Tim Greiser und Olaf Kosch wagen sich am 4. Mai zum ersten Mal allein auf die 42,195 Kilometer. Die Motive der beiden Haspa-Angestellten, sich dem kraftraubenden Wettkampf zu stellen, sind ähnlich.

Hamburg. Marcelo Hernandez blickt ein wenig skeptisch in das Display seiner Kamera. „Noch ein letztes Mal, diesmal aber mit langen, ganz langen Schritten. Und lächeln, immer lächeln!“, bittet der Abendblatt-Fotograf. Tim Greiser, 32, und Olaf Kosch, 37, überqueren bei zehn Grad Celsius und kaltem Nordwind die kleine Fußgängerbrücke an der Außenalster noch ein zehntes, elftes und zwölftes Mal, bis Hernandez endlich abwinkt: „Danke, das war’s auch schon!“

Greiser und Kosch atmen auf. „Viel anstrengender kann der Marathon kaum werden“, scherzen sie, als sie sich ihre Trainingshosen und -jacken wieder überziehen. Am 4. Mai starten die beiden Haspa-Angestellten zum ersten Mal über die 42,195 Kilometer lange Distanz. Kosch, früher ein begabter 400-Meter-Sprinter des Bramfelder SV, will „irgendwie kurz vor dem Besenwagen ankommen, der unterwegs die Lahmen und Erschöpften einsammelt“, Greiser, der in der Jugend Handball beim VfL Bad Schwartau und Tennis in Leistungsklassen spielte, nach maximal viereinhalb Stunden. Was für eine Marathon-Premiere immer noch eine recht ehrgeizige Zeit sei, wie er zugibt.

Die Entscheidung, das Freizeit raubende Projekt anzugehen, treffen beide im vergangenen Sommer, als die Erinnerungen an ihren Staffel-Marathon im April noch frisch sind. „Ich bin damals als vierter und letzter Läufer die letzten rund zehn Kilometer von Eppendorf bis ins Ziel gerannt. Die Atmosphäre war fantastisch, einmalig, richtig geil“, erzählt Kosch, und die Begeisterung über dieses Erlebnis ist ihm immer noch anzuhören. „Ich wollte diese Stimmung unbedingt noch einmal genießen, und dann am besten über die gesamte Strecke.“ Dafür hat er vor zwei Monaten das Rauchen aufgegeben, obwohl er sich ein Leben ohne Zigarette schon gar nicht mehr vorstellen konnte. „Ich habe seitdem zwar ein paar Kilo zugenommen, im Training aber habe ich jetzt kein Problem mehr, 20 Kilometer am Stück um die Alster zu laufen.“

Greisers Motive sind ähnlich. Zweimal ist er bereits in Hamburg die Staffel gelaufen, 2013 als erster, 2012 als letzter Läufer. „Eppendorf ist wie Alpe d’Huez bei der Tour de France“, sagt er. „Da stehen die Leute dicht gedrängt auf der Straße, und wenn du auf sie zuläufst, öffnet sich für dich eine schmale Gasse. ‚Tim, du schaffst es!‘, haben sie mir zugerufen. Mein Name stand ja auf dem Trikot. Das war ein überragendes Gefühl. Ein Kollege hat mal gesagt, durch Eppendorf sei er auf seiner Gänsehaut gelaufen. Das trifft es.“

Seit die Haspa Titelsponsor des Rennens ist, sind auch deren Mitarbeiter auf Trab gekommen. „Laufen gehört inzwischen zu unserer Unternehmenskultur“, sagt Greiser, „wir erhalten derzeit von allen Seiten Tipps, wie, wann, was wir trainieren sollen.“ Etwa 150 Kilometer läuft er im Monat, Kosch um die 100. Die rund 7,4 Kilometer lange Runde um die Außenalster ist beider bevorzugtes Revier. „Hier gibt es viel Schönes zu sehen“, sagt Kosch und grinst. Worauf es für sie am 4. Mai ankommt, haben sie sich ausgedruckt und als Spruchband an die Wand ihres Büros geklebt: „Alles reine Kopfsache!“ Wir halten durch, sagen sich beide, „selbst wenn ich zwischendurch für ein paar Minuten gehen muss“, ergänzt Kosch. Die Wasserstellen alle fünf Kilometer sind seine Fixpunkte. Die Standorte hat er bereits im Kopf gespeichert.

Von der Staffel zum Marathon – das ist die Idee der Hamburger Marathon-Veranstalter, als sie vor drei Jahren diesen Wettbewerb ins Programm nehmen. Die Strecke wird dabei in vier Abschnitte unterschiedlicher Länge aufgeteilt: 16,3 (bis zum Jungfernstieg), 11,2 (bis in die City Nord), 5,4 (bis zum Maienweg) und 9,4 Kilometer (bis ins Ziel an der Messe). „Wir wollen neue Läufer für den Marathon gewinnen. Mit der Staffel haben wir mit Distanzen von fünf bis 16 Kilometer ein niedrigschwelliges Angebot geschaffen, das die Leute anfixen soll“, sagt Frank Thaleiser, der Geschäftsführer der Marathon GmbH. Das ist gelungen. 219 Staffelläufer des Vorjahres wagen sich diesmal wie Greiser und Kosch allein auf die Strecke.

Die Staffel ist beim Haspa-Marathon schon im dritten Jahr zum Selbstläufer geworden. Die 1500 Startplätze sind im Nu ausverkauft. „Wir hätten locker 1000 mehr verkaufen können, doch wir wollen ein Marathon bleiben und kein Staffelrennen werden“, sagt Thaleiser. Mehr als 24.000 Teilnehmer verkraften die Straßen an Elbe und Alster nicht. Und zu den 6000 Staffelläufern sollen sich bei der 30. Auflage des Rennens 2015 wieder 18.000 Marathonis gesellen. Für den 4. Mai 2014 haben sich bislang 16.000 angemeldet.

Harald Vogelsang, 55, der Vorstandssprecher der Haspa, gehört 2013 neben Greisers und Koschs Abteilungsleiter Christian Bürrig, 35, zum Staffelquartett. Vogelsang läuft die 5,4 Kilometer, die kürzeste Strecke, diesmal will er sich auf einem längeren Abschnitt versuchen, irgendwann mal vielleicht beim Marathon. „Ich bin begeistert, dass zwei meiner Staffelkollegen diesmal als Einzelstarter den gesamten Marathon laufen“, sagt er. „Auch mir hat die Staffelteilnahme große Freude bereitet. Deshalb bin ich wieder dabei, wieder mit viel Spaß und einem super Publikum.“