Große Marken verändern Bild der Innenstadt. Investoren planen an vielen Stellen zusätzliche Ladenflächen. Zunehmend kommen internationale Marken in die Hansestadt. Ein Überblick.

Hamburg. Der Jungfernstieg gilt seit jeher als Prachtboulevard, als Vorzeigemeile der Innenstadt. Hamburger Handelshäuser wie Mey&Edlich oder das Modehaus Beutin prägten vor wenigen Jahren noch das Gesicht der Straße. Heute sind es zunehmend internationale Marken wie Apple, die dort Publikumsmagnet sind. Der Jungfernstieg ist dabei nur ein Beispiel von vielen in der Hamburger City. Internationale, oft auch teure Markenhersteller drängen immer stärker in die Innenstadt, die zusehends ihr Aussehen verändert.

Modemarken, die sonst nur in internationalen Metropolen wie London zu finden waren, setzen vielerorts auch in der Hamburger Innenstadt ihre Duftmarken, das Modeunternehmen Abercrombie & Fitch sogar im eigentlichen Wortsinn, indem es aus der gerade restaurierten Alten Post die eigene Parfümmarke auf die Straße wabern lässt. „Hamburg wird immer internationaler, das Stadtbild verändert sich“, sagt City-Managerin Brigitte Engler.

Internationale Einzelhändler nutzen Hamburg jetzt als „Sprungbrett auf den deutschen Markt“, heißt in einer Studie des Beratungsunternehmens CBRE, das mittlerweile weiter eine große Nachfrage, aber zu wenig Angebote bei den Ladenflächen sieht. Schon komme es zu regelrechten Wettbewerben um gute Standorte, selbst hochwertige Möbelunternehmen würden in 1-a-Lagen wie am Neuen Wall immer mehr von Luxusmarken wie Burberry oder Lacoste verdrängt. Die aktuelle Spitzenmiete dort liege mittlerweile bei 270 Euro pro Quadratmeter.

Das lockt Investoren. Das Kölner Unternehmen Art Invest Real Estate beispielsweise hat erst im vergangenen Jahr eine Niederlassung in Hamburg gegründet. „Die Stadt gewinnt immer weiter an Attraktivität für deutsche und internationale Anleger“, sagt der Hamburger Geschäftsführer Jan Rouven Künzel. Das Pressehaus („Die Zeit") und eine weitere Immobilie am Domplatz hat Art Invest schon gekauft. Und das Unternehmen plant eines der vier neuen Großprojekte, die das Bild der Hamburger Innenstadt in nächster Zeit noch deutlicher verändern dürften:

Das Reichsbankgebäude:Vor einigen Monaten kaufte Art Invest am Rathausmarkt das alte Reichbankgebäude, wo zuletzt die HypoVereinsbank beheimatet war. Es soll mehr als 100 Millionen Euro gekostet haben. Sieben denkmalgeschützte Gebäude (1894 bis 1912 gebaut) mit prächtigen Sandsteinfassaden gehören zum Paket. Noch ist das endgültige Konzept nicht fertig, die Fassaden bleiben aber erhalten, dahinter sollen Büro und Einzelhandelsflächen entstehen. „Hochwertig“, natürlich.

Die Stadthöfe: Die genauen Pläne wurden kürzlich erst veröffentlicht: Aus der alten Baubehörde an der Stadthausbrücke will die Quantum AG für 250 Millionen Euro einen luxuriösen Einkaufspalast mit Hotel im Stil der Hackeschen Höfe in Berlin entwickeln.

Die Burstah-Lofts: Am Großen Burstah baut die Frankonia Eurobau derzeit ein neues, halbrundes Geschäftshaus mit 24 Loftwohnungen. 100 Millionen Euro werden hier investiert.

Allianz-Turm: Der Allianz-Büroturm am Großen Burstah ist seit Kurzem leer und soll abgerissen werden. Ein Neubau ist auch hier in Vorbereitung. Nebenan im Globushof wollen die Investoren auch Wohnungen entwickeln.

