Drei Möglichkeiten gibt es, um vorzeitig in die Rente zu starten: den Vorruhestand, Altersteilzeit und Lebensarbeitszeitkonten. Die letztgenannte Variante, bei der ein Mitarbeiter über Jahre seine Überstunden ansparen kann, um sie vor seinem regulären Rentenbeginn am Stück „abzufeiern“, wird bislang noch am wenigsten genutzt. „Doch seit einer Gesetzesnovelle im Jahr 2009 erfreuen sich Zeitwertkonten wachsender Beliebtheit“, sagt Carlos Drescher, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. Die Novelle hat dafür gesorgt, dass die Konten gegen Insolvenz des Arbeitgebers abgesichert sind. Wenn überhaupt sind es aber eher Großunternehmen, die ihre Mitarbeiter Lebensarbeitszeitkonten führen lassen, sodass das Modell für die meisten Berufstätigen noch keine Option ist.

Dafür aber Vorruhestand und Altersteilzeit. Beides sind enorm beliebte Modelle – bei Mitarbeitern wie Unternehmen gleichermaßen: Viele Beschäftigte wollen gern möglichst früh aus dem Job ausscheiden, viele Arbeitgeber interessiert die Möglichkeit, auf sozial verträgliche Art Personal abzubauen.

Oft bieten Arbeitgeber die Altersteilzeit ihren Beschäftigten offensiv an

Der große Unterschied: Wer in den Vorruhestand will, beantragt ihn bei seinem zuständigen Rentenversicherungsträger. Wer die Altersteilzeit anpeilt, spricht als Erstes sein Unternehmen an, konkret den Vorgesetzten, die Personalabteilung oder den Betriebsrat. „In der Regel wird das Angebot sogar vom Unternehmen an den Beschäftigen herangetragen“, sagt Annette Fresdorf, Expertin der Rentenberatung Murmann in Norderstedt.

Ob der Vorruhestand das richtige Modell für einen Beschäftigten ist, bespricht dieser am besten mit seinem Rentenversicherungsträger, in Hamburg sind das die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Nord, die DRV Bund oder die DRV Knappschaft-Bahn-See. Die Berater informieren, in welchen Fällen eine vorgezogene Altersrente überhaupt infrage kommt. Möglich ist sie unter Umständen für sogenannte langjährige Versicherte (mindestens 35 Jahre) und Frauen, die Jahrgang 1951 oder älter sind. Auch Arbeitslose, die mindestens 63 Jahre alt sind und 1952 oder früher geboren wurden, gehören zu den potenziellen Vorruheständlern.

Der Makel des Vorruhestands, außer bei Schwerbehinderten und unter gewissen Bedingungen bei den sogenannten besonders langjährigen Versicherten (mindestens 45 Jahre): „Er führt zur Kürzung der Rente“, erklärt Anwalt Carlos Drescher. „Und zwar in Höhe von 0,3 Prozent für jeden Monat, den man vorzeitig im Ruhestand verbringt.“ Darum hält der Arbeitsrechtler die Altersteilzeit für das vernünftigere Modell.

Wie die Lebensarbeitszeitkonten ist auch Altersteilzeit ein Modell, das hauptsächlich in größeren Unternehmen angeboten wird, wie Rentenberaterin Annette Fresdorf festgestellt hat. Bedingung ist eine bestimmte Firmengröße allerdings nicht. Organisatorisch und finanziell stecken größere Arbeitgeber die Altersteilzeit einfach nur besser weg. „Denn bietet man sie einer Reihe von Mitarbeitern an, muss man sie nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch allen anderen ermöglichen“, sagt Carlos Drescher. Wer eine kleine Firma mit spezialisierten Mitarbeitern führt, werde es wahrscheinlich eher vermeiden, die Abwanderung seiner Leute auf diese Art zu fördern.

Voraussetzungen für die Altersteilzeit gibt es quasi keine – außer, dass der Mitarbeiter mindestens 55 Jahre alt sein muss. „Ansonsten müssen sich einfach nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sein“, sagt Annette Fresdorf. Vor allem, was die Länge der Altersteilzeit angeht. „Theoretisch können das bis zu zwölf Jahre sein“, erklärt die Rentenberaterin. „Es sind aber auch ganz kurze Zeiten möglich.“ Am populärsten sei eine Laufzeit von fünf bis sechs Jahren.

Block- oder Gleichverteilungsmodell – was passt besser in die Lebensplanung?

