Der Gewerkschafter nennt offiziell „gesundheitliche Gründe“. Intern prangert er jedoch „Intrigen, Illoyalitäten und Zerwürfnisse“ in der Gewerkschaft an.

Hamburg. Der Hamburger Ver.di-Chef Wolfgang Abel hat nach verbandsinternen Querelen seinen vorzeitigen Rücktritt angekündigt. Ursprünglich hatte Abel, der erst vor zwei Jahren in das Amt gewählt worden war, lediglich vor, bei der Wahl im kommenden Jahr nicht mehr zu kandidieren. Doch offenbar waren die Auseinandersetzungen im Vorstand derart kontrovers, dass Abel nun bis zur Wahl eines Nachfolgers spätestens Ende Juni zurücktritt – aus gesundheitliche Gründen.

In einer persönlichen Erklärung schrieb Abel: „Aufgrund der nachhaltigen inhaltlichen Differenzen über die Ausrichtung der Arbeit des Landesbezirksvorstandes sowie der Form der Auseinandersetzungen habe ich bereits nach der Sitzung des Landesbezirksvorstandes im Februar 2014 beschlossen, im Jahre 2015 nicht mehr für die Funktion des Landesbezirksleiters zu kandidieren. Meine ursprüngliche Absicht, mich dennoch der übernommenen Verantwortung bis zum Ende der derzeitigen Wahlperiode zu stellen, kann ich auf Anraten meines Arztes leider nicht mehr einlösen.“

Die Rücktrittsankündigung Abels platzt mitten in den Tarifkonflikt um die Bezahlung von Pflegekräften in den Hamburger Krankenhäusern. Für Außenstehende kommt sie zudem überraschend. Sie ist das Ergebnis von Auseinandersetzungen über den Kurs der Dienstleistungsgewerkschaft. Begonnen haben diese im vergangenen Sommer im Zusammenhang mit der Debatte um die Lampedusa-Flüchtlingsgruppe in Hamburg.

Während der Ver.di-Vorsitzende sich dagegen verwahrte, aus der Gewerkschaft eine Ersatzpartei zu machen, machten andere Gewerkschafter Politik. So wurden im Juli 2013 mehrere Mitglieder der Flüchtlingsgruppe medienwirksam als Mitglieder in die Gewerkschaft aufgenommen. Ein offener Affront gegen Abel, der zur selben Zeit im Urlaub war. „Es war verabredet, dass der Landesvorstand gemeinsam eine Haltung zu der Flüchtlingsfrage entwickelt“, sagt ein Gewerkschaftsmitglied. „Aber die Aufnahme der Flüchtlinge bei Ver.di hat man einfach hinter seinem Rücken gemacht.“

Laut Abel habe der Umgang von Ver.di mit der Flüchtlingsfrage zu einem Mitgliederrückgang geführt. In einem Brief, den Abel an alte Mitstreiter und Weggefährten gerichtet hat und der dem Abendblatt vorliegt, schreibt der Gewerkschaftschef: „Die Spannungen, ausgelöst durch nicht abgestimmte Handlungen und öffentliche Erklärungen zur Lampedusa-Thematik, haben nicht nur zu zahlreichen Austritten, sondern auch zu bisher nicht gekannten Intrigen, Illoyalitäten und Zerwürfnissen in Ver.di Hamburg geführt.“

Etwa zur selben Zeit kam es Ver.di-intern auch zu einer Lagerbildung bei der Frage über den Volksentscheid zum Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze. Auch hier hatte die Gewerkschaft keinen gemeinsamen Beschluss gefasst. Aus gutem Grund: Ver.di vertritt auch Mitarbeiter der von dem Rückkauf betroffenen Energiekonzerne E.on und Vattenfall. Dennoch gab es auch in diesem Bereich immer wieder Vorstöße, die Volksinitiative für den Netze-Rückkauf zu unterstützen.

Abel fühlt sich durch den Kurswechsel des Vorstands vor den Kopf gestoßen

Den letzten Ausschlag für Abels Rückzug hat die Sitzung des Landesbezirksvorstandes im Februar gegeben. Dieser hatte beschlossen, einen im Mai stattfindenden Arbeitszeitkongress mitzufinanzieren, auf dem die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert wird. Zu den Initiatoren gehören unter anderem die Marxistische Abendschule und die Rosa Luxemburg Stiftung. Das 36-köpfige Ver.di-Gremium hatte sich nur wenige Wochen zuvor noch dagegen ausgesprochen. Abel, der das Ansinnen inhaltlich nicht mitträgt, wurde mit dem plötzlichen Kurswechsel vor den Kopf gestoßen.

In seinem Brief an die Weggefährten schreibt er, dass keine Einzelgewerkschaft diese Position unterstützt habe. Der neue Beschluss des Landesvorstandes stehe zudem der Bitte einiger Gewerkschafter, gerade auf dem Gebiet der Arbeitszeit Zurückhaltung zu wahren, entgegen. „Aus meiner Sicht ist dies ein weiteres Beispiel dafür, dass es einigen Funktionsträger offenbar nicht um die Entwicklung konsensfähiger Positionen für die Gesamtorganisation geht, sondern um die Umsetzung des Politikansatzes ‚Mehrheit ist Wahrheit’.“ Dafür, so Abel, werde offenbar eine Instrumentalisierung der Gesamtorganisation billigend hingenommen.

Wolfgang Rose, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter und Vorgänger Abels im Amt des Ver.di-Landesvorsitzenden, zeigte sich betroffen von den jüngsten Ereignissen. Dem Abendblatt sagte er: „Ich kann meiner Gewerkschaft in dieser schwierigen Situation nur wünschen, dass sie zurückfindet in eine Kultur, in der man nach innen Pluralität lebt und nach außen Zusammenhalt für eine gemeinsame gewerkschaftliche Position.“ Es schmerze ihn, so Rose, dass sein Nachfolger aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig von seinem Amt zurücktrete. „Aber gleichzeitig respektiere ich diesen Schritt.“

Wolfgang Abel selbst wollte seinen Entschluss öffentlich nicht kommentieren. Stattdessen verwies der Gewerkschafter auf seine persönliche Erklärung. Dem Abendblatt sagte Abel lediglich: „Es gibt verbandsinterne Spannungen. Diese müssen verbandsintern geklärt werden.“