400 Gäste auf dem Gestüt des Kaffee-Unternehmers. Michel-Hauptpastor, Weihbischof und Imam predigen für Toleranz

Rissen. Mehrmals schlägt Kaffeeröster Albert Darboven die Glocke im „Kleinen Michel“ auf seinem Gestüt, dann herrscht Stille auf der Koppel vor den Stallungen: Ohren spitzen für den Chor und das Bläserensemble der St.-Johannes-Kirche aus der Nachbarschaft. Ein Friedensgebet unter freiem Himmel auf privatem Grund, das hat Seltenheitswert.

Ihren besonderen Charakter erhält die Zeremonie an diesem Sonntagnachmittag durch drei Prediger, die einträchtig beisammensitzen und nacheinander ans Mikrofon treten: Michel-Hauptpastor Alexander Röder für die evangelische, Weihbischof Hans-Jochen Jaschke für die katholische Kirche und Imam Razavi Rad als Repräsentant der Muslime.

Der rote Faden ihrer Kurzansprachen: Frieden, Toleranz, Großgeist. Die gemeinsame Botschaft: Wer den Glauben des anderen akzeptiert, legt den Grundstein für ein harmonisches Miteinander. Rund 400 Gäste auf den mit hellem Stoff bespannten Bierbänken lauschen interessiert und spenden immer wieder Beifall.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“, stimmt die Gemeinde an – Christen und Muslime unisono. „Im Namen Gottes“, beginnt Imam Razavi Rad seine Predigt. „Alle Religionen leiten ihre Gedanken von einer einzigen Wahrheit ab“, führt der Vertreter des Instituts für Human- und Islamwissenschaften mit Sitz in St. Georg fort, „diese aber sind in unterschiedlichen Sprachen formuliert.“ Sie ergänzten sich mehr als dass sie trennen.

Gedanken dazu können die Besucher einem am Eingang verteilten Faltblatt entnehmen. Zum Beispiel „Tretet allesamt ein in den Frieden und folgt nicht den Fußstapfen Satans; wahrlich, er ist euer offenkundiger Feind“, Sure 2, Vers 208 aus dem Koran. Oder das Leitbild des Gottgesandten Mohammad: „Toleranz mit den Menschen ist ein Zeichen von Vernunft.“

Im Jahr 2015 soll ein Rabbi aus dem Predigertrio ein Quartett machen

Das verstehen alle auf der großen Wiese am Falkenstein. Es kann so einfach sein. Judentum, Christentum und Islam müssten sich auf ihre ethischen Grundwerte besinnen, forderte der Imam. „Unheilige Aufhetzer“ dagegen würden das Toleranzgebot sämtlicher Religionen gefährden.

Weihbischof Hans-Jochen Jaschke erinnerte an Assisi, „diesen wunderbaren Ort in Umbrien“. Dort habe der heilige Franziskus einst alle Menschen eingeladen, einen neuen Geist zu gewinnen. „Wir sollten Friedensbewegungen an vielen Orten gründen“, rät der katholische Geistliche, in der Ukraine, in Syrien, im Irak und anderswo. „Und wir müssen unsere Stimme kräftig erheben.“

„Paulus ermahnt uns, bei uns zu beginnen, Frieden zu leben“, hatte der Protestant Alexander Röder eingangs gesagt. Paulus rufe dazu auf, „unter uns“ Frieden zu suchen. Das heiße für Hamburg und Deutschland: „In den christlichen und muslimischen Gemeinden, auch zwischen Christen und Muslimen, wollen wir uns kennenlernen, uns füreinander öffnen und uns erzählen, was wir glauben und wie sehr wir uns nach Frieden sehnen.“

Ganz beseelt stimmt die ungewöhnlich zusammengesetzte Gemeinde zum Ausklang einer unorthodoxen und gerade deshalb so beeindruckenden Veranstaltung ein mehr als 100 Jahre altes Friedensgebet aus Frankreich an. Und bevor Gastgeber „Atti“ Darboven alle zu Kaffee und Butterkuchen hinter den Stallbereich bittet, pflanzen die drei Prediger gemeinsam einen Olivenbaum – mit sehr symbolischer Bedeutung. Zudem lüftet der Gestütschef ein orangefarbenes Samttuch. Darunter verbirgt sich eine dreiteilige Skulptur namens „9/11“ in Erinnerung an die Terrorangriffe vom 11. September 2001 in den USA.

„Mit diesem Friedensgebet haben wir ein kleines Korn gesät“, sagt Darboven zum Ausklang des interreligiösen Friedensgebets. „Hoffentlich wird mehr daraus.“ In einer Beziehung ganz gewiss: Im Spätsommer kommenden Jahres soll ein Rabbi als Repräsentant des Judentums aus dem Predigertrio ein Quartett machen.