Kion-Chef Gordon Riske über die Zukunft des Hamburger Gabelstaplerbauers, den Einstieg der Chinesen und Elektroautos.

Hamburg. Über den Einstieg des chinesischen Maschinenbaukonzerns Weichai Power hat der Kion-Konzern mit seiner Hamburger Tochter Still einen neuen Anteilseigner. Mehr als 700 Millionen Euro lassen sich die Asiaten die Übernahme von 25 Prozent des Unternehmens sowie des Hydraulikgeschäfts kosten. Es ist die größte Investition der Asiaten in die deutsche Industrie. Das Abendblatt sprach mit Kion-Chef Gordon Riske über die Folgen für die Beschäftigten in Hamburg, ein neues Werk, den geplanten Börsengang und die Kooperation mit dem Hamburger Elektrowagenbauer Karabag.

Hamburger Abendblatt: Herr Riske, sprechen Sie schon Chinesisch?

Gordon Riske: Noch nicht. Aber ich beginne gerade mit dem Sprachunterricht. Ich werde mich zunächst auf 100 Wörter konzentrieren. Das Lernen fällt mir morgens am leichtesten. Ich bin Frühaufsteher.

Haben Sie Weichai Power, den neuen Gesellschafter von Kion, in China schon besucht?

Riske: Ziemlich oft. Ich kenne den Chef von Weichai seit zwölf Jahren. Damals, als ich noch beim Motorenhersteller Deutz in Köln war, haben wir das erste Gemeinschaftsunternehmen zwischen Deutz und Weichai aufgebaut. Es liefert Dieselmotoren für Bau- und Landmaschinen sowie für Boote. Die Firma arbeitet bis heute sehr profitabel. Tan Xuguang und ich sind Freunde. Eine gute Ausgangsposition, um Erfolg zu haben.

Müssen die Mitarbeiter von Kion und der Hamburger Tochter Still nach dem Einstieg der Chinesen fürchten, dass Jobs nach Asien verloren gehen?

Riske: Im Gegenteil. Die erste Folge der Übernahme des Hydraulikgeschäfts durch Weichai Power ist eine ganz andere. Wir bauen gemeinsam ein neues Werk am Standort Aschaffenburg. Dort soll die Kapazität für Hydraulikpumpen und Motoren von 150 000 auf 250 000 Einheiten pro Jahr fast verdoppelt werden. Bis 2015 sollen 30 Millionen Euro investiert und langfristig mehrere 100 Jobs geschaffen werden. Die Chinesen machen Tempo, weil ihr Bedarf größer ist als unsere Kapazität.

Und was passiert bei den Gabelstaplern? Wird es eine neue Billigmarke für den chinesischen Markt geben?

Riske: Eine neue Marke brauchen wir nicht. Mit Baoli bauen wir seit 2009 Standardstapler in China, Linde fertigt dort mit einer eigenen Fabrik seit 20 Jahren Premiumgeräte. Dieses Geschäft wollen wir massiv ausbauen. Unser Partner bringt uns Kunden, die bisher noch nicht bei uns gekauft haben.

Ging der Ausbau aus eigener Kraft nicht schnell genug?

Riske: In China ist der Markt für Gabelstapler in den vergangenen zehn Jahren jährlich um jeweils mehr als 20 Prozent gewachsen. Mit 250 000 Geräten wird dort inzwischen jeder vierte Gabelstapler weltweit verkauft. In einigen Jahren wird der Markt vielleicht 350 000 Stapler erreichen. Bei diesem Geschäft dabei zu sein, braucht eine noch bessere Verankerung im Land. Die wird durch den Einstieg von Weichai erreicht. Die Mitarbeiter in Deutschland und in Hamburg werden darunter nicht leiden.

Sie wollen nach Medienberichten mit Kion an die Börse. Was macht die Aktien sexy?

Riske: Wir haben keinen Börsengang angekündigt. Trotzdem könnte ich einiges aufzählen, was Kion etwa für unsere Anleiheinvestoren attraktiv macht.

Was genau?

Riske: Ein Marktwachstum von jährlich sechs Prozent im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre, eine überzeugende globale Strategie, die Nummer zwei in der Branche weltweit, eine technologische Führungsposition, Marken, die sich positiv entwickeln. Dazu kommt, dass Investoren unser Geschäft als Maschinenbauer gut verstehen. Nun haben wir auch einen strategischen Investor aus China. Wir sind ein stabiles Industrieunternehmen. So etwas kommt bei Investoren zunehmend in Mode.

Wann käme ein Börsengang infrage, schon im kommenden Jahr?

