4713 Eltern unterstützen Online-Petition. Sie fordern bessere Betreuung und größere Räume. Unter den aktuellen Bedingungen ist eine gute Unterstützung der Kinder kaum möglich“, heißt es.

Hamburg. Es kehrt keine Ruhe ein: Fehlendes Personal, ungerechte Ressourcenverteilung und zu wenig Räume im Ganztag – das sind fast ein halbes Jahr, nachdem die ganztägige Bildung und Betreuung (GBS) an 200 Grundschulen eingeführt wurde, nach wie vor die großen Kritikpunkte. Der Ganztagsschulverband Hamburg warnt davor, dass die Stadt mit der Einführung der GBS „auf einem verhängnisvollen Weg“ sei.

18 Elternräte und der Bezirkselternausschuss hatten eine Online-Petition zur Verbesserung der ganztägigen Bildung und Betreuung gestartet. Den Eltern und den derzeit 4713 Unterzeichnern geht es vor allem um eine bessere Personalausstattung. „Damit sich Kinder im Ganztag entfalten können, braucht es gutes Personal. Unter den aktuellen Bedingungen ist eine gute Unterstützung der Kinder kaum möglich“, heißt es. Weitere Forderungen sind unter anderem eine bessere Verpflegung, die Pauschale für das Mittagessen in Höhe von 3,50 Euro sei zu knapp kalkuliert. An vielen Standorten sei die Essenssituation für die Kinder zudem unbefriedigend: „Da müssen Kinder in der Aula essen, es herrscht oft ein unerträglicher Lärm“, so Christian Martens vom Bezirkselternausschuss Eimsbüttel und Mit-Unterzeichner der Petition, die in Hamburg nicht gesetzlich verankert ist.

Die Petition hat aber immerhin zu einem ersten Treffen zwischen Schulbehörde und Elternvertretern geführt, weitere Gespräche sollen folgen. Weiterer Knackpunkt ist die Raumsituation. „Nach einem Schultag plus Hausaufgabenzeit sollten Kinder die Möglichkeit haben, sich auch außerhalb des Klassenraums zu erholen oder rumzutoben, statt zusammen in einem Raum zu bleiben. Dafür braucht jede Schule ein, zwei Extraräume – und eine entsprechende Aufsicht dafür“, so Martens. Eltern beklagten außerdem die mangelnden Absprachen zwischen Lehrern und Erziehern. Zur Erklärung: Bei dem GBS-Modell übernimmt ein Jugendhilfeträger oder Hort am Nachmittag die Betreuung der Schüler, die Schule organisiert den Vormittag. 125 der 200 Schulen sind solche GBS-Schulen.

Die Schulbehörde hält dagegen. „Die Personalausstattung gewährleistet eine vielfältige pädagogische Arbeit, die je nach Anforderung flexibel gestaltet werden kann“, sagt Sprecher Peter Albrecht. Im Schnitt beträgt die Gruppengröße der Kurse im Ganztag weniger als 15 Kinder. Nicht alle GBS-Kinder nehmen regelmäßig an fünf Werktagen an den Kursangeboten teil. Christian Martens widerspricht: „In der Praxis kommen wir zu einem anderen Ergebnis.“ Die Erzieher seien häufig mit Verwaltungsarbeiten beschäftigt. „Die Arbeitsstrukturen müssen zum Wohl der Kinder verbessert werden.“

Der Ganztagsschulverband Hamburg warnt davor, dass bei GBS die Qualität leide. Dieses Modell sei eine Mogelpackung und habe mit einer echten Ganztagsschule nicht viel zu tun. „Es ist zu befürchten, dass bei einer großen Fluktuation der GBS-Erzieher am Nachmittag und ohne eine inhaltliche Verzahnung des Vor- und Nachmittages diese Betreuung nicht zu einem besseren Bildungserfolg der Kinder beitragen wird“, sagt Karin Jessen vom Ganztagsschulverband.

Bei GBS dominiere der Betreuungsaspekt, bei „echten“ Ganztagsschulen, kurz GTS genannt, die Bildung. „Die echte Ganztagsschule wird zugunsten eines Betreuungsmodells ohne pädagogische Qualität und nachhaltige Wirkung zurückgedrängt“, meint Frau Jessen.

Für den Verband verhindert das GBS-Modell den Ausbau echter Ganztagsschulen, weil diese finanziell weniger attraktiv seien. „Die Tendenz geht dahin, dass zunehmend mehr GBS eingerichtet werden“, so Jessen. Denn diese würden personell und finanziell besser ausgestattet als GTS-Schulen, bei denen Schulen den Ganztag in eigener Verantwortung mit Lehrern, Erziehern und Honorarkräften organisieren. 75 Schulen arbeiten nach diesem Modell. Diese Schulen können Unterricht am Nachmittag in den Ganztag einbinden. Nach Angaben des Ganztagsschulverbandes wird ab 120 für die Nachmittagsbetreuung angemeldete Schüler eine zusätzliche Leitungskraft eingestellt – bei den „echten“ Ganztagsschulen aber nicht. Die Kooperationspartner der GBS erhielten eine größere Vertretungsreserve und mehr Geld für die Ferienbetreuung, insgesamt 20 Prozent mehr Mittel.

Laut Schulbehörde erklärt sich die Besserstellung für die GBS-Standorte dadurch, dass dort der Träger „Regiekosten“ aus eigenen Mitteln finanzieren muss, zum Beispiel Lohn- und Personalbuchhaltung. Aus der Schulbehörde heißt es: „Wir gehen davon aus, dass beide Modelle eine hervorragende Ausstattung des Ganztags ermöglichen.“