Der junge Bezirkspolitiker Christoph Ploß gilt als großes Talent der Christdemokraten. Im Februar 2015 soll und will er in die Bürgerschaft. Und man darf davon ausgehen, dass er dort seinen politischen Aufstieg in gleichem Tempo fortsetzen wird.

Winterhude. Am Tor rütteln musste er nicht. Aber „Ich will hier rein“, hat er sich schon gesagt. Und so fuhr der junge Mann im Frühjahr 2005 mit seinem Fahrrad an den Leinpfad, klingelte an der Tür der CDU-Zentrale und bat um ein Eintrittsformular. Da war er 19 Jahre alt, und Hamburgs Christdemokraten erlebten gerade die erfolgreichste Zeit ihrer Geschichte: Dank Ole von Beust regierten sie mit absoluter Mehrheit im Rathaus.

Derzeit erleben die Hamburger Christdemokraten gerade die erfolgloseste Zeit ihrer Geschichte, und der immer noch junge Christoph Ploß ist einer ihrer wenigen Hoffnungsträger. Manche nennen ihn das größte Talent der Partei, manche die größte Heißdüse, doch das eine schließt das andere ja nicht aus. Er widerspricht jedenfalls nicht, wenn man ihm Ehrgeiz attestiert oder als Workaholic bezeichnet: „Kann man schon sagen.“ Aber nicht, ohne etwas hinzuzufügen. „Mir macht das alles einfach richtig viel Spaß.“

Das alles, das ist in der Tat so einiges: Ploß ist Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Winterhude (mit 540 Mitgliedern einer der größten), er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender in der Bezirksversammlung Nord, er arbeitet im Büro des CDU-Bundestagsabgeordneten Dirk Fischer, doch vor allem schreibt er gerade seine Doktorarbeit. Thema: „Herausbildung der Supranationalität im europäischen Einigungsprozess am Beispiel Großbritanniens“. Im Juli soll sie fertig sein, das heißt: Sie wird fertig sein. Ploß ist keiner, der die Dinge verschiebt.

Und dann tut er noch etwas, was nur wenigen gelingt, die politisch auf der kleinen Bezirksbühne spielen: Er geht der SPD im Rathaus gehörig auf die Nerven. Mit einem Thema, dessen Potenzial andere unterschätzt haben: dem Busbeschleunigungsprogramm. Dessen Ablehnung hat er zu seinem Mantra gemacht – und die CDU-Oberen auf ihn aufmerksam. Die Wiederwahl in die Bezirksversammlung am 25. Mai soll nur ein kleiner Zwischenschritt werden, im Februar 2015 soll und will er in die Bürgerschaft. Und man darf davon ausgehen, dass er dort seinen politischen Aufstieg in gleichem Tempo fortsetzen wird. Wer ihn oder die CDU nicht mag, der wird ihn wohl als politischen Karrieristen bezeichnen. Er selbst sieht das ausgesprochen nüchtern. „Kann sein, dass ich Politiker werde“, sagt er. „Aber auf gar keinen Fall werde ich mich beruflich von der Politik abhängig machen.“ Das Gegenteil, unabhängig, will er sein. „Sonst wird man zum Opportunisten.“ Es gibt zwei Eigenschaften, die ihm niemand absprechen wird: Fleiß und Disziplin.

Es macht ihm offenbar keine schlechte Laune, jeden Morgen zwischen 4 und 6Uhr aufzustehen. Dann joggt er um die Alster, frühstückt rasch und setzt sich an den Schreibtisch. Dort geht es dann abwechselnd um sein Amt (Bezirkspolitik), seine Promotion (britische Europapolitik der 1930er-Jahre) und seinen Job (aktuelle Bundespolitik für Dirk Fischer). So richtig viel Zeit fürs Private kann da eigentlich nicht bleiben, oder? Ploß antwortet, dass er es eben gut organisiere. „Meine Freundin Susan und ich haben feste Tage, die wir nur für uns haben.“ Sie ist Doktorandin und sei ein ähnlicher Typ wie er. Deshalb gebe es deswegen keine Probleme. „Außerdem brauche ich nicht viel Schlaf, ich habe also einfach mehr vom Tag.“

Christoph Ploß stammt aus einer klassisch bürgerlichen Familie („Nicht reich, aber bestimmt auch nicht arm“). Seine Eltern sind nicht parteipolitisch gebunden, aber unpolitisch sind sie auch nicht. Diskussionen am Esstisch kommen regelmäßig vor, zumal Christoph schon sehr früh Interesse zeigt. „Mit acht, neun Jahren habe ich angefangen, Zeitung zu lesen. Erst den Sportteil, aber dann auch Politik“, erzählt er. Der Bundestagswahlkampf 1998 ist der erste, den er bewusst verfolgt: Schröder gegen Kohl. Er neigt zwar schon der CDU zu, festgelegt ist er aber noch lange nicht. Auch Schülerunion oder Junger Union tritt er nie bei.

