Das neue Logo soll Klarheit über die Herkunft regionaler Produkte schaffen. Eine erster Test in Hamburg läuft aber holprig.

Hamburg. Die Herkunft seiner Würste und Schinken ist Karl Wolfgang Wilhelm wichtig. Schweinefleisch bezieht der Inhaber der Othmarscher Fleischerei Mundgerecht ausschließlich von einem Hof in der Haseldorfer Marsch im Kreis Pinneberg. Lammfleisch kommt von einer Schäferei in Nordstrand und Rindfleisch von Holsteiner Färsen, die in Seestermühe bei Elmshorn geschlachtet werden.

"Unsere Kunden sehnen sich nach heimischen Produkten und erwarten, dass sie möglichst kurze Wege zurückgelegt haben", sagt Wilhelm. "Bei jedem Lebensmittelskandal steigt unsere Nachfrage." Und das, obwohl das Fleisch, das Wilhelm in seinem Laden an der Liebermannstraße verkauft, rund 30 bis 40 Prozent teurer ist als in großen Supermärkten.

Um die Herkunft seiner Produkte belegen zu können, setzte Wilhelm bislang auf selbst entwickelte Marken wie Holstenland und umfangreiche Infoflyer. Seit Kurzem prangt nun aber auch ein blau-weißes Regionallogo in seiner Theke, verbunden mit dem Hinweis, dass sein Fleisch zu 100 Prozent aus Schleswig-Holstein stammt.

Dieses sogenannte Regionalfenster ist eine Idee von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner, mit dem die CSU-Politikerin für mehr Klarheit bei der Kennzeichnung heimischer Lebensmittel sorgen möchte. Denn so groß die Begeisterung für regionale Produkte ist, so groß ist auch das Wirrwarr unterschiedlicher Logos. Eine "transparente, übersichtliche und verlässliche" Kennzeichnung sei unerlässlich, sagte Aigner auf der Grünen Woche, als sie das neue Siegel vorstellte. Immerhin sei es für 67 Prozent aller Verbraucher wichtig, aus welcher Region ihre Lebensmittel stammten.

Tatsächlich ist der Etikettenschwindel mit angeblich heimischen Produkten enorm. So verkauft etwa die Kieler Handelsgruppe Coop in ihren Sky- und Plaza-Supermärkten seit Jahren ungeniert die Marke "Unser Norden". Unter den Produkten mit diesem Label finden sich auch Kaffee, Reis und Roibuschtee, deren Anbau in Norddeutschland bekanntlich eher selten stattfindet. Auf Nachfrage rechtfertigt eine Sprecherin die regionale Kennzeichnung mit dem Hinweis, dass die Lebensmittel zumindest in Norddeutschland veredelt oder abgepackt würden. Die braunen Bohnen für die Regionalmarke liefert etwa der Hamburger Kaffeekonzern J.J. Darboven.

Mit dem wohligen Heimatgefühl spielt auch die Feinkostmarke "Meine Hanse". In einem Rewe-Markt in der Europapassage entdeckte die Verbraucherzentrale Hamburg jedoch einen Wiesenblütenhonig mit diesem Logo, dessen Inhaltsstoffe aus Argentinien stammten.

Auch die Sauce Sylter Salatfrische des Unternehmens Zum Dorfkrug stammt keineswegs von der liebsten Ferieninsel der Hamburger, sondern aus schnöden Fabrikhallen in Neu Wulmstorf - worauf der Hersteller Thomas Hauschild immerhin klein auf dem Etikett der grün-weißen Flaschen hinweist.

Bei großen nationalen Herstellern sieht es kaum besser aus. Hohes C Heimische Früchte enthält neben Apfel- und Holunderbeersaft beispielsweise auch Saft der mexikanischen Acerolakirsche. Und Schwarzwälder Schinken des größten deutschen Herstellers Abraham aus Seevetal wird zwar in der Region geräuchert, das Fleisch jedoch kommt aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland.

