Tausende Demonstranten fordern bei Sternmärschen bessere pädagogische Betreuung. Massive Staus in der Stadt

Hamburg. Mehrere Tausend Menschen haben bei der großen Kita-Demo am Donnerstagnachmittag gegen den Qualitätsverlust der Betreuung in Hamburgs Kindertagesstätten protestiert. In der Stadt kam es dadurch zu massiven Staus, die sich erst Stunden später auflösten.

„Ohne 25 Prozent mehr Personal in den Kitas gehen wir unter“, sagte Marina Jachenholz. Die Betriebsratsvorsitzende der Elbkinder-Kitas ist Mitbegründerin des Kita-Netzwerks Hamburg für mehr Personal in der Kinderbetreuung, das zu der Protestaktion aufgerufen hatte. Nach Polizeiangaben 3350, nach Angaben eines Mitveranstalters mehr als 5000 Betroffene hatten sich angeschlossen. Erzieher und Erzieherinnen, Kita-Leitungen, Vertreter von Trägern und Verbänden, Eltern, Kinder, solidarische Gruppen der Gewerkschaften Ver.di und GEW, Vertreter von Grünen und Linken, zogen mit Transparenten und bunten Luftballons von den drei Treffpunkten Jungfernstieg, Hallerstraße und St. Pauli im Sternmarsch zur Moorweide und dann zum Gerhart-Hauptmann-Platz. „Wir wollen uns rechtzeitig vor der Bürgerschaftswahl für die Belange der Kinder einsetzen“, so Jachenholz, die am Dammtor die Moderation übernommen hatte. „Kinderbetreuung darf nicht zur Aufbewahrung werden. Die Arbeit muss für alle Beschäftigten leistbar sein.“

In den vergangenen Jahren hätten sich ihre Arbeitsbedingungen verschärft. Durch Rechtsanspruch und Beitragsfreiheit gibt es deutlich mehr kleine Kinder in den Kindertagesstätten. Die Zahl der betreuten unter Dreijährigen stieg in Hamburg von März 2013 innerhalb eines Jahres um 2600 auf 21.939 Kinder; damit hat sich die Zahl der betreuten Kinder seit 2008 fast verdoppelt. Der Personalschlüssel habe sich aber nicht geändert, kritisiert Marina Jachenholz. In einer Krippe betreue eine pädagogische Fachkraft durchschnittlich acht Kinder, im Elementarbereich mindestens 13 – besonders an den GBS-Standorten sei der Schlüssel noch schlechter. Dazu käme, dass unter anderem durch Krankheit und Urlaub der Fehlzeitenstand an allen Hamburger Kitas oft bei knapp zehn Prozent liege. Insbesondere bei den beitragsfreien und überwiegend in Anspruch genommenen Fünf-Stunden-Gutscheinen würden die Ausfälle bei den Berechnungen des Personalschlüssels nicht berücksichtigt. „Die Beitragsfreiheit war eine lange Forderung von uns“, so Jachenholz. „Jetzt muss man auch bei der Qualität nachbessern.“

Viele Kita-Mitarbeiter sorgen sich, dass die Betreuungsqualität auf der Strecke bleibt. „Wir haben kaum Zeit für eine pädagogische Betreuung“, sagen Kathrin Caberkow und Dörte Meyer, die in einer Eidelstedter Kita gemeinsam zwölf Krippenkinder betreuen. „Gerade, wenn die Kinder zu den Essens- und Schlafenszeiten alle gleichzeitig versorgt werden müssen, sind wir am Limit.“ Die Beitragsbefreiung verleite Eltern dazu, ihre Kinder zu bringen, obwohl sie gar nicht arbeiteten.

Neben der Kinderbetreuung müssen die Erzieher auch Entwicklungsberichte erstellen und schreiben, Elterngespräche und Teambesprechungen führen. „Den Kita-Mitarbeitern immer mehr Aufgaben aufzubürden, ohne dafür mehr Personalstunden zu bezahlen, ist unanständig“, sagte die GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze bei der Abschlusskundgebung. Außerdem kritisierte sie, dass Erzieher zu den schlechtest bezahlten Pädagogen gehören und überdurchschnittlich oft gezwungen seien, Teilzeit zu arbeiten. „Würden in einem ersten Schritt viele der Teilzeitarbeitsverträge auf Vollzeit erhöht, so könnten die zusätzlichen Aufgaben, die mit den Bildungsempfehlungen verbunden sind, auch in der Arbeitszeit erfüllt werden.“

Würde die Forderung der Beschäftigten und Kita-Verbände nach 25 Prozent mehr Personal erfüllt, könnten nach Angaben des Kita-Netzwerks damit die Ausfallzeiten und die mittelbar anfallende pädagogische Arbeit aufgefangen werden. Die zuständige Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) erteilt der Forderung der Kita-Verbände eine Absage. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hatte die Forderungen des Bündnisses zuvor als unbezahlbar kritisiert. Er sei zwar auch der Auffassung, dass der Krippenschlüssel verbessert werden könne, sagte Scheele der „Zeit“. „Die Forderung von 25 Prozent mehr Personal würde uns 150 Millionen Euro extra kosten.“ Durch die höheren Betreuungszahlen hätten die Kita-Träger automatisch höhere Einnahmen, sagte BASFI-Sprecher Marcel Schweitzer. Darüber hinaus erhielten sie von der Familienbehörde ein sogenanntes Entgelt, das die BASFI mit verschiedenen Trägern in einem Landesrahmenvertrag vereinbart hatten. Es steige unabhängig von den Betreuungszahlen. 2014 waren es rund 20 Millionen Euro mehr, für 2015 sind 22 Millionen Euro vorgesehen. Die Grünen-Kinderexpertin Christiane Blömeke sagte: „Ich unterstütze den Protest des Kita-Netzwerks, insbesondere die Forderung nach mehr Personal für die Betreuung von Krippenkindern.“

Die Demo war nur die Auftaktaktion der Kita-Beschäftigten. Am 1. Dezember planen sie eine Talkshow. Alle Fraktionsvorsitzenden hätten zugesagt, sagte Marina Jachenholz.