Bundestagsmitglied Rüdiger Kruse steht in der Kritik. Der CDU-Politiker bekommt 7000 Euro monatlich von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Hamburg. Vier von 13 Hamburger Bundestagsabgeordneten haben seit Beginn der Legislaturperiode im Oktober Nebeneinkünfte bezogen. Topverdiener aus der Hansestadt ist Berechnungen des Portals abgeordnetenwatch.de der Eimsbütteler CDU-Abgeordnete Rüdiger Kruse. Danach verdiente der Haushaltspolitiker in den vergangenen neun Monaten als Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Hamburg, 63.000 Euro. Für abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack ein Unding: „Jede bezahlte Nebentätigkeit ist eine zu viel.“

Seit Juli erhalten Bundestagsabgeordnete Diäten in Höhe von rund 8600 Euro monatlich. Eine Summe, die laut Hackmack die Abgeordneten wirtschaftlich unabhängig machen soll. „Und ein Mandat ist eine Vollzeitarbeit“, so Hackmack, „da hat man eigentlich keine Zeit für einen weiteren Vollzeitjob wie eine Geschäftsführung.“ Für ihn gebe es deshalb nur zwei Schlüsse: „Entweder der Abgeordnete vernachlässigt seine Arbeit im Parlament oder er erhält Nebeneinkünfte, ohne eine entsprechende Gegenleistung für das Unternehmen zu erbringen.“ Dies gehe aus seiner Sicht schon in Richtung „Korruption und Bestechung“. Abgeordnete, die in Vollzeit für ein Unternehmen arbeiteten, könnten in den Verdacht geraten, ihr Unternehmen frühzeitig über Vorhaben zu informieren oder Tagesordnungen und sogar Gesetze zu beeinflussen.

Rüdiger Kruse weist das weit von sich. Inhaltlich gebe es keine Überschneidungen zwischen seiner Geschäftsführertätigkeit und seinem Abgeordnetenmandat. Zudem handele er transparent. „Es ist bekannt, wo ich arbeite und wie viel ich verdiene. So kann sich jeder Wähler ein Bild machen.“ Er vernachlässige weder seine Aufgabe als Abgeordneter, noch die des Geschäftsführers. „Ich bin der Ansicht, dass ich beiden Seiten gerecht werde.“

Doch wie geht das? Wie kann man als Abgeordneter mit 22 Bundestagssitzungswochen im Jahr sowie Wahlkreisarbeit gleichzeitig einem Job gerecht werden, in dem man in neun Monaten 63.000 Euro verdient? „Es gibt keine Zeiterfassung. Ich arbeite auch im Urlaub“, sagt Kruse. „Der Tag hat 24 Stunden. Zieht man noch acht Stunden Schlaf ab, bleibt genug Zeit, um Dinge zu erledigen.“ Telefon und iPad machten ihn unabhängig von einem Büro. Auf diese Weise ließe sich sein Pensum bewältigen.

Marcus Weinberg (CDU) sagt, dass er keine Nebeneinkünfte beziehe, aber Nebentätigkeiten ausübe. „Und zwar ehrenamtliche.“ Eine davon ist etwa der Parteivorsitz der Hamburger CDU. Seiner Ansicht nach müsse jeder Abgeordnete für sich selbst entscheiden, ob er Nebeneinkünfte beziehe oder nicht. „Ich würde es aber als Problem empfinden, wenn die Tätigkeit als Volksvertreter leiden würde.“ Er könne sich nicht vorstellen, einem Vollzeitjob während einer Sitzungswoche nachzugehen. „Bei mir ginge das nicht. Da ist man von morgens bis abends gebunden.“

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin sagt, dass es für ihn kein Lebensentwurf wäre, Beruf und Mandat nebeneinander laufen zu lassen. Er lehne eine Nebenbeschäftigung aber nicht grundsätzlich ab. „Wenn ein Abgeordneter sein berufliches Standbein nicht verlieren möchte, kann ich das verstehen.“ Doch dann dürften sich die Interessen zwischen Mandat und Job nicht überschneiden. Politik in Berlin sei ein „Fulltimejob“. Rund 70 Stunden in der Woche verwende er auf sein Mandat. „In heißen Zeiten sind es auch mehr. Und wenn man an den 80 Stunden kratzt, dann merkt man, dass man nebenbei nichts mehr schafft.“ Sarrazin bezweifelt daher, dass man einen Vollzeitjob am Schreibtisch schaffen könne. Finanziell hätte ein Bundestagsabgeordneter es aus seiner Sicht auch nicht nötig. „Ich verdiene genug.“ Dies sei auch der Grund dafür, dass er auf die ihm zustehende Aufwandsentschädigung als Hamburger Vize-Parteichef der Grünen verzichte.

Johannes Kahrs (SPD) sagt, dass er sein Mandat nicht vernachlässige. „Ich mache etwa 80 Tagesfahrten von Hamburg nach Berlin und bis zu 250 Hausbesuche im Jahr.“ Auch er komme auf etwa 70 Stunden in der Woche, die er für seine parlamentarische Arbeit aufwende. Seit dieser Legislaturperiode arbeitet Kahrs als Mitglied des politischen Beirates der Rockwool Beteiligungs GmbH. „Für mich ist das eine Horizonterweiterung. Man lernt einen Haufen Leute kennen und lernt, wie Wirtschaft funktioniert.“ Dafür berichtet er dem Dämmstoffunternehmen von der „allgemeinen politischen Entwicklung“ sowie davon, wie das Thema Wärmedämmung in Deutschland und Europa politisch bewertet wird. Das mache er einmal im Monat für zweieinhalb Stunden. Dafür kassierte Kahrs in neun Monaten 15.000 Euro – das wäre ein Stundenlohn von rund 666 Euro. Zu den weiteren Hamburger Nebeneinkünftlern gehören Jürgen Klimke (CDU) und Anja Hajduk (Grüne). Klinke verdiente als Vorstandschef der Industrie-Contact AG 9000 Euro und Hajduk 7000 Euro im Aufsichtsrat von ic3s Information.