Riske: Es gibt keinen Zeitplan, aber grundsätzlich klare Verantwortlichkeiten: Wir behalten unser Geschäft im Auge. Alles andere entscheiden die Eigentümer und das Börsenumfeld.

Wie kann das Still-Werk in Hamburg von der Strategie profitieren?

Riske: Das Werk hat bereits von der Europastrategie profitiert. In den vergangenen Jahren wurde Arbeit für 200 Beschäftige aus geschlossenen Werken in Reutlingen, in England und in Italien nach Hamburg verlagert. Vor allem die Lagertechnik sichert den Standort. Diese Geräte machen heute mehr als die Hälfte der Stückzahlen in Europa aus, und weil sie vor allem in der Lebensmittel- und Medizinbranche eingesetzt werden, ist der Verkauf nicht den starken Schwankungen in der Industrie ausgesetzt. In Hamburg sind Entwicklung, Montage und Vertrieb der Marke Still zusammengefasst.

Was bedeutet das für die mehr als 2000 Jobs in Hamburg?

Riske: Selbst wenn die Unsicherheit in der Euro-Zone sowie durch den Nahost-Konflikt zu spüren ist, sind für uns Probleme in Hamburg nicht in Sicht. Es wird nach unseren Planungen im kommenden Jahr keinen Stellenabbau und keine Kurzarbeit geben. Wir suchen Führungspersonal, Ingenieure, Techniker und gewerbliche Mitarbeiter. Die Stammbelegschaft bleibt konstant.

Der Still-Betriebsrat fordert statt der zusätzlichen Beschäftigung von Zeitarbeitern Neueinstellungen und variable Arbeitszeiten für die Stammbelegschaft, um so Fachleute im Betrieb zu halten und neue zu bekommen. Können Sie da Hoffnung machen?

Riske: Auch ich arbeite grundsätzlich lieber mit eigenen Leuten. Ihre Bindung an das Unternehmen ist stärker, ihre Kompetenz ist größer. Das darf man nicht unterschätzen. Wir müssen aber ein Modell finden, mit dem Auftragsschwankungen von 20 Prozent aufgefangen werden können - ohne Kurzarbeit und Stellenabbau. Gelingt das mit flexiblen Arbeitszeitkonten, die nicht jährlich, sondern über längere Zeiträume ausgeglichen werden müssen, wäre das ein wichtiger Schritt. Derzeit haben wir uns wegen der unsichereren Lage von 90 bis 100 der rund 200 Zeitarbeiter getrennt. Das dient der Vorsorge.

Still engagiert sich in Hamburg jetzt auch bei Elektroautos. Haben Sie einen solchen Wagen schon gefahren?

Riske: Natürlich. Ich war einer der Ersten, der sich in einen Fiat 500 unseres Hamburger Kooperationspartners Karabag gesetzt hat. Schließlich arbeiten darin Elektromotoren von Kion.

Wie war es?

Riske: Ein anderes Fahrgefühl, toll.

Künftig können die Karabag-Wagen bei Still gewartet werden. Das macht den Betrieb einfacher. Wie lautet nun Ihre Prognose für den Elektroautoverkauf in Deutschland?

Riske: Der wird sich langsamer entwickeln, als von vielen erhofft. Die Menschen sind immer noch skeptisch, weil sie befürchten, die Wagen nicht rechtzeitig aufladen zu können. Der Wunsch der Bundesregierung, dass bis 2020 eine Million Elektroautos fahren sollen, ist sehr ambitioniert.

Zurück zu Kion. Was erwarten Sie nach den guten Zahlen in den ersten neun Monaten für das Gesamtjahr?

Riske: Das Jahr 2012 wird besser als 2011. Hatten wir damals einen Umsatz von 4,368 Milliarden Euro, einen operativen Gewinn von 365 Millionen Euro und eine Umsatzrendite von 8,3 Prozent, werden wir in diesem Jahr zulegen. Das lässt sich schon an der Rendite von mehr als neun Prozent nach neun Monaten ablesen.

Herr Riske, Sie sind 1989 von Detroit nach Deutschland gekommen. Würden Sie noch einmal in den deutschen Maschinenbau wechseln? Was schätzen Sie in Ihrer neuen Heimat, und was fehlt Ihnen am meisten?

Riske: Der deutsche Maschinenbau ist der beste der Welt. Dorthin würde ich immer wieder gehen. An den Deutschen schätze ich ihre Zuverlässigkeit. Was sie sagen, tun sie. Am stärksten fehlt mir in Wiesbaden meine Tochter Erin. Sie ist in Michigan verheiratet und arbeitet in der Hauptstadt Lansing. Da kann ich nicht mal einfach so vorbeischauen.