Die Kosten fürs Wohnen explodieren. Laut einer Prognose überholt die Hansestadt bald sogar die teuerste Mieterstadt München.

Hamburg. Viele Hamburger Mieter müssen im kommenden Jahr mit dramatischen Mietpreissteigerungen rechnen. Davor hat der Mieterverein zu Hamburg gewarnt. "Kein anderes Bundesland hat aktuell einen stärker ansteigenden Mietenspiegel als die Hansestadt. Im kommenden Jahr wird sie München als Deutschlands teuerste Stadt zum Wohnen ablösen", sagte Mietervereins-Vorstandsmitglied Siegmund Chychla. Besonders stark betroffen seien Stadtteile mit bislang relativ moderaten Quadratmeterpreisen wie Hamm, Borgfelde und Barmbek.

Die Prognose bezieht sich auf den aktuellen Immobilienbericht des Gutachterausschusses für Grundstückswerte. Er verzeichnet deutliche Preissteigerungen. Für frei stehende Einfamilienhäuser müssen in Hamburg durchschnittlich zehn Prozent mehr bezahlt werden als 2010. Für Mittelreihenhäuser sind zwölf Prozent und für Eigentumswohnungen 13 Prozent mehr fällig. Die Quadratmeterpreise für Mehrfamilienhäuser stiegen von rund 1600 Euro im Jahr 2010 auf rund 1700 Euro. Insgesamt wechselten im vergangenen Jahr in Hamburg 12.535 Grundstücke, Häuser und Wohnungen den Eigentümer. Den Hauptanteil mit 57 Prozent bildeten Eigentumswohnungen. Auf bebaute Grundstücke entfielen 32 Prozent, auf Baugrundstücke zehn Prozent. Kostete ein Einfamilienhaus-Baugrundstück (durchschnittlich rund 750 Quadratmeter) im Jahr 2010 noch 200.000 Euro, waren es ein Jahr später 241.000 Euro. Der Gesamtumsatz des Hamburger Immobilienmarktes stieg von 6,2 Milliarden im Jahr 2010 auf rund 6,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Alle Zahlen basieren auf den tatsächlich gezahlten Preisen, die von den Notaren übermittelt wurden.

Solange die Schuldenkrise für ständig neue Rekordtiefs bei Zinsen sorgt, vertrauen immer mehr Anleger auf "Betongold", vor allem in Großstädten. Durch die große Nachfrage steigen die Immobilienpreise und damit die Mieten. Der größte deutsche Makler Engel & Völkers hat derzeit rund eine halbe Million Kaufanfragen registriert, bei Immobilienscout24 ist die Zahl der Kaufgesuche seit dem Beginn der Finanzkrise um 500 Prozent gestiegen.

Hinzu kommt die Attraktivität der Hansestadt. Wegen der Zuzüge nach Hamburg könnten bereits in fünf Jahren 50.000 Mietwohnungen fehlen. "Wenn der Wohnungsbau nicht deutlich zulegt, klafft bald eine enorme Lücke", warnte Matthias Günther, Leiter des Hannoveraner Pestel-Instituts, das im Auftrag mehrerer Fachverbände die Hamburger Wohnungssituation untersucht hatte. "Wohnungen, die für Normalverdiener bezahlbar sind, werden Mangelware." Der SPD-Senat hat versprochen, für jährlich 6000 neue Wohnungen zu sorgen. Günther hält dies für unzureichend: "Mindestens 10.000 neue Wohneinheiten müssten es sein."

Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr 3729 Wohnungen in Hamburg fertiggestellt, doch das seien vor allem hochpreisige Mietwohnungen mit einem Quadratmeterpreis von mehr als zehn Euro, sagt Siegmund Chychla. Von der zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt war zu den Warnungen des Mietervereins am Feiertag keine Stellungnahme zu erhalten. Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Dr. Kurt Duwe, appellierte an die städtische Saga/GWG, sich wieder mehr auf ihre Kernkompetenz im öffentlich geförderten Wohnungsbau zu konzentrieren. Duwe kritisierte auch die Finanzbehörde, die bei Grundstücksvergaben zu sehr nach dem Höchstpreis schiele und zu wenig die Qualität des Wohnungskonzepts berücksichtige. Entwicklung und Vermarktung großer Wohnungsbauprojekte seien "sehr ausbaufähig".