Die Bilanz der Abendblatt-Serie zur Infrastruktur. Leser machen die Arbeiten für das Busbeschleunigungsprogramm für die vielen Staus verantwortlich und fordern einen Autobahnring sowie eine weitere Elbquerung östlich oder westlich von Hamburg

Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch wirkte zufrieden. Als er am Montag mit dem Kieler Amtskollegen Reinhard Meyer und Staatssekretär Enak Ferlemann aus dem Bundesverkehrsministerium den roten Knopf drückte, schien die Welt in diesem Moment in Ordnung. Und in Ordnung war sie ja auch, zumindest aus der Sicht eines Politikers, der für den Straßenverkehr in der Hansestadt die politische Verantwortung trägt.

Schließlich starteten die drei Männer mit ihrem Knopfdruck offiziell Norddeutschlands wichtigstes Verkehrsprojekt der kommenden zehn Jahre: die Erneuerung der Autobahn 7 vom nördlichen Ausgang des Elbtunnels bis zum Bordesholmer Dreieck. Auf mehr als 80 Kilometern Länge werden Ausfahrten verlängert, Brücken erneuert, und die Zahl der Spuren wird von sechs auf acht, beziehungsweise von vier auf sechs erhöht.

In Hamburg soll die Autobahn sogar auf einigen Teilstrecken unter der Erde verschwinden. In Schnelsen, Stellingen und Altona sind jeweils ein Lärmschutztunnel geplant. Der längste Tunnel – in Altona – wird mehr als zwei Kilometer lang sein. Mehr als eine Milliarde Euro werden auf der Strecke verbaut werden. Und das ist erst der Anfang. Staatssekretär Ferlemann versprach weitere Investitionen, als er sagte: „Jetzt ist der Norden dran!“

Ziel des Ganzen ist es, die in den vergangenen 20 Jahren gewachsenen Verkehrsströme in den Griff zu bekommen. Um 80 Prozent hat der Güterverkehr im letzten Jahrzehnt zugenommen. Ladeflächen von Lastwagen sind in Zeiten von Just-in-time-Produktion längst zu mobilen Lagern geworden. Hinzu kommt, dass nach dem Fall des Eisernen Vorhangs osteuropäische Länder mehr und mehr Teil der Weltwirtschaft wurden und viele ihre Güter über Hamburgs Hafen verschicken.

Stau gehört zum Alltag

Die Auswirkungen auf die Metropolregion Hamburg kann inzwischen fast täglich auf den Straßen beobachtet werden. Kilometerlange Staus auf den Autobahnen und Haupttrassen der Hansestadt gehören ebenso zum Alltag wie der Ausweichverkehr durch ruhige und verkehrsuntaugliche Wohngebiete. Mehr als ein Drittel der Hauptverkehrsstraßen sei sanierungsbedürftig, ergab eine Untersuchung im Jahr 2012.

Angesichts dieser jahrelangen Vernachlässigung hat der SPD-Senat die Erneuerung von Straßen zur Priorität erklärt. Hinzu kommt das sogenannte Busbeschleunigungsprogramm, das wegen der vielen Baustellen, die es verursacht, derzeit vor allem den Verkehrsfluss stocken lässt. 72 Millionen Euro will Hamburg für die Sanierung seiner Straßen in diesem Jahr ausgeben, so viel wie lange nicht.

Bei so viel Aktionismus wird jedoch leicht übersehen, was Hamburgs Bewohner in Sachen Straßenverkehr wirklich wollen. Im Zusammenhang mit der Länderkonferenz zur Infrastruktur hatte das Hamburger Abendblatt seine Leserinnen und Leser nach ihrer Meinung zu den wesentlichen verkehrspolitischen Herausforderungen gefragt. Danach werden beispielsweise das Busbeschleunigungsprogramm oder eine Sondersteuer für Investitionen in die Infrastruktur von der großen Mehrheit abgelehnt.

Mehr als 4500 Leser hatten sich an der Umfrage beteiligt und – was besonders interessant ist – zum Teil ausführlich auf die offene Frage „Welches ist aus Ihrer Sicht das größte Verkehrsproblem?“ geantwortet. Ganz oben auf der Problemliste steht demnach das mangelnde Baustellenmanagement. In erster Linie das Busbeschleunigungsprogramm wird als Grund dafür gesehen, dass auf Hamburgs Straßen in diesen Monaten oftmals kaum etwas geht. Einige Leser stellen die Frage, ob es sinnvoll sei, 259 Millionen Euro dafür auszugeben, damit Busse nur wenige Minuten schneller ihr Ziel erreichen.

