Hamburg, Deine Berge - Folge 6: der Wulmsberg. Er erhebt sich in Hamburgs regenreichster Region und er steckt voller Überraschungen.

Hausbruch. Doch, auch in Hamburg gibt es Berge. Abendblatt-Autor Josef Nyary stellt sie in loser Folge in der neuen Serie "Hamburg in der Höhe" vor. Die Berge wurden aufgetürmt von Eiszeitgletschern - oder auch mal nur von der Müllabfuhr. Was sie alle gemeinsam haben? Sie alle sind einen Spaziergang, einen Ausflug oder sogar eine Wanderung wert.

Schon von Weitem schallt dem Wanderer Lautes von Lionel Richie entgegen: "Don't Stop The Music!" Beifallsgeschrei begleitet Altliga-Kicker aus St. Pauli ins Endspiel beim Beach-Soccer-Turnier. An ruhigeren Tagen dringen Pfauenschreie durch die Stille. Vor der Sennhütte steht eine 17 Tonnen schwere Eule, auf dem Gipfel lädt der Pool eines Luxushotels zum Bade. Ja, der Wulmsberg steckt voller Überraschungen.

Vom Ehestorfer Heuweg aus, Hamburgs längster Serpentine, schraubt sich ein schmaler Fahrweg durch dunklen Forst steil auf 64 Meter über dem Meer. Auf dem Gipfel grüßte im 19. Jahrhundert eine zweistöckige Almhütte mit Veranda, Balkon und Flaggenmast. Im Januar 1899 baut die Niederelbebahn Harburg-Cuxhaven den Bahnhof Hausbruch, aus Hamburg kommen immer mehr Ausflügler in die Schwarzen Berge, und Anbauten vergrößern die Sennhütte auf das Dreifache. Eine breite Steintreppe verkürzt die letzten Meter, an drei Masten flattern Hamburgs und Preußens Farben, und auf Ansichtskarten präsentiert ein Dirndl einen Alpenblumenstrauß.

Unter dem weithin sichtbaren Kegel wacht noch Wacholder über die grüne Heide. Bald aber wächst der Blick zu. Denn schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts pflanzt die Hannoversche Forstverwaltung immer mehr Nadelholz an, vor allem Kiefern und Fichten. Seit 1880 wird auch noch die besonders schnell wachsende Douglasie aus Nordamerika heimisch gemacht, und bald sieht man den Berg vor lauter Bäumen nicht.

+++ Hamburg, deine Berge +++

Heute lädt das Berghotel Hamburger Blick Besucher in eine hochmoderne Betonzitadelle mit einer Terrasse, die den stolzen Namen jederzeit rechtfertigt: Bei Kaffee und Kuchen reicht die Fernsicht 13Kilometer weit, über die Airbus-Hallen auf Finkenwerder und das Urstromtal der Elbe bis zu den Bergen von Blankenese. Zum Candle-Light-Dinner mit "gehobener deutscher Küche" glimmt im Osten Hamburgs Skyline, und die Riesenkräne von Altenwerder setzen sich in Szene.

Der alte Name Sennhütte ist ins Tal gewandert und schmückt inzwischen am Ehestorfer Heuweg ein Steakhaus. Der sieben Meter hohe Nachtvogel an der Straße ist ein Werk des Bildhauers Erich Gerer, 66. Bei Bregenz geboren und seit 1965 in Hamburg, schnitzt der Österreicher bevorzugt Tiere und Fabelwesen und steht damit schon gleich zweimal im Guinnessbuch der Rekorde: seit 1984 mit der größten Eule, seit 2001 auch noch mit dem größten Bären der Welt.

Im Sommer arbeitet "Euler-Erich" am Wulmsberg, im Winter wechselt er in sein Zweitatelier an der Cuxhavener Straße. Auch Gerbers Rehe, Keiler, Elche, Bergschafe und Steinböcke passen gut in die Landschaft. Pfauen schnitzt er jedoch nicht. Die blauen Prachtvögel leben im nahen Wildpark Schwarze Berge, und über ihre Schreie hat sich schon so mancher ahnungslose Wanderer gewundert. Musik und Fußballlärm sind dagegen längst verklungen: Im Mai 2002 trugen Hamburger Kicker auf dem Parkplatz des Berghotels zugunsten der Deutschen Muskelschwundhilfe ein Bahrfuß-Turnier aus. Lastwagen karrten 260 Kubikmeter Sand auf die Kuppe. Sieger wurden nicht die Bundesliga-Veteranen aus St. Pauli, sondern eine abgelockte Wilhelmsburger Seniorentruppe.

Doch woher kommt der Name dieses Berges? "Wul" ist ein uraltes Wort für Sumpf. Auch in der Nachbarschaft tragen viele Gipfel, Täler und Fluren gewissermaßen feuchte Namen, denn die Harburger Berge sind Hamburgs regenreichste Region. Ihrer Anziehungskraft schadet das allerdings überhaupt nicht. Die kleinen Dörfer zu ihren Füßen, mit ihren Kopfsteinpflastern zwischen uralten Bäumen und mit rasch hochgezogenen Behelfsheimen der Nachkriegszeit, stehen längst im Schatten moderner Hochhäuser.

Und nicht weit von hier, im Osten, rauscht der Fernverkehr über eine Stelzenbrücke in den Elbtunnel. Aber noch rettet ein grüner Gürtel aus Staatsforst und Schutzgebiet die Natur um den Wulmsberg vor zu viel Zivilisation. Damit es ruhig bleibt am Berg.