Der Senat will vor allem Singles mit großen Wohnungen für diese Idee gewinnen. Die Politik reagierte mit Kritik. Sozialbehörde will ermitteln, wie groß der Bedarf an Wohnraum tatsächlich ist.

Hamburg. Die Idee kommt von der Sozialbehörde: Hamburger Bürger sollen künftig Zimmer an junge Auszubildende untervermieten, weil viele der jungen Leute sich Wohnungen sonst nicht leisten können. Derzeit prüft die Behörde, in welcher Form sie für dieses Vorhaben werben kann. Das geht aus einer vertraulichen Senatsdrucksache hervor, die dem Abendblatt vorliegt.

Der Bedarf ist da. Zurzeit gibt es etwa 38.000 Auszubildende in der Hansestadt. Viele von ihnen wohnen sehr beengt oder müssen lange Anfahrten in Kauf nehmen. Der SPD-Senat hat als potenzielle Vermieter "insbesondere Singlehaushalte mit großen Wohnungen" im Auge. Sie könnten mit einer Kampagne "auf die große Nachfrage hingewiesen und gegebenenfalls davon überzeugt werden, ungenutzten Wohnraum an Auszubildende unterzuvermieten", heißt es in dem Papier.

Die Politik reagierte mit Kritik. "Statt dubiose Singlekampagnen zu prüfen, sollte der Senat endlich geeignete Grundstücke für ein Azubiwohnheim zur Verfügung stellen", sagte CDU-Wirtschaftsexpertin Karin Prien. Als "peinliches Ablenkungsmanöver, mit dem die Stadt ihre Verantwortung auf die Bürger abwälzen will", bezeichnete Grünen-Politiker Anjes Tjarks den Vorschlag. Auch der SPD-Wirtschaftsexperte Jan Balcke distanzierte sich: "Auf die Idee, dass Hamburger Privathaushalte Azubis aufnehmen sollen, wäre ich spontan nicht gekommen." Wirtschaft und Politik stünden aber in der Verantwortung. Es sei "ein gutes Signal, dass sich der Senat jetzt ausführlich mit dem Thema Wohnraum für Azubis beschäftigt und schon bald substanzielle Ergebnisse vorliegen".

Das Thema günstiger Wohnraum für Lehrlinge sorgt seit Jahren für Zündstoff. Im Prinzip sind sich Politik und Wirtschaft einig, dass zunächst ein Wohnheim mit 500 Plätzen entstehen soll. Die Stiftung Azubiwerk hat dazu bereits ein Konzept vorgelegt. Doch nachdem die Stadtentwicklungsbehörde das Thema nicht vorantreiben wollte, hatte auch die Sozialbehörde bislang wenig Erfolg. Als Pläne bekannt wurden, dass die Behörde 50 Auszubildende mit bis zu 496 Obdachlosen und Flüchtlingen in einer Wohnanlage in Wilhelmsburg unterbringen will, gab es parteiübergreifend heftige Ablehnung.

Die Sozialbehörde will nun ermitteln, wie groß der Bedarf an Wohnraum tatsächlich ist. Dazu sollen die Lehrlinge "bezüglich ihrer tatsächlichen und gewünschten Wohnsituation" befragt werden. Beim Azubiwerk sorgt dies für Unverständnis. "Wir haben bereits 2011 mehr als 500 Azubis zum Thema Wohnen befragt", sagt Geschäftsführer Patrick Fronczek. "Das Ergebnis liegt dem Senat seit mehr als einem Jahr vor und zeigt großen Bedarf."