Baustellenmanagement ärgert Hamburger am meisten

Abgesehen davon, dass viele Hamburger meinen, es gebe zu viele Baustellen zur selben Zeit, wird den zuständigen Bezirksämtern eine schlechte Koordinierung vorgeworfen. Oft würden Anwohner nicht rechtzeitig informiert. Hinzu komme, dass Umleitungen zu oft durch enge und damit stauanfällige Straßen geführt würden. Für Verärgerung sorgen bei den Hamburgern vor allem Baustellen, „auf denen abends oder am Wochenende nicht gebaut wird“, wie eine Leserin schreibt.

Zur Ehrenrettung der Behörden muss man sagen, dass in Wohngebieten ausgesprochen strenge Lärmschutzregeln gelten, die den Betrieb einer Straßenbaustelle in den Nachtstunden oder an Wochenenden faktisch unmöglich machen. Schließlich verursachen Baumaschinen oder schwere Lastkraftwagen Lärm. Auch haben Baustellen im Straßenbereich zudem andere Gründe. Das mehr als 5000 Kilometer lange Sielnetz, Strom- und Gasleitungen verlaufen unter den Straßen. Wenn an ihnen gearbeitet werden muss, ist der Verkehr betroffen.

Das zweitwichtigste Verkehrsproblem für die Hamburger ist das Fehlen eines Autobahnrings und weiterer Elbquerungen. „Hamburg braucht einen Autobahnring um die Stadt herum“, schreibt ein Leserin. „Wenn Lastwagen von Osten nach Westen wollen, durchqueren sie die komplette Stadt, statt einen nördlichen Autobahnring nutzen zu können“, beklagt Henner Bangert aus Bramfeld. Das Fehlen von Umgehungs- und Ausfallstraßen aber führe „zu einer totalen Überbeanspruchung der kleinräumigen Straßen“.

Oft wird der Stau vor dem Elbtunnel in Zusammenhang damit gebracht, dass die Politik nun schon seit Jahrzehnten über eine weitere Elbquerung – östlich oder westlich von Hamburg – streitet. Schon jetzt gilt die A 7 in Hamburgs Westen mit durchschnittlich 160.000 Fahrzeugen am Tag zu den am meisten belasteten Autobahnteilstücken Deutschlands. Der rasche Ausbau des Fernstraßennetzes in Nordeuropa wird die Belastung erhöhen, fürchten nicht nur Verkehrsexperten.

Überraschend liegt die Kritik am Verhalten der Verkehrsteilnehmer auf Platz drei der wichtigsten Verkehrsprobleme. Radfahrer und Fußgänger scherten sich zu wenig um das Einhalten von Verkehrsregeln, beklagen viele Abendblatt-Leser. Autofahrern hingegen werden Ungeduld, Rücksichtslosigkeit und Egoismus vorgeworfen. Vor allem das „Parken in der zweiten Reihe“ stößt vielen Lesern bitter auf. Mindestens genauso stößt auf Unverständnis, dass die Hamburger Polizei gegen Falschparker nicht entschieden genug vorgehe.

Viele Leser beklagen ferner, dass zu viele Güter – auch im Stadtzentrum – mit dem Lkw transportiert werden. In diesem Zusammenhang wird bemängelt, dass es „keine nachhaltige Infrastrukturplanung“ gebe und zu wenig Geld in eine Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur investiert werde.

Stattdessen würden „verengte Straßen durch Radwege“ und „Rückbau von Straßen in Tempo-30-Zonen“ die Probleme verschärfen. Auch eine zu geringe Schienenkapazität führe letztlich dazu, dass zu viele Güter statt mit der Bahn auf den Straßen transportiert würden, lautet die Kritik.

Einfallsreich unterbreiteten viele Leser eigene Vorschläge, wie die Verkehrssituation in Hamburg entspannt werden könnte. Der Ausbau des S- und U-Bahn-Netzes wäre genauso eine Hilfe wie günstigere Preise im öffentlichen Personennahverkehr. Ein Leser forderte die Sperrung der Innenstadt für den Autoverkehr und die Beschränkung von Kfz-Zulassungen. Der Trend verläuft in diesem Punkt allerdings in eine andere Richtung. Derzeit sind in Hamburg mehr als 742.000 Autos zugelassen – so viele wie noch nie.

Serienteile:

1. Teil, Hamburgs Infrastruktur

2. Teil, Schwerpunkt Straße

3. Teil, Schwerpunkt Schiene

4. Teil, Schwerpunkt Wasserstraße

5. Teil, Bilanz