Sechs ehemalige Vorstände der HSH Nordbank müssen sich wegen Untreue verantworten. Es geht um ein riskantes Geschäft von 2007. Hamburger Anwalt: “Das wird ein Verfahren mit historischer Bedeutung sein.“

Hamburg. Der Prozess gegen sechs ehemalige Vorstände der HSH Nordbank, der im Sommer vor dem Landgericht Hamburg beginnt, wird einen Rückblick in die bunte Finanzwelt vor Beginn der Krise 2008 bieten. Es war eine Zeit, in der man mit Milliardenbeträgen in Schattenbanken mit Namen wie Carrera, Poseidon und Omega, angesiedelt in den Steuerparadiesen Jersey und Guernsey sowie den karibischen Cayman Islands, jonglierte.

"Das wird ein Verfahren mit historischer Bedeutung sein", sagt der Hamburger Anwalt Gerhard Strate, der die Ermittlungen mit einer Anzeige im März 2009 angestoßen hatte. "Dies ist der erste große Prozess, in dem es um Fehlverhalten von Bankvorständen vor und während der Finanzkrise geht."

Verantworten müssen sich die früheren HSH-Chefs Dirk Jens Nonnenmacher und Hans Berger sowie die Ex-Vorstandsmitglieder Peter Rieck, Jochen Friedrich, Hartmut Strauß und Bernhard Visker. Die Anklage lautet auf "Untreue in einem besonders schweren Fall", daneben wird Nonnenmacher und Friedrich auch Bilanzfälschung vorgeworfen.

Alle sechs Angeklagten, die die Anschuldigungen entschieden zurückweisen, hatten am 19. Dezember 2007 mit ihrer Unterschrift ein Wertpapiergeschäft mit der Bezeichnung "Omega 55" genehmigt. Dies ist der Name einer sogenannten Zweckgesellschaft, die gemeinsam mit der französischen Großbank BNP Paribas gegründet worden war. In dieses Vehikel hatte die HSH Nordbank Immobilienkredite im Umfang von zwei Milliarden Euro eingebracht. Sie mussten daher nicht in der Bilanz 2007 ausgewiesen werden. Solche Auslagerungen sind laut Finanzexperten durchaus kein ungewöhnlicher Vorgang.

Nach Darstellung von Strate ging es in diesem Fall darum, mit Blick auf den damals noch ins Auge gefassten Börsengang "die Eigenkapitalquote heraufzuschrauben". Doch das Omega-Geschäft hatte noch einen zweiten Bestandteil: Die BNP Paribas brachte in der gemeinsamen Zweckgesellschaft ein Wertpapierportfolio über 820 Millionen Euro unter, das unter anderem isländische Anleihen und Zertifikate der US-Bank Lehman Brothers enthielt - Papiere, die die Franzosen gern loswerden wollten. Für 400 Millionen Euro davon musste die HSH das Risiko übernehmen. Wie groß dieses Risiko war, zeigte sich schon im Jahr darauf, als der Marktwert der Papiere drastisch einbrach.

Der Vorstand habe die Omega-Transaktion "nicht richtig geprüft und einfach durchgewinkt", sagt Strate. Dabei hätten die Landesbank-Manager unter hohem Druck der an einem Börsengang interessierten Anteilseigner, vor allem der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, gestanden.

Nonnenmacher-Verteidiger Heinz Wagner sieht den Prozess naturgemäß in einem ganz anderen Licht als Strate. "Zur Aufarbeitung der Finanzkrise wird das Verfahren nichts beitragen, es hat mit der Krise höchstens mittelbar zu tun", sagt Wagner. Nach Auffassung des Ahrensburger Rechtsanwalts, der früher als Strafrechtsprofessor an der Kieler Universität lehrte, steht im Zentrum einzig die Frage, ob die Angeklagten ein unvertretbares wirtschaftliches Risiko eingegangen sind - und davon kann aus Sicht von Wagner nicht die Rede sein.

Tatsache ist, dass im Jahresabschluss 2008 Abschreibungen von 500 Millionen Euro auf das Omega-Geschäft verbucht werden mussten. Damit trug die Transaktion allerdings nur zum geringeren Teil zu dem gesamten Fehlbetrag der HSH von 2,8 Milliarden Euro bei. Zudem erholten sich die Marktwerte der Risikopapiere wieder, sodass am Ende ein Verlust von ungefähr 150 Millionen Euro aus der Omega-55-Episode resultierte.

Auf den Geschäftsbericht 2007 und den Zwischenbericht fürs erste Quartal 2008 bezieht sich der Vorwurf der Bilanzfälschung: Das Omega-Geschäft war dort als normaler Kredit und nicht als riskantes Kreditersatzgeschäft verbucht worden. Dies sei nicht absichtlich geschehen, hatte Nonnenmacher bei früherer Gelegenheit gesagt: "Eine falsche Bilanz ist keine gefälschte Bilanz."

Schon seit mehr als eineinhalb Jahren ist keiner der sechs Angeklagten mehr Mitarbeiter der HSH Nordbank. Als Erster ging im November 2008, bald nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, der damalige HSH-Chef Berger. Er übernehme damit die Verantwortung für die Verluste der Landesbank infolge der Finanzkrise, hieß es dazu. Sein Nachfolger wurde Dirk Jens Nonnenmacher, bis dahin Finanzvorstand und seit Oktober 2007 im Unternehmen. Im März 2011 musste auch Nonnenmacher gehen - nicht wegen Omega, sondern hauptsächlich wegen verschiedener Skandale wie etwa der Bespitzelung von Kritikern der Bank durch eine von der HSH eingeschaltete Sicherheitsfirma.

Rieck und Friedrich verließen das Institut Ende 2009, ihnen wurden Pflichtverletzungen in Zusammenhang mit Omega 55 vorgeworfen. Risikovorstand Hartmut Strauß schied bereits 2008 aus gesundheitlichen Gründen aus. Bernhard Visker ging erst Ende August 2011 auf eigenen Wunsch.

Allen sechs Beschuldigten drohen nicht nur Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Auch ihr früherer Arbeitgeber könnte noch einmal auf sie zukommen: "Wir verfolgen die Vorgänge mit großer Aufmerksamkeit und werden prüfen, ob sich im Verlauf des Verfahrens für uns Schadenersatzansprüche ergeben", teilte die HSH Nordbank am Mittwoch mit.