Weil ihre Zahl in Hamburg beständig sinkt, soll bald eine Datenbank die Suche erleichtern. Stadt unterstützt die Alternative zu Kitas.

Hamburg. Julia Leuther zu finden ist nicht ganz so schwierig. Für Passanten ist unübersehbar, dass in den hellen Räumen in der Straße Heidberg in Winterhude Kinder betreut werden. Die 29-jährige Tagesmutter betreibt gemeinsam mit zwei Kolleginnen das Möwennest, einen Tagespflegezusammenschluss, der zwölf Kinder betreut.

Anders als Kindertagesstätten sind Tagesmütter bislang aber deutlich stärker auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen - eine zentrale Internetseite wie für Kitas mit allen Einrichtungen gibt es für Hamburger Tagesmütter nicht. "Das hat mit dem Datenschutz zu tun. Wir sind aber inzwischen dabei, eine Datenbank anzulegen. Wer möchte, kann sich dort bald registrieren", sagt Anja Reinke, Vorsitzende des Vereins Hamburger Tagesmütter und Tagesväter.

Weil die Zahl der Tagesmütter in Hamburg seit Jahren zurückgeht, steuert die Sozialbehörde mit einer Imagekampagne dagegen. Sozialsenator Detlef Scheele betont: "Die Kindertagespflege ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Kindertagesbetreuung in Hamburg. Mit ihrem Angebot ist sie vor allem für Eltern mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten eine sinnvolle Ergänzung zur Kita-Betreuung."

Nicole Serocka, Sprecherin der Behörde, erklärt die Pläne: "Zentrales Ziel der Imagekampagne ist eine verbesserte Information von Eltern zur Kindertagespflege sowie die Verbesserung des Images der Kindertagesbetreuung durch Kindertagesmütter und -väter." Mehrere Informationsbroschüren würden derzeit überarbeitet und an geeigneten Stellen ausgelegt werden, etwa bei Kinderärzten, Entbindungskliniken, Elternschulen, "sodass möglichst viele Eltern die Informationen vor ihrer Entscheidung für eine Kita oder eine Tagespflegeperson erhalten".

Denn offenbar haben viele Eltern diese familiärere und auch etwas preiswertere Form der Kinderbetreuung gar nicht mehr im Blick. Zum 31. Dezember 2012 haben in Hamburg nach Angaben der Behörde 1350 Tagespfleger 4281 öffentlich geförderte Kinder betreut. Fünf Prozent davon sind Männer. Öffentlich gefördert bedeutet, dass sich die Stadt an den Kosten für die Kinderbetreuung beteiligt. Eltern zahlen einen Elternbeitrag, der sich an der Höhe des Familieneinkommens, der Zahl der betreuten Geschwisterkinder und der Familiengröße insgesamt bemisst. Mitte 2011 arbeiteten in Hamburg noch 1607 Tagespflegepersonen, die sich um knapp 4900 Kinder kümmerten.

Blickt man noch ein wenig weiter zurück, wird der Rückgang besonders deutlich: Ende 2008 gab es noch 1952 Tagesmütter und -väter. Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig: Seit dem Krippenausbau haben junge Eltern immer mehr Auswahl und finden sehr viel leichter ein passgenaues Angebot, um Kind und Beruf zu vereinbaren. Die Anforderungen an Tagesmütter, darunter bürokratische Hürden wie die Hygieneverordnung, die im vergangenen Jahr für viel Ärger sorgte, sowie strenge Sicherheits- und Bauauflagen (Schallschutz etc.), sind gestiegen. Doch inzwischen gebe es mehr Hilfen von den Behörden, sagt Anja Reinke: "Im Moment kooperieren wir sehr gut."

Über die Gründe, warum viele Tagespflegeeltern aufgegeben haben, hätten sie im Verein viel nachgedacht. "Es lag wohl an den vielen Fragezeichen in den letzten Jahren", mutmaßt Julia Leuther, die seit 2008 als Tagesmutter arbeitet. "Wer sich jetzt dafür entscheidet, sieht diese Arbeit als Beruf."

Inzwischen haben nach Angaben der Sozialbehörde 35 Prozent der Tagespflegepersonen eine pädagogische Berufsausbildung. Auch alle anderen mussten eine umfangreiche Qualifizierung vorweisen und sich regelmäßig fortbilden. Senator Scheele sagt: "Ich freue mich, dass das berufliche Qualifikationsniveau in der Kindertagespflege in den vergangenen Jahren gestiegen ist."

Er betont aber auch die "familiäre Atmosphäre für Krippenkinder in kleinen Gruppen", die die Besonderheit der Kindertagespflege ausmache.

12,7 Prozent der Kinder unter drei Jahren in Tagesbetreuung werden von Tagesmüttern betreut (Stand Juli 2011: 14,5 Prozent). Im Trend liegen Zusammenschlüsse mehrerer Tagespflegepersonen. "Bei Eltern sind sie ziemlich beliebt", sagt Anja Reinke. "Und sie sind auch leichter zu finden als Tagesmütter, die zu Hause arbeiten." Etliche Mitglieder seien früher zeitlich wenig flexibel gewesen, "doch das hat sich bei vielen geändert", sagt Reinke, die hofft, dass sich möglichst viele Mitglieder mit ihren Kontaktdaten für die Datenbank melden. "Wir möchten Tagesmütter reinkriegen, ebenso Kitas und Vereine, damit sie miteinander in Kontakt treten können. Es soll keine Vermittlungsbörse werden, sondern eine Kommunikationsplattform."

Tim Weyrauch und seine Frau fanden Julia Leuther, die Tagesmutter ihrer Tochter Lisa, auch erst über Umwege. Die Eltern des 18 Monate alten Mädchens, die neu in der Stadt waren, hatten ihr Kind bereits in einer Kinderkrippe angemeldet. "Wir haben festgestellt, dass uns die Kita für unsere Tochter nicht geeignet schien", sagt Tim Weyrauch. Der 32-jährige Pädagoge wollte seiner Tochter beispielsweise nicht zumuten, dass sie in einer Kita, die von frühmorgens bis abends geöffnet ist, die unvermeidbaren Schichtwechsel der Erzieher mitmachen muss. "Sie braucht enge und nahe Bezugspersonen", sagt ihr Vater. Die hat Lisa in Julia Leuther gefunden. "Es ist ein kleinerer Rahmen, und uns hat die Atmosphäre im Möwennest gleich von Anfang an gefallen", sagt Weyrauch.