Hamburg, Deine Berge - Folge 10: der Mellenberg - die höchste natürliche Erhebung im Norden der Stadt.

Volksdorf. Doch, auch in Hamburg gibt es Berge. Abendblatt-Autor Josef Nyary stellt sie in loser Folge in der neuen Serie "Hamburg in der Höhe" vor. Die Berge wurden aufgetürmt von Einszeitgletschern - oder auch mal nur von der Müllabfuhr. Was sie alle gemeinsam haben? Sie alle sind einen Spaziergang, einen Ausflug oder sogar eine Wanderung wert.

Die Männer sind in Hirschleder gehüllt, verschießen Pfeile aus Kiefernspaltholz mit Feuersteinspitzen und hausen in Zelten aus Fellen. Im Tal zieht ihre Beute in großen Herden zu den frischen Frühlingsgräsern am Rand der schmelzenden Gletscher im Norden: Rentiere, Wisente, Auerochsen und manchmal das Mammut.

Die Jäger der letzten Eiszeit im Elbegebiet lebten vor 16 000 Jahren. Ihr reichstes Revier liegt im Stellmoorer Tunneltal, ihr bevorzugter Beobachtungspunkt aber ist eine Satzendmoräne in Volksdorf: der Mellenberg.

Als sich die gewaltigen Eishobel der Volksdorfer und der Meiendorfer Gletscherzunge gabeln, lassen sie in der Mitte einen runden Hügel stehen. Mit 63 Metern über dem Meeresspiegel ist er die höchste natürliche Erhebung im Norden Hamburgs. Die allernächste Umgebung überragt er heute zwar nur noch um zwölf Meter, doch das ist mehr als genug für die Wahl zum ersten Siedlungsplatz der Stadt: Jahrtausendelang schlagen die Steinzeit-Nomaden auf der kreisförmigen Kuppe mit der kleinen Delle ihr Sommerlager auf.

Ihre Jagdbeute wandert in Sichtweite durch die windgeschützten Täler nach Ahrensburg. Dort entdeckt der Elektrotechniker Alfred Rust 1933/34 als Erster die Hinterlassenschaft der Kaltzeit-Camper: 111 Rentierstangen, Knochen mit Schusslöchern - alles in einem ausgetrockneten See.

Am Mellenberg konserviert kein Faulschlamm solche Funde, doch die Wanderwege der "Ahrensburger Kultur" zwischen Ohlstedt, Bergstedt, Sasel und Volksdorf sind gut erforscht.

Die ersten Dauersiedler finden sich in der Bronzezeit vor 4000 Jahren ein. Im Spätmittelalter entstehen die Walddörfer. Die Bauern holen sich Bau- und Brennholz und treiben Mastschweine zu den Eicheln und Bucheckern.

Seit dem 16. Jahrhundert verwalten "Waldherren" den Forst für Hamburgs Senat. Den Rest der großen Wildnis im Nordosten finden Spaziergänger auf letzten 92 Hektar im Volksdorfer Wald am Mellenbergweg.

Das 19. Jahrhundert pflanzt flott wachsende Fichtenmonokulturen, das 20. kehrt nach Sturm- und Schädlingsschäden zum dauerhaften Buchenmischwald zurück und stellt einen Aussichtsturm auf den Hügel. 1904 bis 1934 dampft eine Kleinbahn von Rahlstedt durch den Wald nach Volksdorf. Das Dorf wird Vorstadt und immer mehr Mittelstands-Eigenheime umzingeln den Wald, bis den Rehen nur noch ein kleines Dreieck bleibt. Am Südrand steht einer der ältesten Grenzsteine Hamburgs. 1925 töpfert der Dorfpolizist Oskar Moritz Klinker für ein Kriegerdenkmal am Mellenbergweg. Die Namen der 48 Volksdorfer Gefallenen sind in Terrakotta gebrannt. Nach 1945 wird das Monument zerstört.

Im Winter sausen Schlitten durch Schnee und Laub, im Sommer lockt Hamburgs erster Hochseilgarten. "Mellen" kommt vom indogermanischen Urwort "meld" für "weich". Die Eiszeitgletscher sind weich geworden, der Mellenberg hält bis heute durch.