Serie: Hamburgs Energienetze

„Warum ich für den Rückkauf der Netze bin“

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Alexander Porschke

Nabu-Chef Alexander Porschke begründet sein Eintreten für die Volksinitiative mit der Energiewende – die werde von den Energiekonzernen behindert.

Ich stimme beim Volksentscheid über die Netze für den Vorschlag der Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“. Ich denke, dass ein stärkerer öffentlicher Einfluss die Chancen für die nötige Energiewende vergrößert und sich aus den Erträgen der Netznutzung finanzieren lässt. Dafür besteht jetzt eine große Chance, die wir nicht ungenutzt lassen sollten.

Zum Schutz von Menschen und Umwelt müssen wir von der Nutzung der Atomenergie und der Verbrennung von Kohle wegkommen. Erneuerbare Energien können einen Teil der bisherigen Energieproduktion übernehmen. Es wird aber auch darauf ankommen, Energie effizienter zu nutzen. Dafür müssen unter anderem die schwankenden Angebote erneuerbarer Energien und industrieller Abwärme von verschiedenen Standorten besser an die ebenfalls schwankende Nachfrage an Energie angepasst werden. Für diesen Ausgleichsbedarf werden die Energienetze gebraucht. Der Netzbetreiber muss dabei zwar bestimmte Regeln beachten, hat aber immer noch ausreichend Möglichkeiten, die Einbindung von erneuerbaren Energien oder industrieller Abwärme zu fördern oder zu hintertreiben. Für eine wirkungsvolle Energiewende wird deshalb ein Netzbetreiber gebraucht, der ein Interesse hat, die Energiewende voranzubringen.

Vattenfall, E.on, RWE und EnBW beherrschen in Deutschland etwa 80 Prozent des Strommarktes, produzieren aber nur circa sieben Prozent der erneuerbaren Energien. Der deutsche Strommarkt ist per Gesetz so organisiert, dass die erneuerbaren Energien immer zuerst verkauft werden. Deshalb haben die vier großen Energieversorger ein Interesse daran, die Entwicklung erneuerbarer Energien abzubremsen, um ihre vorhandenen Kraftwerke besser ausnutzen zu können. Vattenfall steht dabei in Deutschland für einen besonders klimaschädlichen Kraftwerksmix. Der Treibhausgas-Rucksack war 2010 nach eigenen Angaben pro erzeugte Energieeinheit circa ein Drittel schwerer als im Durchschnitt der deutschen Kraftwerke. Von diesem Unternehmen die Förderung der Energiewende zu erwarten, erscheint mir deshalb ziemlich illusorisch.

Leider hat aber auch der amtierende SPD-Senat bisher wenig Ambitionen gezeigt, die nötige Energiewende tatsächlich voranzubringen. Die für Klimaschutz vorgesehenen Haushaltsmittel wurden drastisch zurückgefahren. Der Verkehrsbereich wurde von Sparvorgaben praktisch ausgenommen. Klimaschutzprojekte an Schulen wurden beendet. Dazu passt dann auch, dass das Ziel zur Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes, welches der Senat bis 2020 erreichen wollte, reduziert wurde. Das Bündnis von Vattenfall und Senat steht deshalb nicht dafür, die nötige Energiewende entschlossen zu vollziehen.

Vattenfall hat erkennbar das Interesse, mit den Energienetzen vor allem die eigenen Kraftwerke zu fördern. Das soll zwar eigentlich durch die Trennung von Netz- und Kraftwerksbetrieb verhindert werden. Aber leider hat das Unternehmen es schon in der Vergangenheit mit diesen Trennungsvorschriften nicht so genau genommen. Dass Vattenfall mit dem Netzbetrieb Geld verdienen will, ist ja verständlich. Aber ich fände es sinnvoller und zukunftsweisender, wenn die Verdienstmöglichkeit bei einem städtischen Unternehmen läge, welches außerdem ein großes Interesse an einer erfolgreichen Energiewende hat.

Die Kampagne der Gegner der Netzübernahme „Nicht mit meinem Geld“ empfinde ich als Beleidigung des Urteilsvermögens der Hamburger. Keine der schlecht gelaunt wirkenden Personen der Kampagne soll wirklich ihr Geld für das Netz geben. Tatsächlich sollte die Finanzierung der 100 Prozent für das Netz ähnlich verlaufen, wie schon der 25-Prozent-Anteil, den der Senat für angemessen hält: Ohne Haushaltsmittel und mit einer vernünftigen Dividende für die Stadt.

Ich meine außerdem, dass Monopole in der Energieversorgung nicht in private Hände gehören. Die Möglichkeit der Bundesnetzagentur, den Missbrauch der Monopolsituation privater Unternehmen tatsächlich zu verhindern, ist gering. So hat die staatliche Preisaufsichtsbehörde den Energieversorgern jahrzehntelang zu hohe Strompreise genehmigt. Mit Einführung von Wettbewerb in den 90er-Jahren wurde dann erkennbar, wie viel niedriger ein angemessener Strompreis sein konnte und wie stark die Energiemonopole die Verbraucher abgezockt hatten. Deshalb gehören Netz-Monopole für mich in die öffentliche Hand. So haben die Hamburger bereits in einem Volksentscheid für die Wasserversorgung so entschieden. Und auch beim öffentlichen Verkehr hat es sich m.E. bewährt, mit öffentlichen Unternehmen diese Daseinsvorsorge anzubieten.

Dazu ist der Erfolg der Initiative beim Volksentscheid eine notwendige Voraussetzung. Danach wird es darauf ankommen, dass der Senat bereit ist, die Entscheidung des Volkes auch umzusetzen. Der Bürgermeister hat schon öffentlich versprochen, dieses auch zu tun. Es wäre schön, wenn es auch dazu käme. Die Möglichkeit, die Energienetze unter öffentliche Kontrolle zu bringen, gibt es nur alle 20 Jahre. Bei der Fernwärme ist es sogar die letzte Chance. Lassen Sie uns deshalb am 22. September die Weichen für eine zukunftsfähige Energiewende stellen. Stimmen Sie wie ich für den Rückkauf der Netze!

Der Autor ist Vorsitzender des Nabu Hamburg und früherer Umweltsenator der Hansestadt

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