In Wilhelmsburg findet die Gartenschau statt. Die Pflege der städtischen Grünanlagen aber ist chronisch unterfinanziert. Das muss sich ändern.

Silbersommer ist ein Staudenmix, der sich auch im rauen Alltag öffentlichen Grüns bewährt, etwa vor Behörden und auf Verkehrsinseln. Entwickelt wurde die Mischung aus Gräsern, Bodendeckern und Langblühern in den 1990er-Jahren eigens für pflegereduzierte Grünanlagen. Sie wird mit Substrat auf Schotter oder Splitt ausgebracht, muss nur am Anfang gewässert werden und sorgt dann quasi für sich selbst, erklärt ein Professor aus Weinheim den Zuhörern in der Handwerkskammer Hamburg. Der Pflegeaufwand beträgt im vierten Jahr nur noch zwei Minuten pro Quadratmeter, hauptsächlich für das Mähen Ende Februar. Die Teilnehmer der GaLaBau-Fachtagung 2013 - Gartenarchitekten, Landschaftsgärtner, Gartenbauingenieure - hören interessiert zu. Ihnen ist der Begriff "reduzierter Pflegeaufwand" längst bekannt.

Silbersommer ist hübsch anzusehen, sogar im Winter. Aber auch symptomatisch. Während für die Internationale Gartenschau (igs) 2013 in Wilhelmsburg ein wirklich schöner Park mit Sport-, Freizeit- und Gartenarealen entsteht, wollen die Klagen über vernachlässigte Grünflächen im restlichen Hamburg nicht enden. Gleichzeitig wird neuer Wohnraum geschaffen, Großprojekte wie Neue Mitte Altona und Pergolenviertel stehen in den Startlöchern, die "Verdichtung" der Stadt ist auf dem Weg. Geraten Verdichtung und Grün in Konkurrenz? Ist Grünkosmetik mit Fertigmischungen dann das Rezept der Zukunft? Das fragen sich nicht nur Landschaftsgärtner.

Hamburg habe in diesem Jahr "die Chance, eine Vorreiterrolle zu spielen", sagt Thomas Schmale, Vorsitzender des Fachverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Hamburg. Vor allem die bevorstehende igs hat für eine gute Auftragslage gesorgt. Aber Schmale setzt hinzu: "Es darf nicht sein, dass wegen Leuchtturmprojekten die vorhandenen Parks vernachlässigt werden." Nach einem Rückgang der Ausgaben für Stadtgrün in den vergangenen Jahren seien die Mittel nun wieder aufgestockt worden. Aber: Sie reichen nicht.

2010 bis 2012 hat die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) den Bezirken jährlich Sachmittel in Höhe von 14,9 Millionen Euro für deren Betriebsausgaben für Grünanlagen, Spielplätze und bezirkliche Friedhöfe zugewiesen. 2012 erhielt davon der Bezirk Mitte 4,49 Millionen, Altona 2,0 Millionen und Nord 1,8 Millionen Euro (ohne Personalmittel). Aber der Landesrechnungshof stellte fest, dass die zur Unterhaltung bereitgestellten Haushaltsmittel "nicht ausreichen, um den Erhalt des Anlagevermögens der Spielplätze und Grünanlagen zu ermöglichen", und errechnete einschließlich der Personalressourcen einen jährlichen Fehlbedarf von 22 Millionen Euro: "Der Unterhaltungsbedarf für Grünanlagen und Spielplätze kann nur zu rund 55 Prozent abgedeckt werden."

Für 2013 veranschlagt die BSU nun 16,3 Millionen Euro, 2014 sollen es 18,8 Millionen sein. Mitte erhält 2014 dann 6,4 Millionen Euro (u. a. für Planten un Blomen, Hammer Park, Öjendorfer Park); Altona (u. a. Altonaer Volkspark) erhält 2,6 Millionen, der Bezirk Nord 2,4 Millionen (u. a. für den Stadtpark). Der Fehlbetrag vermindert sich laut Rechnungshof damit auf rund 13 Millionen Euro, es bleibt aber ein Unterhaltungsdefizit von rund 34 Prozent.

