Im Jahr 2030 könnten laut einer Studie in Hamburg mehr als 6400 Vollzeitstellen fehlen, um die Versorgung auf derzeitigem Niveau zu halten.

Hamburg. Die Zahl der Pflegebedürftigen Menschen in Hamburg steigt laut mehrerer Prognosen stetig an. Nach Zahlen der Gesundheitsbehörde werden im Jahr 2025 rund 53 000 Hamburger ambulante oder stationäre Pflege in Anspruch nehmen. Das wäre ein Plus von rund 15 Prozent. Denn noch sind es etwa 46.000 Menschen. Diese Zahl stammt aus dem Jahr 2009 und ist derzeit die aktuellste. Laut der jüngsten Studie der Bertelsmann-Stiftung könnte der Zuwachs bis zum Jahr 2030 sogar 32 Prozent betragen. Dann wären gut 60 00 Menschen in der Stadt auf Pflegedienste angewiesen.

Mit diesem Zuwachs geht auch ein Mangel an ausgebildeten Pflegekräften einher. Und der besteht schon heute. "In Hamburg sind Fachkraft- und Helferstellen nicht besetzt", sagt Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Sie appelliert etwa an die Arbeitgeber von Pflegeeinrichtungen, "alles dafür zu tun", ausgebildetes Personal im Beruf zu halten oder wieder in den Beruf zu bringen. Außerdem kündigt sie an, eine sogenannte Ausbildungsumlage in der Altenpflege einführen zu wollen.

Nicht alle Betriebe bilden aus. Diejenigen, die es tun, haben durch die höheren Kosten einen Wettbewerbsnachteil. Um diesen auszugleichen und somit einen Anreiz für die Ausbildung zu schaffen, sollen künftig alle Pflegeeinrichtungen je nach Größe Geld in Höhe des Azubi-Lohnes in einen Topf einzahlen. Bilden sie aus, erhalten sie das Geld zurück. Dieses Vorhaben geht auf eine Initiative der SPD-Fraktion zurück.

Friederike Föcking, Pflegeexpertin der CDU-Fraktion, hält eine derartige Umlage für rechtlich schwierig umsetzbar. Zwar gibt es das bereits im Saarland. "Aber andere Bundesländer mussten die Umlage zurückziehen, weil es kompliziert war, den Fachkräftemangel nachzuweisen." Sie fordert eine Imagekampagne an Schulen, um für die Ausbildung zum Altenpfleger zu werben. "Außerdem müsste das von uns angestoßene Umschulungsprogramm verstetigt werden."

Welche Maßnahme auch immer, es muss auf jeden Fall gehandelt werden. Denn laut Bertelsmann-Studie wächst der Mangel in Hamburg unaufhaltsam an. Nach den neuesten Zahlen aus dem Jahr 2009 arbeiten rund 20 000 Menschen etwa je zur Hälfte in der ambulanten und stationären Pflege. 2030 könnten der Studie zufolge mehr als 6400 Vollzeitstellen fehlen, um die Pflege auf dem derzeitigen Niveau zu halten. Die Personallücke liege danach bei gut 43 Prozent. Allerdings stünde Hamburg im Vergleich zu allen anderen Bundesländern noch mit am besten da. Bundesweit könnte die Lücke bis 2030 auf nahezu 80 Prozent steigen.

Daneben gibt es auch eine wachsende Zahl von Menschen, welche die Pflege im Alter mit ihrer Rente und der Pflegeversicherung allein nicht mehr bezahlen können. In Hamburg beziehen derzeit 14 145 Senioren sogenannte Hilfen zur Pflege. Diese Zahl erhöht sich seit Jahren etwa um jährlich etwa zwei Prozent. Bis 2014 prognostiziert die Gesundheitsbehörde also ein Plus von etwa 600 zusätzlichen Beziehern. Das schlägt sich auch in den Ausgaben nieder. Waren es 2010 noch 163 Millionen Euro, welche die Behörde für die Hilfen zur Pflege aufbrachte, werden die Ausgaben 2014 aus rund 190 Millionen Euro anwachsen.

Weil immer mehr Senioren und deren Familien die Kosten nicht mehr tragen können, engagieren sie Pflegekräfte aus Ländern mit niedrigerem Lohnniveau wie Lettland oder Polen.

Karin Timmermann, SPD-Expertin für Senioren, sagt, dass sich die hohe Zahl der Singlehaushalte auf die Pflege und die Ausgaben auswirken wird. Denn kann der Pflegebedürftige sich die nicht selber leisten, muss zuerst die Familie einspringen. Dort, wo es sie nicht gibt, ist die Stadt gefragt. Sie sagt auch, dass die von der Bundesregierung angekündigte Erhöhung der Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte zu wenig sei. "Es müssten mindestens 0,5 Prozentpunkte sein." Auch CDU-Frau Föcking sagt: "Hochwertige Pflege gibt es nicht zum Dumpingpreis." Sie schlägt vor, soweit es geht, die Pflege in Heimen zu vermeiden. "Aber dafür müsste man Wohnungen barrierefrei und behindertengerecht bauen." Das sei zwar erst einmal teuer, würde sich aber später lohnen, da ambulante Pflege günstiger als stationäre sei. Ein Beispiel dafür hat sie auch parat: "Energetische Sanierungen sind auch teuer, werden aber dennoch durchgeführt."

Immerhin gibt es heute in einem Bereich keinen Mangel: bei den Plätzen in Pflegeheimen. Nach den aktuellsten Zahlen leben gut 15 500 Hamburger in derartigen Einrichtungen. Plätze gibt es dagegen mehr als 17 800. Timmermann: "Jeder Hamburger, der einen Platz in einer Einrichtung braucht, der bekommt auch einen."