Verkäufer von Praktiker appelliert angesichts der drohenden Pleite der Hamburger Baumarktkette an die Politik. Unternehmen will ertragsstarke Premium-Tochter Max Bahr retten.

Hamburg. Die Zeichen der Krise sind unverkennbar. Mit schwarzem Klebeband umhüllt stehen mehrere Paletten Laminat mitten im Praktiker-Baumarkt in Rahlstedt. „An die Kunden dürfen wir den Fußbodenbelag nicht mehr geben“, sagt ein Mitarbeiter. Die Lieferanten hätten einen Verkaufsstopp verhängt. Das treffe auch für Ytong-Steine, Elektrokleinartikel wie Lüsternklemmen oder Unterputzsteckdosen zu sowie für Spülbecken, die nun versteckt hinter einer Plastikfolie hängen. Kurz vor der Pleite versucht jetzt jeder zu retten, was noch zu retten ist.

Gerade hat die Hamburger Kette beim Amtsgericht wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Das Verfahren erstrecke sich insgesamt über acht Tochterfirmen, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Ein gesonderter Antrag für die Praktiker AG dürfte am Freitag nachgereicht werden. Als Insolvenzverwalter soll der Rechtsanwalt Christopher Seagon die Kette sanieren, wie die Heidelberger Kanzlei Wellensiek erklärte.

Hoffnung gibt es noch für das in der Hansestadt gegründete und hier mit besonders vielen Filialen vertretene Tochterunternehmen Max Bahr mit seinen derzeit 132 Märkten. Die Geschäfte sind von den Insolvenzanträgen derzeit ebenso wenig betroffen wie das vergleichsweise gut laufende Auslandsgeschäft des Konzerns.

Die Stimmung bei Max Bahr ist daher etwas besser als in den Praktiker-Märkten. „Wir hoffen, dass wir aus der Krise wieder rauskommen“, sagte ein junger Verkäufer im Geschäft an der Bargteheider Straße. „Vielleicht steigen die früheren Eigentümer aus Hamburg ja wieder ein“, hofft er.

Gemeint ist die Familie Möhrle, die Max Bahr im Jahr 2007 an Praktiker veräußert hatte. Doch eine solche Lösung ist ausgesprochen unwahrscheinlich. „Wir bedauern die jetzige Lage bei Praktiker und Max Bahr sehr“, sagte der ehemalige Eigentümer Peter Möhrle dem Abendblatt. Der über 80-Jährige äußerte sich darüber hinaus aber nicht.

Max Bahr war mit seinem serviceorientierten Konzept und einer weniger rabattorientierten Strategie zuletzt der einzige Lichtblick in dem angeschlagenen Praktiker-Konzern. Die Tochtergesellschaft, die offenbar schon frühzeitig von der kränkelnden Mutter abgeschottet wurde, befindet sich in einem Umstrukturierungsprozess. Im Zuge der Sanierung wurden 54 Praktiker-Märkte auf das erfolgreichere Max-Bahr-Konzept umgestellt.

Wollen Investoren ihren Einsatz retten?

In der Branche ist zu hören, dass hinter der Strategie, Praktiker, aber nicht Max Bahr in die Insolvenz rutschen zu lassen, lediglich der Versuch der Investoren steht, ihren Einsatz zu retten. Die besten Praktiker-Filialen seien bereits unter das Dach von Max Bahr gezogen worden, um sie für die Geldgeber zu sichern. „Es geht ihnen überhaupt nicht darum, den gesamten Praktiker-Konzern zu retten“, sagt ein Top-Mann der Baumarktszene. Und weiter: „Ich glaube, dass sie eigentlich noch mehr Filialen rüberziehen wollten. Aber die sinkenden Umsätze wegen des schlechten Wetters ließen das nicht mehr zu.“ Er sieht allerdings juristische Streitigkeiten auf die jetzigen Eigentümer zukommen: Gläubiger könnten klagen, um die Übertragungen von Praktiker-Filialen in Max-Bahr-Märkte rückgängig zu machen. So könnten größere Summen für die Insolvenzmasse gerettet werden, die den Gläubigern zugutekommen.

Rein formal haben die Kreditgeber die Hand auf der Gesellschaft. Die Märkte dienen als Sicherheit für Kredite über 75 Millionen Euro, die von der österreichischen Raiffeisen International, der Commerzbank, der Royal Bank of Scotland und anderen ausgegeben worden waren.

Die Gewerkschaft Ver.di bezeichnete die Insolvenz-Nachricht von Praktiker insgesamt als Tragödie für die Mitarbeiter. Sie seien bereit gewesen, für drei Jahre auf jeweils rund fünf Prozent ihres Jahresgehalts zu verzichten, teilte Ver.di mit. Ein entsprechender Tarifvertrag war im Oktober 2012 mit der Unternehmensführung abgeschlossen worden. Für Praktiker arbeiten insgesamt rund 20.000 Beschäftigte, jeweils 6000 sind bei den beiden Konzernmarken in Deutschland beschäftigt. In Hamburg hat die Gruppe insgesamt 1500 Mitarbeiter.

Die Krise der Baumarkkette hatte sich schon seit Langem abgezeichnet. Bereits vor einem Jahr war Praktiker mit Finanzspritzen von insgesamt 210 Millionen Euro vor dem Aus gerettet worden. Damals schwor der Vorstand dem Billigkonzept („20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“) ab, das Praktiker bekannt gemacht, aber auch in die roten Zahlen geführt hatte. Doch das Wetter, das vor allem für das wichtige Garten-Segment Bedeutung hat, durchkreuzte die Sanierungspläne, die von vornherein auf Kante genäht waren.

Verkäufer richtet Appell an Politiker

„Wie Sie alle wissen, war die Geschäftsentwicklung der Praktiker AG bis ins zweite Quartal 2013 hinein durch den schneereichen langen Winter, anhaltend niedrigen Temperaturen und einen damit verbundenen massiven Einbruch der Baumarktkonjunktur so stark beeinträchtigt, dass dadurch die positiven Effekte unserer Neupositionierung überlagert wurden“, heißt es in einem Brief des Vorstands an die Belegschaft, der dem Abendblatt vorliegt. Um Geld in die Kasse zu bekommen, gab es wieder hohe Rabatte und „Schlussverkäufe“ – nun auch bei Max Bahr. Nur durch Stundungen der Lieferantenrechnungen und andere Notmaßnahmen sei verhindert worden, dass Praktiker das Geld schon früher ausging, räumte der Vorstand ein.

In den vergangenen Tagen hatte sich die Lage von Praktiker dramatisch verschärft. Noch am Mittwoch war der Aufsichtsrat in der Hansestadt zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengekommen, um nach einer Lösung für die Probleme zu suchen.

Der österreichische Großaktionär Alain de Krassny, der über die Investmentfirma Donau Invest knapp zehn Prozent an Praktiker hält, war zwar bereit, mit anderen Geldgebern weitere 40 Millionen Euro nachzuschießen. Sie forderten aber zusätzliche Sicherheiten – zu viel aus Sicht der Banken. „Da wollte keiner mehr mitmachen, die Pleite war unvermeidbar“, sagte ein Banker. „Natürlich ist das eine Enttäuschung für mich“, sagte de Krassny. „Aber damit muss man leben, man kann nicht immer gewinnen. Für mich ist die Sache gelaufen.“ Praktiker habe nicht genügend Zeit für die Sanierung bekommen.

Ein Praktiker-Verkäufer setzte seine letzte Hoffnung am Donnerstag auf die Politik: „Die müssen irgendwas machen. Das sind 20.000 Leute. Wir sind hier immerhin in Deutschland.“