Doch was ist der Grund für diese rasante Entwicklung? Offenbar lockt das Shoppingangebot zusätzliche Touristen an, und durch die Touristen wächst auch das Shoppingangebot weiter. Hamburg wird als internationaler Einzelhandelsstandort mit besonderem Flair am Wasser stärker wahrgenommen, sagt City-Managerin Engler. Mehr kaufwillige Touristen, mehr schicke Läden, mehr Touristen – so könnte das Erfolgsrezept lauten. Aber auch die Kaufkraft in der Stadt selbst lockt Investoren, um gute Geschäfte zu machen. Nach Düsseldorf und München ist die Kaufkraft mit 22.768 Euro pro Jahr und Kopf an der Elbe die dritthöchste im Land. Und eine sehr stabile dazu. „Selbst während der Finanzkrise gab es in Hamburg keinen Einbruch“, sagt Art-Invest-Manager Künzel.

Oft wird heute eine Ansiedlung wie die von Apple von den Marketingabteilungen der Unternehmen selbst bezahlt. An einem internationalen und so kaufkräftigem Standort will man Flagge zeigen, „Flagshipstores“, heißt es denn auch in der Branche. Inhabergeführte Läden haben es schwer, dabei mitzuhalten. In Straßen wie der Spitalerstraße oder auch der Poststraße liegt der Anteil von Filialisten laut CBRE inzwischen bei mehr als 90 Prozent.

Doch welche Folgen hat dieser Boom? Entwickelt sich die Innenstadt zu einem Luxuspflaster, in dem nur sehr wenige Menschen wohnen? So wie Paris, wo die eigentliche Bevölkerung immer weiter in die Vorstädte gedrängt wird und bei Stadtsoziologen als Negativbeispiel gilt? „Die Entwicklung wirkt schon bedrohlich, wichtig ist, dass wir auf Durchmischung achten“, sagt etwa der Grünen-Politiker Michael Osterburg. Tatsächlich lebten in der heutigen Innenstadt (ohne HafenCity) vor dem Ersten Weltkrieg noch rund 65.000 Menschen, heute sind es nur noch etwa 12.000 Einwohner. Mit einem Innenstadtkonzept will der Senat deshalb versuchen, die Stadt wieder mehr zu beleben. „Ich würde mir auch mehr Wohnungen in der Innenstadt wünschen“, sagt City-Managerin Engler.

Doch der Architektur-Historiker und Autor Gert Kähler warnt vor der Illusion, dass sich eine Entwicklung wie sie derzeit in der Innenstadt zu erleben ist, stark beeinflussen lasse. „Das ist nicht steuerbar“, sagt er. Man könne einem Immobilienbesitzer eben nicht vorschreiben, dass er günstig an einen Tante-Emma-Laden vermieten muss. „Die Kinder von Tante Emma wollen auch gar nicht mehr bei Tante Emma einkaufen“, sagt Kähler. Und auch auf das Thema Wohnen in der Innenstadt sollte man nicht zu stark setzen, weil sich solche Lagen nicht gerade für ein familiengerechtes Wohnen anböten. „Man braucht dann auch Platz für Spielplätze, eine Kita vielleicht – und Schutz vor Lärm.“ Und selbst heutige Wohnungen seien in direkter Citylage auch oft teure „Zweitwohnsitze“ von Menschen, die sich das leisten könnten. Den Trend zur Internationalität in der City sieht Kähler allerdings nicht unbedingt negativ: „Das schafft auch Strahlkraft für die ganze Stadt“, sagt er.

Zudem gebe es in Hamburg im Vergleich zu anderen Metropolen mit der HafenCity eine Besonderheit: Sie sei eine Art Gegenpol, weil innenstadtnahes Wohnen dort auch zu bezahlbaren Preisen ermöglicht werden soll. Kähler: „Das ist ein Vorteil, den sonst kaum eine Stadt hat.“