Bei dem neuen Regionalkennzeichen aus dem Hause Aigner muss nun zumindest die Hauptzutat eines Produkts zu 100 Prozent aus einer zuvor definierten Region stammen, wobei diese ein Landkreis, ein Bundesland oder Gebiet mit Angabe des Radius in Kilometern sein kann. Kontrolliert wird dies über Lieferverträge, die die Unternehmen einem Prüfer vorlegen müssen.

Bis April soll die neue Kennzeichnung in Testmärkten in ganz Deutschland erprobt werden. Neben der Othmarscher Fleischerei nehmen in Hamburg auch noch der Obermeister der Fleischerinnung und der Biobäcker Thomas Effenberger an der Aktion teil. Die Hamburger Supermarktkette Edeka testet das Regionallogo ebenfalls, allerdings nicht in der Hansestadt, sondern in Baden-Württemberg, wo heimische Produkte bislang unter der Marke "Unsere Heimat echt & gut" angeboten werden. Auf diese Weise wolle man die Transparenz und Glaubwürdigkeit regionaler Produkte fördern, heißt es aus der Zentrale in der City Nord.

Verbraucherschützer stehen dem Regionalfenster allerdings ausgesprochen skeptisch gegenüber. Der Hauptkritikpunkt: Bei dem neuen Logo handelt es sich nicht um ein verbindliches Siegel, sondern lediglich um eine freiwillige Kennzeichnung. Vergeben wird sie nicht von staatlichen Stellen, sondern von einem Trägerverein, zu dem vor allem die großen Handelsgruppen gehören.

"Für den Verbraucher wird die Verwirrung durch ein weiteres, unverbindliches Siegel nur noch größer statt kleiner", sagt Oliver Huizinga von der Organisation Foodwatch. Mit der freiwilligen Kennzeichnung anstelle einer Initiative für verpflichtende Herkunftsangaben decke Aigner nur "die allgegenwärtigen Herkunftsschummler".

Foodwatch fordert, die Hersteller zu verpflichten, die Ursprungsländer der Hauptzutaten ihrer Produkte anzugeben. Mit Regionalität dürfe nur dann geworben werden, wenn dies durch die Herkunft der Zutaten gedeckt sei und die Ursprungsregion - für Deutschland mindestens bundeslandgenau - für alle Zutaten angegeben werde.

Auch Karl Wolfgang Wilhelm von der Fleischerei Mundgerecht findet, dass die neue Regionalkennzeichnung verpflichtend werden müsste. "Sonst ist dem Missbrauch nach wie vor Tür und Tor geöffnet", sagt er. Biobäcker Thomas Effenberger ist der Meinung, dass das Kennzeichen zwar in die richtige Richtung geht, allerdings nicht weit genug. Er bezieht das Getreide für seine Brote und Brötchen aus einem Umkreis von 100 Kilometern um die Hansestadt und hat dies für sich als "Metropolregion Hamburg" definiert. "95 Prozent unserer Zutaten kommen aus diesem Bereich, das sollte auch für das neue Kennzeichen verpflichtend sein", sagt er.

Darüber hinaus stellt sich die generelle Frage, inwieweit Regionalität auch gleichzeitig ein Kennzeichen für Qualität darstellt. So hat der dritte Hamburger Testbetrieb von Fleischermeister Michael Durst Geflügelwurst aus der eigenen Herstellung als regional ausgewiesen. Da Geflügel im Stadtstaat Hamburg aber nicht im größeren Stil gehalten wird, bezieht es der Obermeister der Innung aus Niedersachsen und gibt als Herkunftsregion "Oldenburger Münsterland" an. Was für den Laien idyllisch klingt, ist nichts anderes als das Zentrum der deutschen Fleischproduktion. Die Landkreise Cloppenburg und Vechta sind berüchtigt für ihre Agrarfabriken und ihre Massentierhaltung.