Kein Bundestagsmandat mehr, dafür viel Frust. Jetzt wird nach Gründen gesucht. „Die Zahlen sind niederschmetternd“, sagt Sylvia Canel. Es sein Signal, dass sich die Partei neu aufstellen müsse.

Einige scheinen schon um kurz vor 18 Uhr mit dem Wahlabend abgeschlossen zu haben: Mit herunterhängenden Mundwinkeln starren sie zu Boden, nippen an ihrem Bier, schütteln immer wieder den Kopf. Andere blicken nervös auf ihre Uhr, treten von einem Fuß auf den anderen. Auch der Appell von Hamburgs FDP-Landesvorsitzenden Sylvia Canel („Nehmen Sie ein Glas, damit wir fröhlich in die erste Hochrechnung gehen“) ändert nichts an der Anspannung unter den rund 150 Gästen im Spiegelsaal des Hotels Grand Elysée in Rotherbaum.

Obwohl es wohl viele geahnt haben, treffen die ersten Hochrechnungen die Wahlparty-Gäste wie ein Schlag ins Gesicht. Entsetzt blicken sie auf den Bildschirm. Ein enttäuschtes Raunen geht durch den Saal, als die Zahlen für die FDP angezeigt werden. Einige halten sich die Hände vor den Mund, weil sie nicht fassen können, was sie da sehen. Auch der stets locker-fröhlichen Sylvia Canel gelingt nur noch ein gequältes Lächeln. 4,5 Prozent: Das bedeutet für die FDP nicht nur, dass sie aus dem Bundestag rausfliegt. Vielmehr ist es der totale Absturz für die Partei – ein historisches Tief. Bisher lag der Tiefpunkt im Jahr 1969, damals waren es 5,8 Prozent der Zweitstimmen.

„Die Zahlen sind niederschmetternd“, sagt Sylvia Canel. Es sein Signal, dass sich die Partei neu aufstellen müsse. „Jetzt muss ein Ruck durch die Partei gehen“, fordert die 55-Jährige. Das desaströse Ergebnis dürfe jetzt jedoch nicht an Personen festgemacht werden, sondern an strategischen Fehlern, die die FDP innerhalb der Koalition gemacht habe. „Nach der Analyse können wir auch über Personen reden“, sagt Canel.

Während sich die Landesvorsitzende mit einem Bier an ihren Stehtisch zurückzieht, treten viele Gäste den Heimweg an. Im Selbstmitleid baden, nach Gründen suchen, Pläne für die Zukunft schmieden – davon haben sie für heute Abend genug. „Das ist alles entsetzlich“, sagt ein älterer Herr mit gelb-blau gestreifter Krawatte, während er sich den Mantel anzieht. „Aber vielleicht passiert ja noch ein Wunder.“ Die Hoffnung sollte sich nicht erfüllen.

FDP-Spitzenkandidat Burkhardt Müller-Sönksen, der seit 2005 im Bundestag sitzt, sieht nicht so aus, als glaube er noch an ein Wunder. Niedergeschlagen und mit zerknirschter Miene trottet er durch den Festsaal, sucht mit den Anhängern der FDP nach Erklärungen. „An den Inhalten hat es nicht gelegen“, sagt der 54-Jährige, da ist er sich sicher. „Sondern daran, wie wir die Inhalte dargestellt haben.“

Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren, bei der die FDP bundesweit mit 14,6, in Hamburg mit 13,2 Prozent abschnitt, zählten die Elbliberalen noch zu den echten Gewinnern. Damals konnten sie mit Sylvia Canel sogar eine zweite Abgeordnete nach Berlin entsenden. Endlich gab es für die FDP in Hamburg wieder einen Grund zum Jubeln. Jetzt zieht noch nicht mal Müller-Sönksen in den Bundestag ein. „Man kann auch mit Anstand und Würde verlieren“, betont er jedoch. Nach den Hochrechnungen 2009 war Müller-Sönksen noch mit stolz geschwellter Brust ins Hamburger Rathaus gegangen. Ein Moment, an den er sicher gerne zurückdenkt. Heute Abend fällt ihm dieser Gang sichtlich schwerer. „Es ist ein bitterer Weg“, sagt er mit gesenkter Stimme. Aber dann, mit letztem Optimismus: „Das ist kein Ende, das ist ein Anfang.“ Er selbst wolle nun wieder als Medienanwalt arbeiten.

Hamburgs Spitzenpolitiker zur Wahl/aktuell