Spanien, Portugal, Griechenland – der Arbeitsmarkt braucht Nachwuchs aus dem Ausland

Für die Betroffenen ist es meist kein einfacher Schritt. Schließlich lassen sie ihre Familie, ihre Freunde, ihr Zuhause zurück. Sie beginnen an einem weit entfernten Ort neu – beruflich wie privat. Gemeint sind junge Südeuropäer, die derzeit nach Deutschland kommen, um in einem für sie fremden Land zu arbeiten, Geld zu verdienen. In ihrer Heimat ist dies kaum noch möglich. Hohe Arbeitslosenquoten – gerade bei Jugendlichen – von zum Teil mehr als 50 Prozent lassen keinen Platz für Träume von einem selbst bestimmten Leben, einer regelmäßigen Arbeit, vielleicht etwas Luxus.

Erst am Mittwoch begrüßte Bürgermeister Olaf Scholz in der Hansestadt 17 junge Menschen aus Südeuropa. Sie werden in einem Hotel oder Restaurant eine Ausbildung machen und danach – so hoffen die Betriebe – in Hamburg oder der Umgebung bleiben und arbeiten. Immer mehr Unternehmen in Deutschland setzen auf Personal aus Spanien, Portugal oder Griechenland. Fühlen sich die Beschäftigten wohl und sind die Firmen mit ihrer Arbeit zufrieden, kann man ohne Zweifel von einer Win-win-Situation sprechen.

Dabei sind die Bewerber aus Südeuropa nur ein kleiner Teil von vielen Beschäftigten aus anderen Ländern, die es nach Deutschland zieht. Schließlich ist die hiesige Wirtschaft bisher beinahe ohne Blessuren durch die europäische Schuldenkrise gekommen. Die Auftragsbücher vieler Firmen sind gut gefüllt, die Industrie hat sich mit modernster Technik exzellent für die Zukunft aufgestellt. Hinzu kommt ein prosperierender Dienstleistungssektor, in dem händeringend Personal gesucht wird. Die Zahl der Arbeitslosen ist bundesweit gering. Vielerorts gibt es deutlich mehr Stellen als Bewerber; exakt 119 sogenannter Engpassberufe verzeichnen die Arbeitsagenturen aktuell.

Dazu gehören Ärzte und Mechatroniker ebenso wie Klempner, Kellner oder Pflegekräfte. Die Gründe für diese Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist vielfältig. Fakt ist: Mit heimischen Arbeitskräften allein lässt sich die Lücke nicht schließen. Deutschland braucht Zuwanderer – und zwar schnell und in einer ausreichenden Zahl.

An osteuropäisches Pflegepersonal haben sich Patienten in Krankenhäusern längst gewöhnt. Der Asklepios-Konzern bildet bereits junge Tunesier in seinen Kliniken aus. Und Altenpflege-Einrichtungen liebäugeln nun sogar mit dem Einsatz von Personal aus Fernost. Die Globalisierung macht eben auch vor dem Arbeitsmarkt nicht halt. Sicherlich muss man die Frage stellen, warum die Arbeitgeber gerade im Dienstleistungsbereich nicht ausreichend Personal finden.

Die nicht besonders üppige Bezahlung als einzigen Grund zu nennen würde zu kurz greifen. Denn es gibt viele andere Berufe wie zum Beispiel Friseure oder Kosmetikerinnen, in denen man weit weniger verdient, die aber hierzulande dennoch begehrt sind. Die Mischung schreckt viele junge Deutsche ab: harte körperliche Arbeit, Schicht-, Wochenendbetrieb – und dann ein vergleichsweise mageres Einkommen. Nicht nur Pflegeeinrichtungen haben deshalb Nachwuchssorgen. Auch viele Handwerksbetriebe suchen vergeblich nach Auszubildenden und Gesellen.

Der deutsche Arbeitsmarkt – so viel steht fest – wird in den kommenden Jahren bunter. Man sollte diese Entwicklung als Chance und nicht als Risiko verstehen. Denn am Multikultiarbeitsmarkt führt kein Weg vorbei. Eine Zahl mag dies verdeutlichen: Bis 2050 wird es in Deutschland rund 4,2 Millionen Pflegebedürftige geben, die eine professionelle Betreuung benötigen. Das sind fast zwei Millionen mehr als heute. Wer soll diese Arbeit übernehmen, in einem Land, das eigentlich schon heute den Pflegenotstand ausrufen müsste?

Der Autor leitet das Wirtschaftsressort beim Hamburger Abendblatt