Er spielt Hockey, ist Fußballfan („Wirklich gute Zeiten habe ich beim HSV ja nie erleben dürfen“) und geht aufs Johanneum. Dort werden die alten Sprachen gelehrt, Griechisch und Latein, und natürlich ist die Geschichte der antiken Demokratie in Griechenland und der römischen Republik ein Schwerpunkt des Unterrichts. Das prägt ihn bis heute. „Republik bedeutet öffentliche Sache“, sagt er. Und deshalb „ist jeder gefordert, etwas zurückzugeben“. Und im Wissen, dass der Satz oft als Phrase benutzt wird, sagt er: „Demokratie lebt vom Mitmachen.“ Noch heute liest Ploß gerne alte Texte im Original. Cato etwa und Cicero. Viele würden das wohl als Qual bezeichnen, er als gute Rhetorikschule – und als Vergnügen.

Nach dem Abitur macht er Zivildienst im Alten- und Pflegeheim („Das hat einen viel größeren Nutzen für die Gesellschaft“) und studiert Politik und Geschichte in Hamburg. Mit 21 beginnt er, mit 24 hat er seinen Bachelor, mit 26 den Master, und mit 29 wird er promoviert haben.

Parallel startet er in der CDU durch. „Das sieht im Nachhinein viel geplanter aus, als es war“, sagt er. Manches sei einfach Glück gewesen. Ein Aktivposten ist er jedenfalls von Beginn an: Infostände aufbauen, Veranstaltungen organisieren und ja, auch Plakate kleben. „In der CDU habe ich mich gleich wohlgefühlt“, sagt Ploß. 2006 wird er Beisitzer im Ortsvorstand Winterhude, 2008 Bezirksabgeordneter, 2011 Fraktionsvize. Da hat er in der CDU längst einen väterlichen Förderer: Dirk Fischer. Das Urgestein, seit 34 Jahren im Bundestag und lange Hamburgs CDU-Vorsitzender, stellt ihn als Wahlkreismitarbeiter ein und vielen einflussreichen Parteigrößen vor. „Er ist ein junger dynamischer Mensch, so wie ich damals“, sagt Fischer, der den Begriff „Ziehvater“ aber überhaupt nicht gerne hört. „Das klingt so, als ob ich ihn steuern würde.“ Eher sei er ein Förderer.

Dass sie 2010 auch im Ortsverband auf ihn setzen, kommt für Ploß dennoch überraschend. Vorsitzender ist Christoph Ahlhaus, der im Sommer zum Bürgermeister aufsteigt. Und als Nachfolger schlägt er den 24-jährigen Ploß vor. „Als er mich anrief, war ich kurz perplex“, erinnert er sich. Für die Zusage braucht er trotzdem nur zehn Sekunden. Fischer hat ihn bestärkt. „Ich war auch erst 26, als ich Ortsverbandsvorsitzender wurde“, sagt er. Dass Ploß politische Karriere machen und bald in die Bürgerschaft einziehen wird, daran hat Fischer keinen Zweifel. „Ich traue ihm fast alles zu.“ Denn Ploß habe ein waches Auge, sei „klug, verlässlich und charakterstark“. Und dann kommt so ein typischer Fischer-Satz: „Politik verdirbt nicht den Charakter. Schlechte Charaktere verderben die Politik.“

Zum Winterhuder CDU-Chef gewählt wird Christoph Ploß dann mit 90 Prozent der Stimmen. Respekt hatte er schon, gibt er zu. „Da sitzen neben Christoph Ahlhaus und Dirk Fischer ja auch Leute wie Ex-Senator Michael Freytag im Ortsverband.“ Politische Schwergewichte, die ihn nicht für zu leicht befunden haben. Bisher wurden sie nicht enttäuscht.

Auch Parteichef Marcus Weinberg hält große Stücke auf „Plossi“, wie er ihn freundschaftlich nennt: „Ein Riesentalent und ein witziger Typ.“ Er habe viel „Elan und Power“ und ein klares Politikverständnis. Und was muss er noch lernen? „Manchmal ist er etwas hyperaktiv. Er muss lernen, auch mal locker zu bleiben.“

In der Tat: Mit seinem Kampf gegen die Busbeschleunigung geht er nicht nur der SPD, sondern manchmal auch den eigenen Leuten auf die Nerven. Da ist der Fahrrad fahrende Nicht-Autobesitzer eben Überzeugungstäter. Und so gibt es so gut wie keine Pressemitteilung von Christoph Ploß, in der das Wort „Busbeschleunigungsprogramm“ fehlt – selbst wenn es um ein ganz anderes Thema geht. Das liest sich dann so: „Statt Millionen für ein unsinniges Busbeschleunigungsprogramm auszugeben, sollte der Senat lieber in... investieren.“ Das kann man penetrant nennen. Oder ganz alte Schule.

Nämlich die des römischen Staatsmanns Cato, des Älteren, den er im Johanneum so schätzen gelernt hat. Der soll alle seine Reden, ganz gleich zu welchem Thema, mit dem Satz beendet haben: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden sollte.“ Karthago ist schließlich zerstört worden. Das mit der Busbeschleunigung ist noch offen.