Das Ziel ist billiger Wohnraum für Berufsanfänger: Die Planungen der Sozialbehörde für eine gemeinsame Unterbringung in Wilhelmsburg sorgen parteiübergreifend für scharfe Kritik. Auch in der SPD.

Hamburg. Die Pläne der Sozialbehörde, 50 Auszubildende gemeinsam mit bis zu 496 Obdachlosen und Flüchtlingen in einer Wohnanlage an der Hafenbahn in Wilhelmsburg unterzubringen, sorgen parteiübergreifend für Empörung. Eigentlich war dieser Standort für ein eigenständiges Auszubildendenwohnheim mit bis zu 500 Plätzen im Gespräch.

Der Bedarf ist groß, in Hamburg absolvieren zurzeit etwa 38.000 junge Menschen ihre Ausbildung. Als "skandalös" bezeichnete CDU-Wirtschaftsexpertin Karin Prien die Rolle des Senats in der "Posse um ein dringend benötigtes Azubiwohnheim". Dass die SPD-Regierung jetzt, nachdem sie dieses wichtige Anliegen wegen innerparteilicher Querelen jahrelang blockiert habe, anstatt der geplanten 500 Plätze zunächst 50 Plätze schaffen und die Auszubildenden gemeinsam mit Obdachlosen und Flüchtlingen in einer Anlage unterbringen wolle, sei vollkommen inakzeptabel.

Eine ähnliche Meinung vertritt Thomas-Sönke Kluth, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion: Es sei grober Unfug, minderjährige Auszubildende, für die ein pädagogisches Betreuungskonzept vorgehalten werden müsse, gemeinsam mit Obdachlosen unterzubringen. Selbst SPD-Wirtschaftsexperte Jan Balcke erteilt den Plänen der Behörde eine Absage: "Eine gemeinsame Unterbringung von Azubis, Flüchtlingen und Obdachlosen ist suboptimal und auch nicht den Unternehmen zu verkaufen, die sich in das Vorhaben Azubiwohnheim einbringen wollen." Patrick Fronczek von der Stiftung Azubiwerk, die gemeinsam mit der Wirtschaft und mit Unterstützung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bereits seit 2008 an der Realisierung eines Auszubildendenwohnheims arbeitet, ist nicht begeistert: "Bundesweit sind 60 Prozent der Azubis, die in Wohnheimen einziehen, minderjährig. Für diese ist ein familiengeprägtes Wohngebiet wünschenswert." Minderjährige Tür an Tür mit Obdachlosen unterzubringen sei nicht sinnvoll. Aber Fronczek gibt die Hoffnung nicht auf: "Unser Angebot an die Stadt besteht weiter. Am Standort An der Hafenbahn könnte mittelfristig Wohnraum für 500 Azubis entstehen. Wir würden das gesamte Gelände komplett neu gestalten und mit Neubauten ergänzen." Die Sozialbehörde muss zu ihren Planungen am Donnerstag im Wirtschaftsausschuss Stellung beziehen. Das sollten die Behördenvertreter bereits im März. Doch dann wurde dieser Punkt von der Tagesordnung genommen. Aus SPD-Kreisen heißt es: "Damit sollte der Behörde die Chance zum Nachbessern gegeben werden."

Aber das geht gar nicht mehr. Bereits Anfang März wurde von der Sozialbehörde ein Interessenbekundungsverfahren für den Standort An der Hafenbahn gestartet, um geeignete "Betreiber eines Azubi-Wohnheims mit 50 Plätzen zu ermitteln".

Das städtische Unternehmen fördern & wohnen (f&w) nutze bereits Teile des Objekts An der Hafenbahn 5-13, das sich im Eigentum des städtischen Wohnungsunternehmens Saga befindet, für die Unterbringung von Zuwanderern und Wohnungslosen, sagte Behördensprecher Olaf Dittman.

Mit Stand Ende Februar waren dort laut Behörde 142 Plätze mit Zuwanderern und 15 Plätze mit Obdachlosen belegt - insgesamt stehen 166 Plätze zur Verfügung. Doch diese Zahl soll sich deutlich erhöhen. Noch sind 330 weitere Plätze in der Wohnanlage von der Saga an Monteure und weitere Einzelpersonen vermietet. Aber in der Antwort des Senats auf eine Anfrage des Grünen-Wirtschaftsexperten Anjes Tjarks heißt es: "f&w und die zuständige Behörde beabsichtigen, die bisher durch die gewerblichen Nutzer belegten Plätze sukzessive in die öffentliche Unterbringung zu übernehmen." Nach und nach könnten dann weitere 330 Plätze mit Obdachlosen und Zuwanderern belegt werden.

Aus der Sozialbehörde, die von Senator Detlef Scheele (SPD) geführt wird, heißt es: "Diese Unterbringungsmöglichkeiten werden dringend benötigt", so Sprecher Dittmann. Deshalb könne es zu einer parallelen Nutzung des Areals durch verschiedene Gruppen kommen, so Dittmann weiter.

Die aktuelle Diskussion ist der vorläufige Höhepunkt in den von Streitigkeiten überlagerten Bestrebungen für ein Auszubildendenwohnheim. Fakt ist: Die Stiftung Azubiwerk i.G. hat ein Konzept vorgelegt, das von namhaften Unternehmen, der Handelskammer und der Politik unterstützt wird. Doch die von Senatorin Jutta Blankau (SPD) geführte Stadtentwicklungsbehörde hatte kein Interesse, das Vorhaben zu unterstützen. Doch zahlreiche Sozialdemokraten waren anderer Meinung, und deshalb wurde die Sozialbehörde mit einem Konzept beauftragt.

Grünen-Wirtschaftsexperte Anjes Tjarks kritisiert: "Anstatt dieses wichtige Anliegen umzusetzen, streitet sich die SPD hinter den Kulissen wie die Kesselflicker. Es ist peinlich, dass nun anstatt 500 Plätzen nur noch 50 in dem fragwürdigen Konzept der Behörde auftauchen." Die SPD hatte im Dezember 2011 einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht. In diesem wird der Senat aufgefordert zu prüfen, inwiefern die Stiftung mit einem geeigneten Grundstück unterstützt werden kann. Zum anderen solle überprüft werden, "wie ein einmaliger städtischer Beitrag zur Finanzierung des Starts der Stiftung realisiert werden kann." Der Antrag wurde bis heute nicht beschlossen.