Ein Jugendlicher begeht die tödliche Brandstiftung an der Eimsbütteler Straße. Der Umgang damit ist nicht einfach

Hamburg. Wäre der 13-Jährige einfach an dem Haus in Altona vorbeigegangen, hätte seine plötzlich aufkommenden kruden Gedanken aus dem Kopf verbannt, wäre in den Bus gestiegen und zu seiner Mutter gefahren – drei Menschen würden noch leben. So aber sind eine Frau und ihre beiden Kinder an Rauchvergiftungen verstorben und viele andere Bewohner der Flüchtlingsunterkunft traumatisiert. Keine Frage: Hier hat jemand Schuld auf sich geladen, eine schwere Bürde, die ihn sein Leben lang begleiten und belasten dürfte. Die aber ansonsten nicht weiter bestraft werden wird, jedenfalls nicht im juristischen Sinne.

Dieser Umstand hinterlässt bei vielen trotz aller Kenntnisse der Gesetzestexte ein ungutes Gefühl, ein unbestimmbares Drücken in der Brust, das Gerechtigkeitsempfinden pocht nervös. Die Stärke eines funktionierenden Rechtsstaats besteht schließlich nicht nur darin, Missetäter aus dem Verkehr zu ziehen und durch Strafandrohungen abschreckend für mehr Sicherheit zu sorgen; er sorgt auch für den wichtigen seelischen Ausgleich all jener, die weder Opfer noch Täter sind, sondern ihr Leben in einem willkürfreien Umfeld führen und planen wollen.

Eine Strafe kann zwar das Geschehene nicht rückgängig machen, aber sie sorgt dennoch für eine Balance. Es wird etwas in die andere Seite der Waage geworfen, um diese ins Gleichgewicht zu bringen, um Rechtsfrieden zu schaffen.

Bei dem Wohnungsbrand in der Eimsbütteler Straße wird das nicht geschehen, weil der geständige Täter dafür noch zu jung ist. Für etwas oder an etwas schuldig sein – diesen Umstand begreifen schon zwar Kleinkinder, wenn sie erkennen, dass ihr Handeln als Ausdruck ihres Willens Veränderungen herbeiführen kann, die zuweilen gegen ihnen bekannte Leitlinien verstoßen. Eltern oder Kita-Erzieherinnen sanktionieren dieses Vorgehen dann – in unseren Zeiten hoffentlich nur noch mit Worten –, und ein Lerneffekt tritt ein. In der Frühphase der Pubertät brechen diese Muster dann häufig noch einmal auf, es kommt zu einer Neubestimmung des Ichs gegenüber diesem Regelwerk, Grenzen sollen möglichst erweitert werden. Zum Glück zeitigt das nur sehr selten so schlimme Folgen wie jetzt in Altona. Aber immerhin: Laut einer Statistik aus dem Jahr 2009 wurden in nur einem Jahr 96.627 Kinder als Tatverdächtige ermittelt, das sind 4,4 Prozent aller erfassten Straftaten gewesen. Oftmals handelt es sich um Diebstahl oder Sachbeschädigungen, aber auch Körperverletzungen sind schon darunter. Immer wieder werden im politischen Raum auch Forderungen laut, die juristische Grenze für eine Anklageerhebung zu senken, etwa auf zwölf statt 14 Jahre.

Doch was genau würde das in diesem konkreten Fall bringen? Nach einer ersten Einschätzung des bekannten UKE-Psychologen Michael Schulte-Markwort, der den Jungen befragt hat, wollte dieser keinesfalls Menschen töten oder das Haus in Brand stecken; aus einem Impuls heraus habe er in dem Eingangsbereich gezündelt. Das ist zwar, gerade für ein Mitglied der Jugendfeuerwehr, dumm und in seinen Folgen äußerst tragisch, aber durch die für Ältere geschaffenen Strafen nicht befriedigend zu sanktionieren.

Die zurückbleibende Unzufriedenheit mit diesem Umstand kann die Gesellschaft letztlich nur durch zwei Maßnahmen zu mindern versuchen: Sie muss dem Hinterbliebenen, der seine Familie verloren hat, beistehen, seelisch und materiell. Und sie muss dem Kind helfen, das Schuld auf sich geladen hat – und auch seiner Mutter, die sich sicherlich auch hinterfragen wird. Ausgleich lässt sich auf vielfältige Weise schaffen, nicht nur mit dem Gesetzbuch.