Das ist nicht das einzige Problem. Hamburg hat rund 245.000 Straßenbäume, deren Verkehrssicherheit ständig kontrolliert und gewährleistet werden muss. Das heißt: Ein besonders großer Teil der Mittel für öffentliches Grün fließt in die Pflege von Straßenbäumen. Auch hier verzeichnet die BSU seit Jahren ein Defizit: An 30 bis 40 Prozent der Bäume werden Maßnahmen zur Verkehrssicherheit notwendig, wovon 70 Prozent nicht ausgeführt werden können. Ein weiterer Anteil der Mittel muss in die Spielplatzsicherheit fließen, was EU-Richtlinien vorschreiben. "Der gestaltende Gärtner", sagt ein früherer Gartenbauamtsleiter, "ist nur noch das fünfte Rad am Wagen."

Und dann gibt es noch das Problem des Vandalismus. Der Bezirk Mitte musste 2012 rund 14.400 Euro allein für Reparaturen und die Beseitigung von Vandalismusschäden im Hammer Park ausgeben. Das Bezirksamt Nord zählte 2012 rund 350 Verstöße gegen das Gesetz über Grün- und Erholungsanlagen - gegenüber 243 Fällen im Jahr 2010 eine Erhöhung um fast 50 Prozent.

"Vandalismus ist so alt wie die Geschichte der Gärten", sagt der Landschaftsarchitekt Professor Udo Weilacher, "selbst in den berühmten Herrenhäuser Gärten in Hannover wurde 1777 die Parkordnung in Stein gemeißelt: 'Nicht nach den Schwänen werfen.'" Aber er räumt ein, dass Parkvandalismus den Kommunen heute enorme Kosten aufbürdet, die eigentlich in die Pflege der Parks fließen sollten.

Denn die werden in einer zunehmend dichter bebauten Stadt immer wichtiger. Gerade Hamburg hat ein bedeutsames Erbe: Der Stadtpark und der Altonaer Volkspark waren vor 100 Jahren die größten und modernsten Volksparks in Deutschland, europaweit beachtete Reformprojekte der Gartenbaukultur. Der Ohlsdorfer Friedhof, 1877 eingeweiht, ist immer noch der größte Parkfriedhof der Welt. Die großen Parkanlagen sind Hamburgs grünes Kapital. Aber Hamburgs jüngste, der Ballinpark, ist ein Rasenstreifen mit vereinzelten Bäumen. Die HafenCity ist ähnlich spärlich begrünt. Besteht das Grün der Zukunft aus Rollrasen mit vorgezogenen Fertigprodukten?

"Das Bild vom Park, das wir im Kopf haben, ist der alte englische Landschaftspark des 18. Jahrhunderts", sagt Weilacher, "aber müssen Parks immer so aussehen?" Nein: Der Park Fiction über der Hafenstraße ist kein Park im traditionellen Sinn, sogar die Palmen sind dort aus Kunststoff. Dennoch wird er intensiv genutzt und ist bei den Bewohnern von St. Pauli ungemein beliebt. Es ist die Vielfalt an Grünflächen, die Hamburgs Zukunft prägen wird, sagt Weilacher. Zumal die Stadt sich nicht länger vor einer Verdichtung drücken und ins Umland ausdehnen könne (siehe Interview).

Dieser unbequemen Wahrheit stellen sich viele Deutsche erst allmählich. Die Bürgerbefragung Urban Audit, die 2006 in 15 deutschen und vielen europäischen Städten durchgeführt wurde, zeigte allerdings, dass die Verdichtung an sich gar keine Auswirkung auf Wohlgefühl und die empfundene Lebensqualität hat. 94 Prozent der Münchner, die in der Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte leben, äußerten sich überwiegend bis sehr zufrieden mit ihren städtischen Grünflächen. Im weniger dicht besiedelten Hamburg waren es etwa genauso viele (89 Prozent), ebenso im nur halb so dicht besiedelten Dresden (91 Prozent).