Norddeutsche Olympiastarter erinnern sich: Kanute Rüdiger Helm, 58, über seine Erfolge mit der DDR und den Boykott 1984

Drei Chancen auf Edelmetall gab es für mich bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal (Kanada) – eine davon wollte ich nutzen. Dass es mit einmal Gold und zweimal Bronze dann allerdings so gut klappte, war nicht zu erwarten. Zwar haben vorherige Regatten bereits Mut gemacht. Ich gehörte aber damals noch nicht zu den Topfavoriten, zumal ich den Fokus aufgrund meiner Abitur-Vorbereitungen ohnehin nicht komplett auf den Kanusport legen konnte. Das hat sich mit Blick auf die Spiele in Moskau vier Jahre später grundlegend geändert. Während eine Medaille 1976 nicht unbedingt Pflicht war, wollte ich in Moskau beweisen, dass ich keine olympische „Eintagsfliege“ war. Meine Erfolge bei vorangegangenen Weltmeisterschaften haben zudem sowohl Erwartungshaltung als auch Trainingsintensität ansteigen lassen.

Umso größer war dann natürlich die Freude über mein Abschneiden: Mit zwei Goldmedaillen sowie einer Bronzemedaille konnte ich das ohnehin schon starke Ergebnis von Montreal noch einmal übertrumpfen. Dass wir mit dem gesamten DDR-Team in Montreal Großes vollbracht hatten (Rang zwei im Medaillenspiegel, die Red.), realisierten wir allerdings erst bei unserer Heimkehr, als wir von begeisterten Menschenmassen empfangen wurden. Das war ungemein schön. Ich steuerte zu diesem Zeitpunkt auf den Höhepunkt meiner Karriere zu. Dank der Erkenntnisse aus meinem Sportstudium konnte ich das Training zudem noch individueller gestalten und die 6000 bis 10.000 Trainingskilometer im Jahr noch besser zur Leistungssteigerung nutzen. Olympia 1984 in Los Angeles konnte also kommen. Doch daraus wurde nichts. Die DDR und weitere Staaten boykottierten die Spiele aus politischen Gründen. Der Traum von weiteren Medaillen war geplatzt. Das war der schwärzeste Tag in meiner Karriere. Ich gehörte zu den Topfavoriten – die späteren Sieger aus Neuseeland etwa hatte ich erst kurz zuvor deutlich geschlagen. So entschloss ich mich noch im selben Jahr, meine Karriere zu beenden, da ich mir gesagt habe: „Du musst jetzt auf eine Entscheidungsebene kommen, um so etwas künftig zu verhindern.“ Bis zur deutschen Wiedervereinigung war ich dann als Trainer der DDR-Kanumannschaft aktiv.

Beide Spiele hatten ihren Reiz, wenngleich die erste Teilnahme 1976 das Highlight für mich war. Im Vergleich zu Moskau war es in Montreal moderner, bunter und lebendiger. Bei der Organisation und den Sportstätten gab es aber kaum Unterschiede zwischen Ost und West. Nach den Attentaten von München sind die Sicherheitsmaßnahmen in Montreal jedoch enorm verschärft worden – in jedem Bus fuhren zwei bewaffnete Soldaten mit, alles war abgeriegelt. Das war schon etwas beklemmend, doch wir kannten ja den Hintergrund. Meine Olympia-Begeisterung haben diese Erlebnisse aber nicht getrübt. Ich bin glühender Olympionike und würde mich riesig über Spiele in Hamburg freuen. Das Beispiel Barcelona 1992 zeigt, welch positiven Effekt Olympia auf eine Stadt haben kann.