Profis aus Restaurants und Handel verraten, welche Schneidewerkzeuge man zu Hause wirklich braucht – und wie man sie richtig behandelt.

Kein anderer Gegenstand in der Küche ist so wichtig und hat einen so großen Symbolwert wie ein Messer. Da gibt es Wunderwerke der Schmiedekunst mit vermeintlich märchenhaften Eigenschaften, die so teuer wie ein Auto sind. Doch was brauchen Köchin und Koch wirklich in der Küche? Müssen es Heiligtümer tausendjähriger asiatischer Zauberkunst sein, die jedem Schnitt durch eine Zwiebel mystische Kraft verleihen und dem Koch Tränen des Glücks in die Augen treiben?

Zur Beantwortung der Frage besuchen wir Orte in Hamburg, wo die Profis sitzen: erst im Schlachthofquartier die Feldstraße Nummer 26. Der Fachbetrieb für Gastronomiegeräte Hans Otto GmbH besteht dort seit 75 Jahren. Hier kaufen Großbetriebe, Kantinen, Restaurants, Fernseh- und Hobbyköche.

Das nüchtern sortierte Geschäft hat den Charme einer Mini-Ausgabe von 1000 Töpfe: Zwischen den Regalen mit vielen Edelstahlgeräten, Töpfen, Pfannen, Öfen, und Schüsseln steht Manfred Kubus im bunten Pullover. Der Chef hat hier als Lehrling angefangen, ist seit 48 Jahren in dem Geschäft. „Das Haus gehört der Fleischerinnung, und wo wir sind, war ganz früher eine Bank“, sagt er. Also: Was braucht der Hobbykoch, der professionelles Werkzeug zu Hause benutzen will?

„Nicht viel“, sagt Manfred Kubus. Drei bis vier Messer würden ausreichen. „Alles andere liegt nur in der Schublade rum.“ Brauchbar sind: ein großes, ein kleines Messer, eine Brotsäge und ein Spezialmesser.

Im Geschäft Hans Otto gibt es Messer in mehreren Qualitätsstufen. „Wer sich in der heimischen Küche engagiert, sollte die oberen Qualitätsstufen wählen“, sagt Kubus. Sein Sohn Patrick, ebenfalls Geschäftsführer in dem Geschäft, sucht die vier Messer aus einem Regal mit Dutzenden von Schneidegeräten. Hier seine Auswahl:

Erstens das sogenannte Kochmesser: „Es ist das Universalmesser in der Küche und schneidet auf dem Brett fast alles: Gemüse, Kräuter, Fleisch und Obst“, sagt Patrick Kubus. Erste Wahl ist ein Achtzöller: Ein 21 Zentimeter langes Messer mit breiter Schneide, das 262 Gramm schwer ist, und sich für Männer und Frauen eignet. Kochmesser haben breite Klingen, weil Köche alles, was sie schneiden, mit der Hand so krallenartig greifen, das die Fingernägel nach innen zeigen. Die Profis führen die breite Klingen an den ersten Knöcheln der Finger und können sich kaum verletzten. Warum sind die Messer so schwer?

„Das Messer ist durchgeschmiedet. Das heißt: Der Stahl geht durch den gesamten Griff und bringt Gewicht in die Hand. Es lässt sich so besser führen“, sagt Patrick Kubus. Weiterer Vorteil: Messer, die aus einem Stück geschmiedet sind, seien haltbarer. „Sie kosten etwas mehr als Messer, bei denen der Stahl nur in den Griff gesteckt ist“, sagt sein Vater. Es gibt auch längere Kochmesser für Köche, die mit Werkzeugen arbeiten wollen, die schon an Kurzschwerter erinnern.

Die Köchin Cornelia Poletto verwendet als Standard ein 30 Zentimeter langes Kochmesser. „Das ist für die Hausfrau am Anfang erst mal schwer, doch später weiß man es zu schätzen. Die TV-Köchin rät zu einer guten Qualität. „Das ist dann ein Anschaffung fürs Leben, wenn man das Messer gut behandelt“, sagt sie. „Lieber nur zwei Messer kaufen: ein Koch- und ein Office-Messer.“ Die Geschirrspülmaschine sei für gute Messer „tödlich“. „Salz, Säure und Hitze schädigen es.“ Besser sei es, das Messer einfach abzuspülen und zu putzen.

Kubus empfiehlt Messer von der Deutschen Traditionsschmiede Dick aus der Serie Premier plus mit einem Kunststoffgriff, das als achtzölliges Kochmesser um die 70 Euro kostet.

