Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth sieht in den Spielen 2024 in Deutschland eine Chance für ökologischen Fortschritt

Hamburg. Das Bundesumweltministerium unterstützt eine mögliche Bewerbung Hamburgs oder Berlins für die Austragung der Olympischen Sommerspiele im Jahr 2024. „Deutschland wäre gut beraten, eine entsprechende Bewerbung nicht aus der Problemlage heraus, sondern als große Chance für unser Land zu betrachten“, sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt. Olympische Spiele böten die Möglichkeit, den Umbau einer Metropole im Sinne von „ökologischer und gesellschaftlicher Nachhaltigkeit“ zu beschleunigen. Jochen Flasbarth arbeitete mehrere Jahre als Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) und als Präsident des Umweltbundesamtes.

Bei der Fußball-WM 2006 habe sich Deutschland vorbildlich präsentiert

Zudem könne eine deutsche Bewerbung sehr viel Wirkung erzielen. „Angesichts von so viel Hass und Intoleranz in der Welt kann man die olympische Idee des friedlichen Wettstreits nicht hoch genug schätzen“, sagte Flasbarth. Deutschland müsse in dieser Hinsicht einen Beitrag leisten. „Bei der Fußball-WM 2006 hat unser Land gezeigt, dass soziale Sicherheit und das friedliche Zusammenleben von Menschen aus aller Welt möglich sind.“

Das Rennen darum, ob sich Hamburg oder Berlin für Deutschland um die Austragung Olympischer Sommerspiele im Jahr 2024 oder 2028 bewerben darf, ist bereits in die entscheidende Phase getreten. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wird am 21.März in Frankfurt/Main die Entscheidung treffen. Seit Mittwoch vergangener Woche läuft schon in beiden Metropolen eine Umfrage, mit deren Hilfe der DOSB herausfinden will, wie groß unter der Bevölkerung die Zustimmung für eine Bewerbung ist.

Dem Vernehmen nach müsste eine deutliche Mehrheit eine Olympiabewerbung unterstützen. Den Zuschlag erhält die Stadt mit den größeren Zustimmungswerten. Allerdings wird im Herbst dieses Jahres zumindest in Hamburg in einem Volksentscheid darüber befunden, ob die Hansestadt wirklich als Bewerberstadt zur Verfügung steht. Jüngsten Umfragen zufolge liegt die Zustimmung in Hamburg bei mehr als 60 Prozent.

Bei den dieser Tage beginnenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen gilt das Thema Olympia als einer der Knackpunkte. Während die Sozialdemokraten eine Hamburger Bewerbung vorbehaltlos unterstützen, gibt es bei den Grünen Vorbehalte. Sie fürchten zu große finanzielle Risiken für die öffentliche Hand und ökologische Belastungen. Flasbarth riet den Verhandlungspartnern, das Thema Olympia bei den Koalitionsgesprächen „nicht als Ballast, sondern als positiven Ansporn zu betrachten“.

Der Umweltstaatssekretär räumte ein, dass nicht jede Art von Olympischen Spielen gut sei. In der jüngeren Vergangenheit habe es „falsche und schreckliche Beispiele“ gegeben, die Kritiker oft zitierten. Das treffe aber nicht auf Deutschland zu. „Wenn wir wirklich ins Rennen gehen, dann wird Nachhaltigkeit nicht etwas sein, das an Olympische Spiele nur angeklebt ist. Vielmehr wird Nachhaltigkeit der Kern unserer Bewerbung sein müssen“, so Flasbarth weiter im Gespräch mit dem Abendblatt.

Klimaverträglichkeit sei dabei von großer Bedeutung. „Daher sollten wir uns klimaneutrale Spiele zum Ziel setzen.“ Damit könne Deutschland die Olympische Bewegung mit einer zukunftsweisenden Botschaft ausstatten. Hinzu kämen vernünftige Nachnutzungskonzepte. „Sporteinrichtungen, die nach den Spielen nicht benötigt werden, sind Unsinn.“

Allerdings will Flasbarth den Aspekt der Nachhaltigkeit nicht auf den Schutz der Umwelt reduziert wissen. „Olympische Spiele müssen Bestandteil von Stadtentwicklung sein“, sagte der Staatssekretär. Der Vorteil: Ein so großes Sportereignis könne wie ein starker Impuls für den ohnehin notwendigen Stadtumbau wirken. Schließlich stünden viele deutsche Städte vor der Herausforderung, sich an die Notwendigkeiten von Umweltverträglichkeit – also kurze Wege und besser durchmischte Stadtteile – anzupassen.

Profitieren könnte der von Umweltaktivisten seit vielen Jahren geforderte Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. „Wenn man Olympia nicht dazu nutzt, die öffentliche Verkehrsinfrastruktur zu befördern, würde man einen Riesenfehler machen.“ Dazu gehörten innovative Lösungen wie Straßenbahn, Wasserstoffbusse und Elektromobilität.

Erfahrungen wie jene mit der Elbphilharmonie schüren Misstrauen

Zudem müssten Hamburg oder Berlin beweisen, dass man Olympische Spiele sozial gerecht organisieren könne. „Bei einer deutschen Bewerbung würden ja folgende Fragen im Mittelpunkt stehen: Werden Stadtviertel durch die Spiele unbezahlbar? Werden sozial schwächere Bewohner an die Stadtränder vertrieben? Geht Subkultur verloren? Am Ende von Olympischen Spielen entstünde als Mehrwert eine soziale, vielfältige und tolerante Stadt.“

Mit Blick auf die finanziellen Risiken Olympischer Spiele riet Flasbarth beiden Bewerberstädten zu größtmöglicher Transparenz. „Da man erst konkret planen kann, wenn Grundsatzentscheidungen getroffen sind, ist es derzeit unmöglich, seriöse Zahlen zu nennen.“ Das schüre angesichts der Erfahrungen mit dem Berliner Flughafen und der Elbphilharmonie verständlicherweise Misstrauen. „Die politisch Verantwortlichen sind hier gefordert, den Menschen zu erklären, warum sie Olympische Spiele für sinnvoll und finanziell verantwortbar halten.“