Vor einem Jahr kam die Griechin nach Hamburg und erlebte eine harte Zeit. Jetzt läuft bei der jungen Frau alles rund - beruflich und privat.

Hamburg. Wenn Georgia Kosmidou über Griechenland spricht, zieht ein dunkler Schatten über ihr Gesicht. "Es gibt jeden Tag neue Nachrichten, und sie sind nie gut." Am schlimmsten ist es, wenn sie mit ihren Eltern in Thessaloniki telefoniert. "Sie haben Angst. Die Stadt ist nicht mehr sicher. So viele Menschen haben ihre Arbeit verloren. Die meisten Geschäfte sind geschlossen", sagt die 33-Jährige. Jetzt, da der Winter vor der Tür steht, sehe man immer mehr Bewohner, die Holz nach Hause schleppten, habe ihre Mutter erzählt. Nicht mal Schulen könnten noch beheizt werden. "Ich weiß nicht, wo das hinführen soll."

Im Herbst vergangenen Jahres hat Georgia Kosmidou ihre Heimat verlassen, wie Tausende andere aus den EU-Krisenländern. Sie sind Vertreter einer neuen Gastarbeiter-Generation: jung, flexibel, qualifiziert - und auf der Suche nach Arbeit, nach einer Zukunft (siehe Text rechts). Die Griechin Kosmidou beispielsweise musste ihren Kosmetiksalon in Thessaloniki schließen. Sie habe praktisch keine Kunden mehr gehabt, hatte sie dem Abendblatt kurz nach ihrer Ankunft in Hamburg gesagt. "Niemand hat mehr Geld für Luxus." Sie kam nach Deutschland und fing noch mal von vorn an. Das war nicht einfach, sagt sie. Aber Georgia Kosmidou hat den ersten Schritt geschafft. Seit dem 1. September hat sie einen 20-Stunden-Job im Nivea-Care-Shop in Bergedorf, so eine Art kleine Schwester des Nivea-Hauses in der Innenstadt.

Gesichtsbehandlung mit Meeresalgen-Extrakten, Anti-Aging-Angebote, Schokomaske; in weißem T-Shirt steht sie in einer der Behandlungskabinen. Auf ihrem Rücken steht "Kosmetikerin". "Mir macht die Arbeit viel Spaß", sagt die junge Frau. In der Hand hat sie ein Gerät, mit dem man den Hautzustand messen kann. "Frau Kosmidou spricht gut Deutsch, ist gut ausgebildet und war nach der einmonatigen Trainingsphase sofort einsetzbar", sagt Filialleiterin Heike Bekens zufrieden. "Sie ist eine Bereicherung für das Team."

Bis dahin war es ein harter Weg. Nur mit einem Koffer war Georgia Kosmidou ins Flugzeug gestiegen und in Hamburg erst einmal bei Verwandten untergekommen. Sie schrieb sich für einen Deutschkursus beim Goethe-Institut ein. "Ich habe acht Stunden am Tag gelernt", sagt sie. Sie las Annoncen, schrieb Bewerbungen, ging zum Arbeitsamt. "Die waren sehr nett, konnten mir aber keine praktische Hilfe geben." In Griechenland sei ihr Beruf ganz anders, erklärt die Kosmetikerin, die acht Semester Kosmetik und Ästhetik an der Universität studiert hat und seit 2003 selbstständige Unternehmerin war.

Erst nach und nach habe sie verstanden, welche Arbeitsplätze in Deutschland überhaupt infrage kommen. Oder wie wichtig eine konstante Postadresse ist, wenn man sich bewirbt. Die hatte sie aber nicht, weil sie jeden Monat bei anderen Menschen unterkam. Mal in Harvestehude, mal in Uetersen oder in Bergedorf. "Ich habe auch Angebote bekommen, aber die waren nicht seriös", sagt Georgia Kosmidou. Zum Beispiel in dem kleinen Kosmetiksalon, wo man sie 14 Tage umsonst zur Probe arbeiten ließ und dann doch absagte, weil "die Sprache ein Problem ist". Oder in dem Wax-Studio, wo sie 4 Euro Stundenlohn bekommen sollte. "Ich habe es nicht gemacht, aber ich war schon sehr verzweifelt. Ich dachte, ich schaffe es nicht."

Dass sie nicht aufgegeben hat, hat viel damit zu tun, dass Georgia Kosmidou in Hamburg auch eine neue Liebe gefunden hat: Markus Grimm, 37 Jahre alt, Medienberater. "Nachdem der Artikel über mich im Abendblatt erschienen war, habe ich dem TV-Sender RTL ein Interview gegeben. Das hat er zufällig gesehen und mich über Facebook kontaktet", sagt die hübsche Griechin, und über ihr Gesicht huscht ein Lächeln. Sie habe damals mehrere Freundschaftsanfragen und viele Tipps bekommen, aber nur auf diese geantwortet. "Das war von Anfang an anders." Seit Februar sind die beiden ein Paar, Ende Mai zog Georgia Kosmidou mit in die 2,5-Zimmer-Wohnung in Fuhlsbüttel ein.

Jetzt sitzt sie auf dem Sofa, die beiden Katzen Niki und Mika streifen um ihre Beine, auf dem Tisch steht eine Kanne Tee auf dem Stövchen. "Markus hat mir Hamburg gezeigt. Ich will die Kultur und die Geschichte kennenlernen", sagt sie. Sie liebt den Rathausmarkt und den Jungfernstieg. Das quirlige Leben in der Schanze und Ottensen. Die Kunsthalle. "Wenn ich Geld habe, gehe ich dorthin."

Kosmidou sieht ihre Zukunft in Deutschland, zurück will sie nicht

Sie mag die Deutschen. "Hier lesen die Menschen in der U-Bahn, hören zu und sind höflich." Sie liebt auch die deutsche Küche, Spargel mit Sauce hollandaise ist eins ihrer Lieblingsgerichte und Bratkartoffeln. "Aber ich koche auch oft." Dann gibt es echt griechisches Essen mit viel Gemüse. Griechen habe sie in Hamburg nicht kennengelernt. "Ich möchte ja mit den Menschen zusammen sein, die hier geboren und aufgewachsen sind. Und die Deutsch sprechen", sagt sie.

Georgia Kosmidou will bleiben. Die Lage in ihrer Heimat sieht sie pessimistisch. Aber anders als vor einem Jahr ist sie nicht mehr so wütend auf die griechischen Politiker, "die sie abgewertet haben", wie sie es ausdrückt. Sie ist froh über ihren Job. Sie verdient weniger als früher, aber sie kann davon leben. Und es gibt eine Perspektive. Ihre Familie überlege inzwischen auch, nach Hamburg zu kommen, sagt sie. Die Eltern sind Rentner, ihre Schwester Rechtsanwältin. "Sie hat viele Mandanten, aber niemand kann zahlen." Ob das klappt, ist unklar - auch sie müsste einen Neustart machen. So wie Georgia Kosmidou. Sie will jetzt neben ihrem Halbtagsjob weiter Deutsch lernen und die weitere Prüfung machen. "Die brauche ich, um zu studieren", sagt sie. "Ich möchte mich richtig integrieren."