Weitere Spielregeln leiten sich aus dem Altersteilzeitgesetz ab, etwa, dass es zwei Versionen gibt: das Block- und das Gleichverteilungsmodell. „Die Block-Variante ist die heute fast ausschließlich genutzte Form“, erklärt die Rentenberaterin. „Dabei bekommt man über die gesamte vereinbarte Zeit, zum Beispiel vier Jahre, sein halbes Gehalt zuzüglich einer Aufstockung durch den Arbeitgeber. Dafür arbeitet man in den ersten zwei Jahren weiterhin Vollzeit, in den letzten beiden Jahren überhaupt nicht mehr.“ Beim Gleichverteilungsmodell arbeitet der Beschäftigte über den vollen Zeitraum nur 50 Prozent – bei ebenfalls halbem Gehalt.

Einen Vorteil der Altersteilzeit streicht Anwalt Drescher heraus: Vom Gehalt werden weiterhin Rentenbeiträge gezahlt, sodass die Ansprüche, die der Mitarbeiter an die reguläre Altersrente hat, in dieser Zeit weiter wachsen. „In seiner Zukunftsplanung berücksichtigen sollte man aber unbedingt, dass sich die gezahlten Rentenbeiträge durch das halbe Gehalt verringern.“ Am Ende habe also auch die Altersteilzeit ein Minus bei der lebenslangen Altersrente zur Folge. Allerdings in wesentlich geringerem Maße als durch den Vorruhestand, denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, die geringeren Rentenbeiträge aufzustocken. Annette Fresdorf: „In die Rentenkasse gehen so Beiträge in Höhe von rund 90 Prozent dessen, was der Arbeitnehmer vor seiner Altersteilzeit an Beiträgen geleistet hat.“ Um vernünftig kalkulieren zu können, kann man sich das von seiner Personalabteilung ausrechnen lassen.

Übrigens: Je interessierter der Arbeitgeber daran ist, Personal abzubauen, desto bessere Konditionen kann man bei der Altersteilzeit herausschlagen. Das kann sich auszahlen in weniger Arbeitsstunden, die geleistet werden müssen, oder finanziell zum Beispiel durch höhere monatliche Zahlungen. „Da sind durchaus auch Abfindungen drin“, erklärt Carlos Drescher.

„Mit dem Ende der Altersteilzeit muss der frühestmögliche Rentenbeginn zusammentreffen“, sagt Beraterin Fresdorf. Sonst entsteht eine Lücke, die nicht nur durch fehlende Gehalts- oder Altersbezüge schmerzhaft werden kann. „Dann muss man sich auch selbst krankenversichern.“ Zwar könne man auch nach der Altersteilzeit wieder arbeiten gehen. Doch wer will darauf bauen, mit 60 plus noch einen Job zu finden? In diesem Zusammenhang weist die Rentenberaterin auf einen weiteren finanziellen Stolperstein hin: „Altersteilzeitmodelle sind oft so angelegt, dass sie nicht enden, wenn regulärer Rentenbeginn wäre, sondern wenn der Eintritt in eine vorgezogene Rente mit Abschlägen möglich wäre.“ Auch hier empfiehlt sie genaues Nachdenken und vor allem Nachrechnen – statt einfach nur so früh wie möglich den Job hinter sich lassen zu wollen.

Bei der Rentenplanung nicht zu knapp kalkulieren und Notfälle durchspielen

Auch Varianten wie Berufsunfähigkeit des Partners oder eine eigene Erkrankung muss man durchdenken. Fresdorf: „Ich rate dringend, an die Rentenplanung sehenden Auges heranzugehen. Das schönste Modell nützt nichts, wenn das Haus nicht abbezahlt ist.“ Doch was ist eigentlich, wenn man mit seinem Wunsch nach Altersteilzeit im Unternehmen Neuland betritt? Wenn man der Erste ist, der diesen sanften Weg Richtung Rente gehen will? „Man muss sich mit dem Arbeitgeber darauf verständigen“, erklärt Arbeitsrechtler Carlos Drescher. „Eine Betriebsvereinbarung braucht es dafür nicht.“ Umgekehrt heißt das aber auch: Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit. Will der Chef nicht mitziehen, hat der Arbeitnehmer keine Chance, seinen Einstieg in den Ausstieg durchzusetzen.

Viele weitere Informationen auf abendblatt.de/ratgeber/leben-in-hamburg