Rechtsanspruch auf Betreuung für Einjährige tritt in Kraft. Politik streitet darüber, wer sich dafür rühmen darf

Hamburg. Am Donnerstag wird der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für einjährige Kinder in Kraft treten. Das ist eigentlich ein Grund zur Freude. Denn nun wird Eltern in ganz Deutschland damit die Möglichkeit gegeben, ihr Kind möglichst früh betreuen zu lassen und damit Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Dennoch entbrennt über die Frage, wer sich denn für diese Errungenschaft rühmen darf, ein Streit unter den Parteien. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Umsetzung des Rechtsanspruchs als einen „weiteren wichtigen Schritt im Interesse der modernen Stadt“. CDU und FDP reklamieren dagegen den Anspruch auf den Erfolg für sich. Schließlich hätten sie diese Entwicklung mit ihrer Politik auf den Weg gebracht. Scholz schmücke sich mit fremden Federn.

Fakt ist: Hamburg setzt ein Bundesgesetz um. Bislang sah das Hamburger Kinderbetreuungsgesetz eine fünfstündige Kita-Betreuung inklusive eines kostenlosen Mittagessens für Zwei- bis Sechsjährige vor. Künftig werden rund 640 Kinder von dem neuen Rechtsanspruch profitieren. Das ist eine Schätzung des Senats – wie viele Eltern tatsächlich ihre Kinder betreuen lassen werden, wird sich erst im Laufe des Jahres zeigen. Die Kinder können in Kitas oder bei Tagesmüttern betreut werden – diese Entscheidung liegt allein bei den Eltern – im Hamburger Kinderbetreuungsgesetz ist ein Wahlrecht verankert. Die zusätzlichen Kosten betragen geschätzt 6,4 Millionen Euro im Jahr.

Senator Scheele spricht von einer Spitzenposition in Westdeutschland

Ab Donnerstag werden dann voraussichtlich 21.500 Kinder unter drei Jahren in Kitas und der Kindertagespflege betreut. Das entspricht einer Betreuungsquote von 43 Prozent für die Gruppe von Kindern in dieser Altersgruppe. Das sind nahezu doppelt so viele Kinder wie noch im März 2008. Sozialsenator Detlef Scheele betonte, dass Hamburg damit eine „klare Spitzenposition in Westdeutschland“ einnehme. Nicht alle Bundesländer könnten eine ausreichende Zahl von Kita-Plätzen anbieten. Der Senat habe dagegen sein Versprechen eingehalten, dass jedes Kind ab einem Jahr in Hamburg einen Platz in einer Krippe oder Kita bekomme. Hamburg gibt dafür gut 191 Millionen Euro aus, der Bund steuert mehr als 18 Millionen Euro bei.

Dass der Senat sich für den Ausbau zu sehr auf die Schulter klopft, findet Christoph de Vries, familienpolitischer Sprecher der CDU. „Die Einlösung des bundesweiten Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz ab dem ersten Lebensjahr ist ein Riesenerfolg der christlich-liberalen Bundesregierung, die für den Krippenausbau insgesamt 5,4 Milliarden Euro bereitgestellt hat“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete. Der politische Anteil der SPD an der gut ausgebauten Kita-Infrastruktur bezeichnete de Vries als bescheiden. Grundlage für die hohe Betreuungsquote Hamburgs im Krippenbereich sei das Kita-Gutschein-System aus der Feder des CDU-geführten Vorgängersenats.

Ähnlich äußerte sich auch der FDP-Familienpolitiker Finn Ole Ritter. „Das Kita-Gutschein-System wurde vor zehn Jahren gegen den Widerstand der SPD unter maßgeblicher FDP-Beteiligung eingeführt, heute ist es anerkanntermaßen die Grundlage für das Anwachsen der Kita-Plätze in Hamburg.“ Der weitere Ausbau der letzten Monate und Jahre habe aus seiner Sicht seine Ursache vor allem in der Förderpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. „Scholz‘ und Scheeles Wahlkampfmanöver mit fremden Federn ist durchschaubar“, meinte Ritter.

Die Opposition kritisiert mangelnde Qualität bei der Betreuung

Quer durch die Opposition zieht sich die Kritik, dass Hamburgs Kitas einen schlechten Betreuungsschlüssel aufweisen. Dieser liegt laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung bei eins zu 5,2. Ideal sei laut Stiftung ein Verhältnis von einem Betreuer auf drei Kinder. Christiane Blömeke (Grüne) sieht „Handlungsbedarf“, und Mehmet Yildiz (Linke) warnt vor „katastrophalen Auswirkungen“.

Scheele hat dies stets mit dem rasanten Kita-Ausbau begründet. „Unser vordringlichstes Ziel war es, dafür zu sorgen, dass ausreichend Betreuungsplätze zur Verfügung stehen. Dies war eine Kraftanstrengung.“ Scheele stellte in Aussicht, dass der Betreuungsschlüssel sich im kommenden Jahr verbessern könnte, wenn das Basisangebot in der Kindertagesbetreuung dann für die Eltern gebührenfrei sein wird.

Bürgermeister Olaf Scholz betonte, dass es ihm mit der Steigerung der Zahl der Kita-Plätze darum gehe, die „Lebensperspektiven und -chancen“ zu verbessern. Hamburg solle die kinderfreundlichste Stadt Deutschlands werden und sich mit den weltbesten Standards in Skandinavien messen. „Wenn Eltern Beruf und Familie miteinander vereinbaren können, profitiert davon auch die Wirtschaft.“ Es sei wichtig, jungen Leuten und Eltern zu zeigen, dass Hamburg eine Stadt sei, die sich auf deren Wünsche eingestellt habe und die ihnen die Chance geben wolle, hier glücklich zu leben und erfolgreich zu arbeiten.