Hamburger Wissenschaftlerin untersucht Lieblings-Lebensmittel von Frauen und Männern. 40 Prozent aller Männer geben Fleisch als Lieblingsgericht an. Was ein Ernährungsberater empfiehlt.

Gesunde Ernährung – was ist das überhaupt? Rohkost, Obst und Vollkorn als Heilsbringer – und Torte als Sünde? Das Lebensmittelangebot ist riesig. Genauso groß ist das Angebot von Diäten und vermeintlich gesundmachenden Produkten. Auf dieses umfangreiche Gebiet hat sich die Hamburger Sozialwissenschaftlerin Dr. Pamela Kerschke-Risch begeben. Mit einem groß angelegten Forschungsprojekt will sie herausfinden, „wie und aus welchen Gründen sich Männer und Frauen bei der Lebensmittelwahl unterscheiden“. Bis November laufen dazu noch Interviews und Online-Befragungen.

Die ersten Ergebnisse: 40 Prozent aller Männer geben Fleisch als Lieblingsgericht an. Bei Frauen sind es nur halb so viele. Ein weiteres knappes Fünftel (18,5 Prozent) der Frauen bezeichnet ein vegetarisches Gericht als Lieblingsspeise. Bei Männern sind es zwölf Prozent. „Auffallend ist, dass beide häufig altbekannte Hausmannskost wie Rouladen, Braten und Knödel als Lieblingsgericht angeben“, sagt Pamela Kerschke-Risch. Laut der Studie verzichten 6,8 Prozent der Männer und 11,6 Prozent der Frauen auf Fleisch. Doch die Untersuchung soll weitergehen. Das ehrgeizige Ziel: Die Studie soll „theoretisch fundierte Erklärungen liefern und einen grundlegenden Beitrag zur Soziologie der Ernährung leisten“.

„Mit neuen Rollenmustern, neuen Produktionsmethoden und anderen Handelswegen wandeln sich die Ernährung und das Essverhalten“, sagt die Diplom-Soziologin. So habe sich der Gesundheitsbegriff geändert. Vollkornprodukte kamen früher bei den Bauern auf den Tisch, während die Reichen Weißmehl aßen. Vollkorn macht Adlige krank, hieß es damals. Auch der bei Männern so beliebte Fleischkonsum hat historische Gründe. „Das beste und größte Stück Fleisch war teuer und Männern vorbehalten, die körperlich hart arbeiten mussten.“ Einen Hinweis, wie groß die Bedeutung von Fleisch bei Männern heute noch ist, zeigt die Risikobereitschaft.

Männer seien grundsätzlich sorgloser im Umgang mit Lebensmitteln. „Die Studie zeigt, dass Frauen weniger Risiken eingehen. Doch bei der Frage, welches verdorbene, minderwertige oder gepanschte Lebensmittel Männer am stärksten fürchten, nennen die meisten Olivenöl“, sagt Pamela Kerschke-Risch. Vermutlich ist das so, weil Männer so gern Fleisch grillen und braten. Frauen schätzen dagegen das Risiko von Farbstoffen, anderen Zusatzstoffen und künstliche Aromen höher als Männer ein. Doch was ist für die Wissenschaftlerin denn nun gesund? Wie sieht es mit dem Stück Torte aus?

„Man kann auch mal über die Stränge schlagen und bei einem Geburtstag zwei, drei Stück Torte essen“, sagt sie. Wichtig sei, dass man nach Genuss und Geschmack geht. „Jeder Mensch weiß eigentlich, was schmeckt und was Genuss bietet und gesund ist. Und wann man satt ist“, sagt die Forscherin. Doch die Grundlage zu genießen sei bei einigen Menschen verloren gegangen. Für einen normalen Geschmackssinn sei es wichtig, die einzelnen natürlichen Produkte wahrnehmen zu können. Das sei auch eine Frage der Gewöhnung. Wer seinen Sinn für gesunde Ernährung verloren hat, muss das neu lernen. Wie geht das?

Als Beispiele führt Pamela Kerschke-Risch Süßstoff und das künstliche Vanille-Aroma an. „Wer das von Kindestagen kennt, verliert sein natürliches Geschmacksempfinden“, sagt sie. Denn sowohl Kunst-Vanille als auch Süßstoff würden ein ungesundes Hungergefühl erzeugen. Bei Süßstoff erwarte der Körper den energiereichen Zucker, und wenn der nicht komme, schalte er auf auf Hunger. Die Soziologin: „Die Folge: Man isst mehr als gesund ist. Deshalb wird Süßstoff auch in der Schweinemast eingesetzt.“ Lebensqualität bedeute nicht ein immer süßes Leben, sondern Vielfalt bei der Ernährung.

Zum Genuss gehöre auch eine Esskultur. In allen Kulturen erlebten die Menschen seit jeher einen größeren Genuss und positive Energie beim gemeinsamen Essen, das sei völlig normal.

Zu einer normalen, gesunden Ernährung gehört nach Erkenntnissen der Forscherin auch Gelassenheit und Selbstsicherheit. Daher dürfe man sich nicht von Diäten oder Modeerscheinungen manipulieren lassen.

Allgemein bekannt sei, dass zur gesunden Ernährung die Vielfalt und Ausgewogenheit der Nahrung gehöre, dass man auf manipulierte Produkte verzichten soll. Jeder kenne auch sein persönliches Wohlfühlgewicht. Um das zu halten oder überhaupt zu erreichen, solle man sein ursprüngliches Genussempfinden aktivieren. Die genauen Ergebnisse der Studie „Geschlechtsspezifische Aspekte bei der Lebensmittelwahl“ erwartet Pamela Kerschke-Risch gegen Ende des Jahres.