Die Patriotische Gesellschaft will mit Ex-Uni-Präsident Jürgen Lüthje an der Spitze im schwelenden Wissenschaftsstreit vermitteln und Anstöße geben

Altstadt. Seit fast 250 Jahren steht die Patriotische Gesellschaft von 1765 im Dienste des Hamburger Gemeinwesens, möchte Freiheit mit praktischer Verantwortung verbinden und an der Gestaltung der Stadt mitwirken. In dieser Tradition sieht sie auch ihren Vorstoß, alle Akteure jenseits parteitaktischer Erwägungen zusammenzubringen, um gemeinsam zu einer Übereinkunft über „Hamburgs Weg zur Wissenschaftsmetropole“ zu kommen.

Unter diesem Titel hat der Vorstand der Patriotischen Gesellschaft eine 18-seitige Stellungnahme zu den „Strategischen Perspektiven für die Hamburger Hochschulen bis 2020“ erarbeitet, die Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) vor einigen Monaten vorgelegt hatte. Es sei „ein total spannendes Papier geworden“, sagt Jürgen Lüthje, der selbst von 1991 bis 2006 Präsident der Universität Hamburg war, und heute im Vorstand der Patriotischen Gesellschaft ist. Ausgangspunkt sei, den Wissenschaftsstandort nicht schlecht zu reden, sondern seine Leistungen wahrzunehmen, seine Potenziale zu benennen und in einer konsequenten Strategie weiter auszubauen.

Dazu gehört aber auch eine Analyse der Lage: „Realistischerweise kann sich Hamburg gegenwärtig nicht an den größten deutschen Wissenschaftsstandorten Berlin und München messen“, heißt es in dem Papier. Die beiden Städte verfügten über mehrere große Universitäten und eine größere Zahl von Max-Planck-, Leibniz- und Fraunhofer-Instituten. „Umso wichtiger ist für die zweitgrößte Stadt Deutschlands eine langfristig angelegte wissenschaftspolitische Strategie, die vorhandene Einrichtungen nachhaltig stärkt und ausbaut sowie neue Einrichtungen für den Wissenschaftsstandort Hamburg gewinnt“, so die Patriotische Gesellschaft. Die Hansestadt unternehme zwar bereits große Anstrengungen, beispielsweise mit der 300 Millionen Euro teuren Erneuerung des Campus an der Bundesstraße und dem Campus Bahrenfeld. „Unsere Überzeugung ist dennoch, dass Hamburg noch deutlich mehr zulegen muss“, sagt Lüthje. „Das zu gestalten, wird die Aufgabe des nächsten Senats nach der Bürgerschaftswahl sein.“

Die Patriotische Gesellschaft ergreift jedoch auch selbst die Initiative und lädt die Bürgerschaftsfraktionen, den Bürgermeister sowie die Wissenschaftssenatorin und den Finanzsenator, die Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, wissenschaftsfördernde Stiftungen und Wirtschaftsvertreter zu Gesprächen am Runden Tisch ein, die teils öffentlich und teils nicht-öffentlich sein sollen. „Wir wollen sie so gestalten, dass daraus ein langfristiger Konsens über eine Wissenschaftsstrategie für Hamburg entsteht, der von künftigen Regierungen möglichst unabhängig von Wahlen und den jeweiligen Mehrheiten verfolgt wird“, so Lüthje.

Die Patriotische Gesellschaft hat ihre Stellungnahme bereits an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Senatorin Stapelfeldt geschickt. Sie hätten „sehr interessiert reagiert“, berichtet der 73-Jährige, der selbst Mitglied der SPD ist. „Die Patriotische Gesellschaft ist überzeugt, dass die Entwicklung Hamburgs zur Wissenschaftsmetropole in den Köpfen der Hamburger beginnen muss und eine Veränderung der wissenschaftspolitischen Diskussion in der Stadt erfordert“, heißt es in ihrem Positionspapier. Sie begrüße die von Stapelfeldt vorgelegten „Strategischen Perspektiven“ als Anstoß und Grundlage für die längst notwendige Debatte über einen längerfristigen wissenschaftspolitischen Konsens, die allerdings „nur im Einvernehmen mit den Hochschulen erarbeitet werden“ könne, um erfolgreich zu sein.

Die Patriotische Gesellschaft macht eine Reihe konkreter Vorschläge, wie die zweitgrößte deutsche Stadt in den kommenden zehn bis 15 Jahren zur Spitze aufschließen kann. Hier eine Auswahl:

Gebäude ausbauen und sanieren

Das Uni-Hauptgebäude wurde durch die Flügelbauten zu einem Kulturwissenschaftlichen Zentrum erweitert. Dieses sollte ausgebaut werden und die Pläne für eine Erweiterung der Flächen im Hauptgebäude durch Überdachung der Innenhöfe vorangetrieben werden. Die Universität sollte das ehemalige Postamt 13 an der Schlüterstraße anmieten oder erwerben und dort ein universitäres Gründungs-, Innovations- und Transferzentrum entstehen lassen. Über die Entwicklung des Von-Melle-Parks muss entschieden und der Philosophenturm sowie das Gebäude der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften schnellstmöglich saniert werden.

Mehr Geld vom Bund

Eine Grundfinanzierung von gegenwärtig etwa 640 Millionen Euro jährlich für das Hochschulsystem ist unzureichend. Eine Erhöhung könne Hamburg nicht allein stemmen. Nötig sind dauerhaft Mittel vom Bund und der Europäischen Union. Hamburg müsse darauf dringen, dass der Bund auch die Lehre an den Hochschulen institutionell mitfinanziert und sich nach Abschaffung des Kooperationsverbots intensiv um Bundesbeteiligung bemühen.

Schwerpunkte setzen

Hamburg verfügt über herausragende Kompetenz im Bereich des Internationalen und Transnationalen Rechts. Dieser Schwerpunkt sollte zu einem interdisziplinären und institutionenübergreifenden Forschungszentrum zusammengeführt werden. Das Studienangebot darf nicht abgebaut werden. Bisher durch den Hochschulpakt nur befristet finanzierten Studienplätze müssen dauerhaft gesichert werden.

Kooperationen intensivieren

Intensivierung der Kooperation von Hochschulen und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen. Kooperation mit der Wirtschaft: Die Wirtschaftsförderung der Stadt sollte wesentlich stärker als bisher das Anwendungs- und Innovationspotenzial aller Hochschulen nutzen.

Hochschulvereinbarung nachbessern

Die Kosten- und Tarifsteigerungen liegen deutlich über der ursprünglichen Erwartung. Deshalb muss nach der Bürgerschaftswahl geprüft werden, wie Personalabbau vermieden werden kann. Die wachsenden Steuereinnahmen, niedrigen Zinsen und finanzielle Entlastung der Länder durch den Bund eröffneten dafür die Spielräume.