Das ist nur ein winziger Bruchteil des Preises eines brillantenbesetzten Kochmessers, das der Solinger Messerschmied Lars Scheidler (Nesmuk) aus 640 Lagen Damaststahl fertigt und für 80.000 Euro als „Jahrhundertmesser“ anbietet. Scheidler fertigt auch in der vierstelligen Preisklasse Messer, die Profi-Köche (und mehr als 20.000 Facebook-Nutzer auf der Nesmuk-Seite) in Verzückung geraten lassen. Bei Damaststahl werden unterschiedliche Stähle in Lagen verschmiedet, um Schärfe und Flexibilität zu erreichen.

Als zweites Messer empfehlen die Spezialisten von der Feldstraße das sogenannte Office- oder Gemüsemesser: Das ist neun Zentimeter lang, wiegt 70Gramm und hat eine schlankere Klinge. „Damit kann man Gemüse putzen, Kartoffeln schälen, den Strunk aus Tomaten herausschneiden und alle feineren Arbeiten ausführen. Etwa 30 Euro kostet das Office-Messer aus der Premier-Serie von Dick.

Als drittes Messer rät Manfred Kubus zu einem Sägemesser, um Brot zu schneiden, was der Wellenschliff vereinfacht. 34 Zentimeter lang und 90 Gramm schwer sind diese Messer im Schnitt. Sie kosten in der Profiqualität um 50Euro. Wer damit nur Brot schneidet, sollte nach Erkenntnissen der Experten ein Messer mit abgerundeter Spitze wählen. „Andere, wie zum Beispiel Fleischer, wählen ein Sägemesser mit einer spitzen Klinge zum Wurstschneiden. Mit der Spitze stechen sie die Pelle vor dem Schnitt an.“

Das vierte Messer ist dann eines für Spezialisten: ein sogenannten Ausbeinmesser, das eine dünne, flexible Klinge hat, die ganz besonders scharf ist. Sechs Zoll (25,2 cm) ist das „Flex“ von Dick lang, wiegt 90 Gramm. Man muss damit nicht zu Hause einen Ochsen zerlegen, doch es eignet sich zum Beispiel für Fisch gut. „Räucherlachs kann man hauchdünn schneiden und kleinere Fische filetieren. Das erfordert jedoch schon etwas mehr Erfahrung“. Eigentlich wurde das Messer zum Ausbeinen entwickelt: Fleisch wird damit vom Knochen gelöst. „Die Leute vom Dom kaufen dieses Messer jedoch gern, um damit Fischbrötchen zu schneiden“, sagt Manfred Kubus.

Der zweite Ort, an dem in Hamburg die Profis arbeiten, liegt an der Angerstraße (Hohenfelde) in der Gewerbeschule Gastronomie und Ernährung. Michael Mittelberger war jahrzehntelang Koch und bildet als Fachlehrer Köche aus. Auch er empfiehlt die vier genannten Messer. Ebenfalls für Köchinnen – und ebenso schwer. „Das Gewicht ist wichtig. Messer müssen gut ausbalanciert sein. Der Schwerpunkt muss knapp oberhalb des Griffes liegen.“

Das Wichtigste an einem Messer sei seine Schärfe: „Die Arbeit mit einem Messer muss Spaß machen, und dazu ist Schärfe die Grundvoraussetzung.“ Schärfe und wie man sie erreicht, kann jedoch unter den (männlichen) Messerliebhabern – besonders denen, die mit brillantbesetzten Griffen liebäugeln – zu stundenlangen Diskussionen führen. „Man muss es können“, sagen die Profis vom Schlachthofquartier. Zum Schärfen eignen sich: Wetzstahl, ein Schleifstein oder ein Spezialgerät.

Kochlehrer Michael Mittelberger verwendet einen Schärfstein mit 400er bis 600er Körnung. „Man zieht das Messer dazu in einem bestimmten Winkel ab. Um den richtigen Winkel zu finden, legt man eine Münze auf den Stein und das Messer mit dem Rücken auf die Münze“. Wichtig sei es, nach dem Schleifen mit einem Wetzstahl „die Atome wieder aufzurichten“.

Die richtige Scharfe gibt es auch im Untergrund St. Paulis an der Feldstraße. Man geht im Geschäft Hans Otto in den verwinkelten Keller. Meterdick sind die Wände. Hinter mehreren fast genauso dicken Panzertüren standen früher die Tresore einer Bank; heute steht hier eine auch schon Jahrzehnte alte Schleifmaschine mit drei Schleifsteinen, die der Industriemechaniker Thorsten Schulze bedient. Langsam summt ein Schleifstein von der Größe eines Autoreifens. „Ich habe es in der Schule gelernt und mache es heute nach Gefühl“, sagt er lächelnd und hält ein brandneues Messer an den Schleifstein.

Konzentriert schiebt er den Stahl nach rechts und links. „Bitte“, sagt er, „Fertig. Das Messer ist mindestens so scharf wie vorher.“ Thorsten Schulze schleift alles, „was sich schärfen lässt“. Fünf bis 50 Euro kostet das. Mehr unter www.ottos-gastroshop.de.