ihnen. 23 Jahre alt, Student der Sportwissenschaften. Vor drei Jahren stand er das erste Mal auf den Hightech-Stelzen aus Aluminium und Fiberglas. Und erfüllte sich damit den Kindheitstraum von Wunderschuhen, die ihn für einen Moment aus den Angeln des Lebens heben. Es war der Fernsehspot einer Versicherung, der ihn auf den Sport aufmerksam werden ließ. "Da gab es einen Mann, der sich solche Schuhe unter die Füße schnallte. Und lossprang. Mit Riesenschritten", sagt Niklas Dziobek. "Da war mir klar, das willst du auch machen."

Dziobek nahm Kontakt zu Zlatko Zubak auf, begann in dessen Laden zu jobben. Von seinem ersten Gehalt kaufte er sich ein eigenes Paar Siebenmeilenstiefel. Inzwischen ist er der Kopf der Hamburger Bouncing-Bewegung - mit der Mission, andere für diese Sportart zu begeistern und ihnen die Angst vor Stürzen zu nehmen. "Der Bewegungsablauf auf den Stelzen ist dem normalen Gehen sehr ähnlich", sagt der 23-Jährige. "Nach spätestens 20 Minuten gelingt es den meisten, den Höhenunterschied zu vergessen und sich freihändig darauf fortzubewegen."

300 Mitglieder gibt es inzwischen im Bouncing-Verzeichnis, das Dziobek im Internet gegründet hat. Jeden Sonntag kommen etwa zehn bis 15 Neue hinzu. Menschen jeden Alters, jeder Größe und jeder Statur. Sie kommen, um zu probieren. Und bleiben aus vielerlei Gründen. "Weil es Spaß macht", sagt die 21 Jahre alte Kathrin. "Weil es meinem Rücken guttut", sagt der 54 Jahre alte Rolf. "Weil man alle Muskeln trainiert", sagt Anita, 32. "Weil man Grenzen überschreiten kann", sagt Nils, 25. "Und weil man jeden Muskel spürt", sagt Thomas, 30. Sie alle sind sonntags dabei, wenn sich die Bouncing-Gemeinde auf ihre Tour durch die Stadt macht. Von der Alster geht es zum Rathausplatz, an den Jungfernstieg oder in die HafenCity. Drei, vier Stunden sind sie unterwegs, in ihrer ganz eigenen Welt, die 40 Zentimeter höher liegt als die der normalen Spaziergänger.

Nils Hammers und Anita Rutic bouncen seit einem halben Jahr. Jeden Abend nach der Arbeit stecken sie ihre Füße in die Snowboard-Sicherungen der 3,7 Kilogramm schweren Hüpfschuhe. Sie legen Knie-, Ellenbogen- und Handgelenkschoner an und springen los. "Das kann wirklich jeder", sagen sie. "Man muss sich nur trauen und in Bewegung bleiben. Still stehen geht nicht."

In Hamburg gibt es sogar einen, der kann Salto. Das ist Tom. Er gehört zu den Besten in Deutschland und springt im Siebenmeilenstiefel-Showteam. Ansonsten aber, betont Niklas Dziobek, gehe es beim Bouncen allein um den Spaßfaktor. Wettkämpfe zum Beispiel gibt es keine. Braucht es auch nicht. Wer das Bouncen beherrscht, hat den wichtigsten Kampf bereits gewonnen. Er hat die eigene Angst überwunden.