Stille. Und dann ist da dieses Knattern. Schwirren. Knistern.
Die Luft ist erfüllt vom Flügelschlag der unzähligen Libellen, die buntschillernd über das Wasser jagen. Besucher, die still am Ufer des Moorsees stehen, können die fragilen Flugkünstler aus nächster Nähe beobachten - denn nicht selten legt eine Libelle eine kurze Pause auf einer Menschenschulter ein. Das Wittmoor bietet als letztes - wenn zum Teil auch abgetorftes - Hochmoor Hamburgs faszinierende Naturerlebnisse.
Der Boden schwingt unter den Füßen. Man spürt den Torfkörper fast noch mehr, als dass man ihn sieht. "Die Torfschichten sind hier bis zu fünf Meter stark", sagt Andreas Eggers (45) vom Naturschutzamt der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU). Seit der Hamburger Teil des länderübergreifenden Gebietes mit Schleswig-Holstein 1982 unter Schutz gestellt und 1997 die Fläche auf 220 Hektar vergrößert wurde, breiten sich Moorpflanzen und -tiere wieder aus oder wandern neu in das Gebiet ein. Die Moorregeneration begann bereits 1978 unter der Federführung des Botanischen Vereins zu Hamburg. 60 Jahre intensive Nutzung mit Torfabbau hatten das nahezu 9000 Jahre gewachsene Hochmoor so stark geschädigt, dass von seiner Ursprünglichkeit mit einer baumlosen Moorfläche und einem uhrglasförmig hochgewölbten Torfkörper nicht mehr viel vorhanden war.
Um die Reste zu erhalten und den Prozess neuer Moorbildung anzukurbeln, wurden als erstes die Entwässerungsgräben geschlossen. So entstanden im abgetorften Mittelteil des Moores zwei Moorseen, die inmitten der verbliebenen Hochmoorkörper seitdem ein Übergangsmoor schaffen. Der steigende Wasserspiegel lässt unerwünschte Vegetation absterben - die Birkenstümpfe, die wie eine schaurig-perfekte Kulisse für einen Edgar-Wallace-Krimi aus dem tiefschwarzen Wasser der Seen herausragen, sind stumme Zeugen dafür.
Torfmoose stehen in den Startlöchern, das Gebiet zu übernehmen: Sie sind die Baumeister der Hochmoore. Die unscheinbaren Pflanzen besitzen spezielle Speicherzellen, die in der Lage sind, das Dreißigfache des Gewichts der Pflanze an Wasser zu speichern. Jedes Jahr wachsen die Torfmoospflanzen bis zu 30 Zentimeter und bilden so große Polster, die jedoch nur an der Oberfläche leben - an der Basis sterben die Pflanzen ab. Durch ihre Ablagerung entsteht Torf.
Leben und Sterben im immer währenden Kreislauf. Nur wenige Meter neben dem Moorsee spielt eine kleine Pflanze dieses Spiel mit: der Sonnentau. Der vier bis acht Zentimeter große "Fleischfresser", hier ein Rundblättriger Sonnentau, fängt mit klebrigen Härchen Insekten und saugt sie aus. In Deutschland stehen alle vier heimischen Sonnentau-Arten unter Naturschutz. Der Flussregenpfeifer, der im Hintergrund am Ufer des Sees nach Nahrung sucht, muss sich vor den Klebfallen nicht in Acht nehmen.
Doch vielleicht vor dem Rascheln. Am Rande des Pfeifengras-Birkenwaldes, am Übergang zu den Heideflächen, die wie Eggers sagt, "hier primär hingehören, an den Rand eines Moores", lebt Hamburgs einzige Giftschlange: die Kreuzotter. Sie sonnt sich, wie auch Ringelnattern und Bergeidechsen, auf Baumstümpfen und sandigen Flächen und sucht in warmen Laubhaufen nach einem Versteck für ihre Eier. Oder im Moor nach Fröschen, die mit dem zurückkehrenden Wasser ebenfalls wieder das Wittmoor bevölkern.
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